gro?en Salon hin und her. Larrys Blicke folgten ihm und jeder seiner Bewegungen. Plotzlich blieb Joe ruckartig vor ihm stehen. Larry schrak zusammen.

«Du erinnerst dich an Noah?«fragte Joe.

«Ungern — «Larry verzog sein Gesicht.

«Es bleibt dir nichts anderes ubrig, als es noch mal zu tun.«»Nein, Joe, nein!«Larry trat heftig einen Schritt zuruck.»Ich bin kein Killer, das wei?t du. Ich habe Jahre gebraucht, um Noahs Augen zu vergessen, bevor er umfiel!«

«Es ist unser einziger Schutz, Larry. Du nimmst die deutsche Pistole und korrigierst deine Dummheit. Und das Schlo?chen kaufst du auch nicht!«

«Joe, ich bin kein Idiot! Ich bin auch nicht dein Tanzbar! Ich kann tun, was ich will!«Es war ein mattes Aufbegehren, das Williams mit einem Wink wegscheuchte.

«Du schaffst wieder Ordnung, Larry«, sagte er kalt.»Und ich kummere mich darum, da? das Bernsteinzimmer in die Staaten kommt…«

«Du willst es ruberschaffen, Joe? Wie denn?«

«Von Genua aus mit dem Schiff.«

«Und wie kriegst du die zwanzig Kisten nach Genua?«

«Mit Geld in die richtigen Hande.«

«Einen deutschen Zollbeamten zu bestechen ist Wahnsinn!«»Aber nicht den Kommandanten einer US- Atlas-Trans-portmaschine. Im Hafen von Genua ist das Handaufhalten eine tagliche Ubung.«

«Und druben, Joe?«

«Larry, du bist ein Rindvieh! Naturlich kommen die Kisten nicht nach New York oder Boston oder Baltimore. In Mexiko kommen sie an Land und dann uber die Grenze. Auch hier helfen Dollars. «Joe lehnte sich wieder an den Barschrank.»Zunachst aber bist du an der Reihe, Larry. Dein Kunsthandler mu? schlafen.«

«Ich kann das nicht, Joe!«schrie Larry hysterisch.»Ich habe nicht die Nerven wie du!«

«Leider, Larry. Aber das Schicksal hat uns zusammengefuhrt, wir haben das gro?te Ding aller Zeiten gedreht, wir sind aufeinander angewiesen… es ist eben Schicksal. Rei? dich zusammen, Larry-Boy. Du bist erst funfunddrei?ig… vierzig Jahre hast du sicherlich noch vor dir. Larry, vierzig Jahre!«

An diesem Abend betrank sich Larry Brooks so grundlich, da? er Joes Villa nicht mehr verlassen konnte. Er merkte nicht einmal, da? dieser ihn sogar ins Bett schaffen mu?te.

Zwei Tage spater berichteten die Frankfurter Zeitungen:

Der Kunsthandler M. Sch. wurde in der vergangenen Nacht in seinem Haus im Westend erschossen. Wie die Polizei mitteilt, gibt es keinen Hinweis auf den oder die Tater. Gestohlen wurde nichts, wodurch ein Raubmord ausgeschaltet werden kann. Der Tater benutzte eine ehemalige deutsche Wehrmachtspistole, 08 genannt, wie nach der ersten Obduktion festgestellt wurde.

Eingeweihte Kreise sprechen davon, da? die Ermordung des Kunsthandlers mit den vor kurzem aufgetauchten und von ihm weiterverkauften Kunstwerken, die seit Kriegsende als verschollen galten, in engem Zusammenhang steht. Eine Sonderkommission der Kriminalpolizei hat vor allem in dieser Richtung die Ermittlungen aufgenommen. Die wieder aufgetauchten Kunstwerke sollen — so Experten — aus dem Katharinen-Palast bei Puschkin/Leningrad stammen, der 1941 von deutschen Truppen und Sonderkommandos geplundert worden war. Darunter befand sich auch das beruhmte Bernsteinzimmer, das bis heute verschollen ist.

«Da haben wir's!«sagte Williams, als er die Zeitung gelesen und Larry an den Kopf geworfen hatte. Larry hockte wie ein Haufchen Elend in einem Sessel und schien dem Weinen nahe.»Das Bernsteinzimmer kommt wieder ins Gesprach! Eine Schei?e ist das, Larry, eine gro?e Schei?e! Wir mussen die zwanzig Kisten aus der Hohle holen und nach Genua bringen! Und warum… weil Larry Brooks, der Junge aus den Slums, ein Graf sein wollte! Mit Herrenhaus! Mit eigenem Reitstall! Mit einem eigenen See! Sitz nicht rum und heule!«

«Ich habe einen Menschen umgebracht, Joe. «Larry schlug die Hande vor sein Gesicht.»Zum zweiten Mal einen Menschen… Ich bin total fertig.«

«Bis ubermorgen. Dann hast du's verdaut.«

«Das glaube ich nicht, Joe.«

«Aber ich… Das Bernsteinzimmer wird immer wertvoller. Jetzt hat es schon zwei Menschenleben gekostet.«

Es klang zynisch und eiskalt, und Larry fror wirklich bei diesen Worten vor Entsetzen und Angst.

