in Florida oder an der kalifornischen Kuste genie?en sollte.«

«Dann mussen Sie mir aber eine verdammt tuckische Krankheit andichten, Humbert. «Silvermann sah Seykonone nachdenklich an.»Wenn das gelingt — «»Versuchen wir es.«

Dr. Seykonone fand eine Krankheit, die man kaum anzweifeln konnte und die so ernst klang, da? eine Pensionierung Silvermans gerechtfertigt war. Laut Attest litt Silverman an einer beginnenden Nephrosklerose, eine vaskulare Nierenerkrankung unter Beteiligung der kleinen Gefa?e. Das mu?te reichen.

Und es reichte. Silverman wurde nach Washington gebeten, ins Au?enministerium, und dort empfing ihn ein sehr freundlicher Beamter, druckte ihm die Hand und lie? sich nicht ai-merken, wie sehr er den Kranken bedauerte.

«Ihr Gesuch, lieber Silverman, ist von uns eingehend gepruft worden«, sagte er.»Wie fuhlen Sie sich?«

«Schlapp. Und oftmals ist da eine schreckliche Ubelkeit. Von den Nierenstauungen ganz abgesehen. «Silverman hatte Sey-konones Ratschlage gut auswendig gelernt.»Ich habe manchmal das Gefuhl, in der Mitte durchzubrechen.«

«Die beste Krankheit taugt nichts«, versuchte der Beamte den alten dummen Scherz.»Wir haben fur Ihre Lage volles Verstandnis. Waren Sie bereit, in vier Wochen in den Ruhestand zu treten?«

«Es ware fur mich eine gro?e Erleichterung. Ich mochte mich dann nach Monterey zuruckziehen und nur noch Golf spielen.«»Die Bewegung in der frischen Luft wird Ihnen guttun. «Es sollte aufmunternd klingen, aber Silverman horte mit innerer Freude heraus, was man insgeheim dachte: Der arme Kerl. Will Golf spielen und wei? nicht, da? er bald an seiner Nierenverkalkung zugrunde geht.»Wir werden alles vorbereiten, Mr. Silverman.«

Schon drei Wochen spater traf in Silvermans Hotel die Nachricht ein, da? er aus dem diplomatischen Dienst und Geheimdienst ehrenvoll entlassen sei. Eine gro?e, schone Urkunde erhielt er, einen Handedruck eines Staatssekretars, die Bestatigung einer angemessenen Pension… und dann war er kein US-Beamter mehr, kein ehemaliger Major des Geheimdienstes OSS, kein» besonderer Fall «wie bei General Walker, er war frei in allen seinen Handlungen, konnte sich uberall auf der Welt niederlassen, naturlich auch zum Golfspielen in Monterey, sudlich von San Francisco.

Von Washington noch rief er Dr. Seykonone in Peking an.»Humbert, ich werde Ihnen ewig dankbar sein. Seit neun Stunden bin ich nur noch Fred Silverman, der Pensionar.«»Gratuliere, Fred«, rief Seykonone zuruck.»Und was werden Sie jetzt tun?«

«Die Farm meines Vaters verkaufen, alles Geld zusammenkratzen und nach Germany fahren. Doch vorher noch eine Frage, nur zur Beruhigung: Habe ich wirklich keine Nierenverkalkung?«

«Sie haben Nieren wie ein College-Boy, Fred«, lachte Seykonone.»Wenn's bei Ihnen nur an den Nieren hangt, konnen Sie hundert Jahre alt werden. Viel Gluck im kalten Germany.«»Danke, Humbert. Vielleicht kann ich hundert Jahre sogar gebrauchen.«

Silverman legte auf. Das war mein letztes Telefongesprach mit einer amtlichen amerikanischen Stelle, dachte er. Jetzt hei?t es, Geld beschaffen, ein Ticket nach Frankfurt zu kaufen und ein anderer Mensch zu werden. Ein deutscher Jude kommt nach Deutschland zuruck, um ein russisches Bernsteinzimmer zu suchen. Er geht in das Land zuruck, das seine ganze Familie ausgerottet hat. Etwas absurd war das schon… aber notwendig.

Ich bin der einzige, der mehr wei? als alle anderen.

Die Geschafte mit dem Bordell, dem Stundenhotel und der Erotikshow liefen vorzuglich. Larry Brooks und Joe Williams waren zu den heimlichen Herrschern der Frankfurter Szene aufgestiegen und hatten das Puffgewerbe nach amerikanischem Muster vollig unter ihrer Kontrolle.

Als nach der deutschen Wahrungsreform 1948 auch die Deutschen wieder genug Geld hatten, um sich eine Stunde oder auch zwei mit den» Alleinunterhalterinnen «zu gonnen, vor allem aber neue Sexlokale gegrundet wurden, auf deren Buhnen tabufreie Erotikshows stattfanden, an denen sich jeder Besucher im Saal beteiligen konnte, und als die Privatclubs uberall aus dem Boden schossen, in denen Partnertausch und

Gruppensex gepflegt wurden, liefen alle Konzessionen erst einmal uber Larry und Joe. Wer, ohne sie zu fragen, einen Puff aufmachte, bekam Besuch von Larry, und meistens war die Angelegenheit nach zehn Minuten Unterhaltung erledigt. Getreu dem Vorbild der Mafia von New York, Chikago, New Orleans und anderen Stadten wurden Schutzvertrage abgeschlossen und monatlich kassiert. Ein paar Wackere, die sich nicht beugen wollten, kamen spatestens nach sechs Monaten zu Larry und Joe, unterschrieben und zahlten… ein paarmal die Lokaleinrichtung zu erneuern oder einen Messerstich auszuheilen, ist nicht jedermanns Sache.

