herrlichen Deckengemalden.»Wir haben einen Fuhrerbefehl bekommen… uber Generalfeldmarschall Ritter von Leeb und Generaloberst von Kuchler ist er auch zu mir gekommen als neuer Herr uber Puschkin. «Er sagte tatsachlich» Herr uber Puschkin«. Wachter zog wie frierend die Schultern hoch.»In zwei, drei Tagen wird das Einsatzkommando >Hamburg< des Sonderkommandos AA hier im Schlo? sein.«

«Rittmeister Dr. Wollters?«

«Sie kennen ihn bereits? Ja, er ist dabei. Gefuhrt wird das Kommando von einem Sonderfuhrer Dr. Runnefeldt, wenn ich den Namen richtig verstanden habe. Dieser Runnefeldt, oder wie er hei?t, soll umfassende Vollmachten vom Fuhrer haben. Das steht auch in der Anweisung vom Fuhrerhauptquartier.

Das Kommando soll, wie Generaloberst von Kuchler mir sagen la?t, das Bernsteinzimmer ausbauen. «Von Haldenberge sah auf den Fu?boden. Das Intarsienparkett aus rosa und schwarzem Palmenholz mit Palisander, vermischt mit leuchtendgelben Bernsteinstucken, entlockte dem General einen bewundernden Ausruf.»Unfa?bar! Ist das ein Parkett! Das waren noch Kunstler, Herr Wachter, und sie hatten Zeit fur ihre Kunst. Da wurde nichts gehudelt. «Er verlie? das Bernsteinzimmer, ohne auch nur einen Blick auf Jana Petrowna zu werfen, und blickte Wachter wieder nachdenklich an. Von Kortte schien ihn gut unterrichtet zu haben, oknn er zog jetzt ein Stuck Papier aus der Uniformtasche, faltete es auseinander, indem er es in der Luft schuttelte, und klemmte ein Monokel in sein linkes Auge.

«Um Ihnen zu zeigen, wie ernst es in den nachsten Tagen wird, lese ich Ihnen das hier vor. Es ist eine Eintragung ins Kriegstagebuch der 18. Armee, zu der mein Korps gehort: >28. September 1941, 16 Uhr. Rittmeister Dr. Wollters, vom OKW mit der Erfassung der Kunstgegenstande in den Zarenschlossern beauftragt, bittet um Schutz fur das Zarenschlo? Puschkin, das durch Bombentreffer leicht zerstort und zur Zeit in vorderster Linie durch unachtsames Verhalten der Truppe gefahrdet ist. Mit der Sicherung wird L. A. K. beauftragt. A. Nachsch. F. stellt Arbeitskrafte und Kfz zur Bergung der bes. wertvollen Kunstschatze unter Leitung von Rittmeister Dr. Wollters zur Verfugung<. «Von Haldenberge lie? das Blatt sinken.»Das ist doch klar, nicht wahr? Noch heute wird das Schlo? von den Truppen geraumt, nur die Stabe bleiben hier, ich werde aus der Nachschubeinheit zwanzig oder mehr Mann zur Verfugung stellen, so viel man braucht, nur Kfz habe ich nicht ubrig, da mu? noch was organisiert werden. «Von Haldenberge steckte das Papier wieder in seine Rocktasche. Er sah Wachters entsetzte Augen, bedauerte ihn, aber helfen konnte er ihm nicht mehr. Das OKW hatte befohlen, und hinter diesem Befehl standen die Wunsche von Bormann und Hitler. Man konnte nur noch gehorchen.

«Und damit die Sache ganz im Sinne des Fuhrers verlauft«, fugte er hinzu,»wird die ganze Aktion vom Sonderbeauftragten Dr. Runnefeldt selbst uberwacht werden. Das ist Bormanns Vorschlag gewesen.«

«Sie… sie wollen also das Bernsteinzimmer stehlen…«sagte Wachter leise. General von Haldenberge hob die Augenbrauen und sah Wachter fast entsetzt an.

«Mann, was reden Sie da?«zischte er.»Das will ich nicht gehort haben! Das Bernsteinzimmer kommt heim ins Reich… es gehorte Friedrich Wilhelm I. Deutsche Bernsteinkunstler haben es geschaffen! So mu? man das sehen. Und so sieht es auch der Fuhrer.«

Wachter nickte und schwieg. Er dachte an das Schicksal der Familie Wachter in den vergangenen 225 Jahren und den niedergeschriebenen Bericht seines Vorfahren Friedrich Theodor Wachter:»Der Konig hat sein Bernsteinzimmer dem Zaren Peter I. geschenkt! Er mu? besoffen gewesen sein. Einziger Trost: Wir werden das Zimmer nach Petersburg begleiten. Das hat uns der Konig versprochen. Wie wird unser Leben fernerhin aussehen?«

Ja, wie wird unser Leben aussehen? Was wird aus uns ohne das Bernsteinzimmer?

«Es tut mir leid, Ihnen das sagen zu mussen. «Von Haldenberge klopfte Wachter auf die Schulter. Es war gut gemeint, aber verringerte in keiner Weise Wachters Schmerz.»Hier hatte Ihnen auch General von Kortte nicht mehr helfen konnen. Au?erdem, wer wei?, was noch auf uns zukommt. Das Bernsteinzimmer ist jedenfalls gerettet. Das mu? doch fur Sie ein gro?er Trost sein.«

Wachter nickte wieder stumm. Er wartete, bis von Haldenberge gegangen war, und kam dann ins Bernsteinzimmer zuruck. Entsetzt starrte ihn Jana Petrowna an, sturzte dann, alle Vorsicht vergessend, auf ihn zu und umarmte ihn.