Im November, an einem truben Tag, der Genua noch ha?licher machte, als es ohnehin schon war, vor allem den Hafen, legte das Motorschiff Lukretia von der Pier ab. Es fuhr unter libanesischer Flagge, wurde von einem griechischen Kapitan befehligt und hatte eine Besatzung aller nationalen Schattierungen. Es transportierte Landmaschinen nach Mexiko, gro?e Kisten, unter denen die zwanzig alten Kisten gar nicht auffielen, die eines Nachts an Bord gebracht worden waren. Eine Nacht, in der der Kapitan um funfzigtausend Dollar reicher geworden war. Und bei funfzigtausend Dollar stellt man keine Fragen mehr — das wu?te Joe, und er konnte daher leicht gro?zugig sein.

Ein paar Tage zuvor war er nach Koln gefahren, um moglichen Nachforschungen vorzubeugen, und hatte vom Bahnpostamt ein Gesprach nach USA, nach Whitesands, angemeldet. Dort meldete sich der alte Butler William, Joe verstellte seine

Stimme und sagte, es sei eine wichtige Angelegenheit, auf die der Hausherr warte. Als er seinen Vater horte, sagte er:

«Hallo, Dad… ich bin's!«

«Wer ist dort?«fragte der alte Williams steif.

«Joe, Daddy.«

«Das kann nicht sein. Mein Sohn ist in den letzten Kriegstagen in Deutschland gefallen, sein Ehrenmal steht in Whitesands…«»Dad, du wei?t doch, da? ich lebe. Zugegeben, ich habe jahrelang nichts von mir horen lassen, ich habe an dich gedacht, als du funfundsiebzig wurdest, aber es war noch nicht die Zeit, aufzutauchen…«

«Was wollen Sie?«fragte der alte Williams ziemlich grob.»Wo stecken Sie?«

«In Germany. Dad… wie geht es Mom?«

«Meine Frau ist vor sieben Monaten gestorben.«

«Mom… ist tot?«Joe schluckte ein paar Mal.»Woran ist sie gestorben?«

«Was interessiert Sie das, Sie sind mir unbekannt! Sie stehlen mir meine Zeit.«

«Dad! Sie war meine Mutter — «

«Ihr Sohn ist vor elf Jahren gefallen, Sie Lugner!«schrie der alte Williams ins Telefon.»Sie hatte keinen Sohn mehr! Und so traurig es ist, ein Kind zu verlieren, sie war froh, da? ihr Sohn wenigstens ehrenvoll gestorben ist. Als Kriegsheld… und nicht als Gangster.«

«Das sagst du mir, Dad? Ausgerechnet du?! Dein ganzes Leben lang hast du nur Gluck gehabt, das ist es! Ohne dieses Gluck warst du langst auf dem elektrischen Stuhl gebraten worden! Verdammt noch mal, ich wollte jetzt nach Hause kommen.«

«Bleib blo?, wo du bist!«Die Stimme des alten Williams war beinhart.»Es konnte einen Unfall auf dem Weg nach Whitesands geben.«

«Dad! Das konntest du tun?«

«Mein Sohn Joe ist im Krieg gefallen — dabei bleibt es!«

Der alte Williams legte auf. Joe starrte eine Zeitlang auf seinen Horer, ehe er einhangte, zum Postschalter ging und das Gesprach bezahlte.

So also ist das, dachte er. Es gibt mich nicht mehr. Auch gut… das Bernsteinzimmer kann uberall stehen, dazu brauche ich Whitesands nicht. Bye bye, Dad — das war unser letztes Gesprach.

Der Abtransport der zwanzig Kisten aus der Hohle im Berg Taufstein war keine Schwierigkeit. Von einer Baufirma in Aisfeld lieh sich Larry Brooks einen kleinen Raupenbagger, fuhr ihn zur Hohle, und schon nach sechs Stunden hatten sie den gesprengten Eingang freigelegt. Joe hatte sich um einen Lastwagen bemuht und am Stadtrand von Alsfeld eine alte Lagerhalle gemietet. Dorthin transportierten sie in viermaligem Hin- und Herfahren das Bernsteinzimmer, gaben Bagger und Lkw wieder ab und lie?en zwei Wochen verstreichen. Den Eingang der Hohle hatten sie mit dem Sprengschutt wieder verschlossen und uberlie?en es dem Forstamt des Vogelsberges, sich daruber zu wundern, nach einer Erklarung zu suchen und keine zu finden.

Etwas schwieriger wurde es mit dem Kommandanten der Atlas-Maschine auf der US-Air-Basis von

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