Und trotzdem, Larry beging eine Dummheit, die das ganze schone Bordellgeschaft ins Schwanken brachte.

Ein Immobilienmakler bot ihm im Jahre 1955 eine Villa im Taunus an, ein wei?es, schlo?ahnliches Gebaude mit eigenem Reitstall, einem See, mit Wild gut bestandenen Waldern und einem verpachteten Bauernhof. Ein Traumbesitz, der — wie Larry sich sagte — gut zu ihm pa?te, nur der Preis von elf Millionen harter DM uberstieg Larrys aktuelles Konto. Aber er wu?te Rat, und in neun Tagen hatte er die Summe zusammengebracht. Der Herrensitz im Taunus konnte gekauft werden.

Es war an einem Abend in der Villa von Joe Williams, da? sich Larry plotzlich nicht mehr sehr wohl fuhlte. Carla, Joes gegenwartige Geliebte, war nicht im Haus, was Larry auffiel, und auch Joe war anders als sonst, offnete statt des Butlers selbst die Tur und lie? Larry stumm eintreten. Erst am Barschrank im gro?en Salon, nachdem Larry einen doppelten Whiskey bekommen hatte, blieb Joe vor ihm stehen, verschrankte die Arme vor der Brust und zog das Kinn an.

«Hast du die Zeitung gelesen?«fragte er.

«Welche?«fragte Larry und bekam einen starken Druck im Magen.

«Die Frankfurter Allgemeine

«Ja.«

«Da steht, da? plotzlich bei einem Kunsthandler drei wertvolle, bisher verschollene Kunstgegenstande aufgetaucht sind, die aber schon, als die Polizei eingriff, an einen unbekannten Sammler nach Amerika verkauft waren. Es handelte sich um eine Ikone der Nowgoroder Schule, eine Monstranz von 1518 und ein Gemalde von Tiepolo. «Joes Stimme blieb ruhig und klang deshalb besonders gefahrlich.»Soviel ich mich erinnern kann, gehorten diese Kunstschatze einmal einem Larry Brooks.«

«Joe, ich mu? dir das erklaren…«

«Das ist auch notig, glaube ich.«

«Ich kann einen Traum von Haus kaufen. Mit See, Reitstall, Waldern… im Taunus, wei?t du. Sogar ein gro?er Bauernhof ist dabei.«

«Preis?«fragte Williams knapp.

«Elf Millionen DM.«

«Du bist verruckt, Larry. Du drehst durch…«

«Mir fehlten nur noch neunhunderttausend Mark! Lumpige Neunhunderttausend! Sonst ware der ganze schone Besitz an einen Araber gefallen. Da habe ich…«

«Da hast du in den Tresor gegriffen und ein paar Stuckchen herausgeholt.«

«Ja, Joe.«

«Und mich zu fragen, daran hast du nicht gedacht.«

«Nein. Hattest du mir die Neunhunderttausend gegeben?«»Auf gar keinen Fall.«

«Siehst du. «Larry trank das zweite Glas Whiskey leer. In Joes Blick lag etwas, das Angst in ihm erzeugte.

«Ich sehe, und ich lese es. Wenn dieser Kunsthandler umfallt und die Schnauze aufmacht…«

«Er fallt nicht um, Joe…«

«Jeder Mensch hat seine Schwachen… sieh nur dich an, Larry! Also der Handler singt… und was ist dann? Eine Spur ist gelegt, und wie die Jagdhunde werden sie diese Spur aufnehmen. Die Kunsthistoriker, die Museumsdirektoren, die Polizei, unser Geheimdienst, das CIC… die ganze Meute gegen uns.«

«Ich habe meinen Namen nicht genannt. Sie werden nie auf uns kommen, Joe.«»Es gibt kein Nie im taglichen Leben, Larry. Wenn sie erst wissen, da? uns damals der >Werwolf< nicht umgebracht hat, werden sie auch wieder nach den zwanzig Kisten fragen! Und alles, alles war umsonst! Elf Jahre Versteckspielen… umsonst. Sie werden uns in die Staaten bringen und dort weichklopfen, bis wir hinausschreien, wo das Bernsteinzimmer ist! Und alles nur, weil Larry Brooks wie ein Graf leben will. Mit einem Gutsherrenschlo?…«

«Es wird nichts geschehen, Joe, glaub es mir. Nichts wird geschehen!«rief Larry fast klaglich.»Alles verlauft im Sand.«»Darauf verlasse ich mich nicht. «Williams stie? sich von dem Barschrank ab und wanderte in dem

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