Er weinte. Vaterchen weinte! Unter Zuckungen liefen Tranen uber sein Gesicht.

«Sie… sie kommen…«sagte sie und umarmte Wachter.

«Ja — «

Da weinte auch sie. Die Stirnen gegeneinander gepre?t, hiel-ten sie sich wie Ertrinkende umklammert und hatten keinen Trost mehr fureinander.

«O nein, nicht schon wieder! Mein Kopf fuhlt sich noch jetzt an wie in einem Schraubstock.«

Dr. Findling hatte von einer Ordonnanz wieder einen Zettel von Gauleiter Koch uberreicht bekommen. Eine Einladung fur den Abend. Morderische Alkoholstunden standen bevor.

«Ich sage ab. Ich bin krank. Meine Herbstgrippe. Du mu?t mich entschuldigen, Martha.«

«Ich? Allein zu Koch? Nicht mit zehn Pferden!«Martha Findling wedelte mit beiden Handen durch die Luft.»Koch ist dein Freund. Das mu?t du allein mit ihm ausmachen, Wilhelm.«

«Er ist nicht mein Freund, wie oft soll ich das noch sagen!«»Aber er tut so.«

«Wenn ich Koch bruskiere, bin ich innerhalb von 24 Stunden entlassen und werde an die Front versetzt. Frontbewahrung nennen sie das! Koch ist pathologisch stolz und nachtragend. Nur Krankheit wird er akzeptieren. Martha — «

«Nein! Nein! Nein! Ich habe genug vom letzten Mal. Da hat er mich an die Brust gefa?t…«

«Davon wei? ich ja gar nichts. Davon hast du mir nie etwas erzahlt! Dieser Hurenbock!«

«Was hattest du getan, wenn ich's dir erzahlt hatte? Nichts! Koch ist immer der Starkere.«

Martha Findlings Charakterisierung war nicht ubertrieben… Koch war der Starkere. Als Dr. Findling mit zerknirschter Miene bei ihm erschien, naturlich war Kochs Intimus Bruno Wellenschlag auch zu Gast, und sich entschuldigte, er habe seine alljahrliche Herbstgrippe, rief Koch frohgelaunt:

«Dann trinken Sie erst mal einen Dreifachen, Doktor! So mach ich's immer. Ich gurgele die Bazillen mit Kognak weg! Und dann, wenn ich Ihnen sage, warum ich Sie gerufen habe, werden Sie wie ein Neger herumtanzen. Zuerst der Dreifache…«Dr. Findling trank mit wahrer Tapferkeit den gro?en Kognakschwenker leer. Koch und Wellenschlag, die keine Herbstgrippe plagte, leisteten ihm Gesellschaft. Und dann scho? Koch mit dem Gesicht eines siegreichen Gladiators seine erste Triumphrakete ab.

«Der Kontakt mit Generaloberst von Kuchler und der 18. Armee ist perfekt. Mit Ku?hand wurde die >Transportstaffel Koch< angenommen und lauft wie am Schnurchen. Sie bringt Munition und Nachschub an die Front, entlastet die armeeeigenen Wagen, die nun schnelle Truppenbewegungen ubernehmen, und stehen auf dem Ruckweg, um nicht leer zu fahren, fur die Gauleitung zur Verfugung.«

«Sehr schon«, sagte Dr. Findling. Sein Kopf brummte, der Magen wehrte sich massiv gegen den Kognak. Gauleiter, dachte er wurgend, wenn ich Ihnen gleich auf den Teppich kotze, sind Sie allein schuld. Was Kochs Mitteilung bedeutete, begriff er noch nicht.

Koch blinzelte seinem Intimus Wellenschlag zu, der sich in einem der tiefen Sessel rakelte.

«Nummer zwei«, rief Koch und rieb sich die Hande.»Ich war in der >Wolfsschanze< und habe mit Bormann gesprochen. Ich habe ihm erzahlt, wo der beste und sicherste Aufbewahrungsort fur das Bernsteinzimmer ist, bis es der Fuhrer nach dem Endsieg in Linz ausstellt. Es gehort dorthin, wo es geschaffen worden ist, und Bormann hat das eingesehen: nach Konigsberg. Hier in das Schlo?! In Ihre Hande, Dr. Findling!«

Findling starrte Gauleiter Koch entgeistert an. Seine Magenschmerzen waren wie weggezaubert, sein Hirn war frei, der Alkohol verfluchtigte sich wie leichtes Gas.

«Mein Gott…«stammelte er.»Zu mir… mein Gott…«

«Was soll Gott dabei?«Koch wedelte mit beiden Handen durch die Luft, als verscheuche er einen Schwarm Wespen.»Der hat uns nicht geholfen. Ich habe es geschafft! Wie erwartet. Ich!«

«Es ist gro?artig, Gauleiter«, sagte Wellenschlag. Er kannte Kochs Eitelkeit nur allzu gut. Sie nicht zu pflegen, kam einer Art von Selbstmord gleich.»Einfach gro?artig! Da werden die anderen von Berlin bis Berchtesgaden aber spucken!«Er applaudierte sogar, der treue Bruno Wellenschlag, als habe Koch gerade eine Wagner-Arie beendet.

«Wann?«fragte Dr. Findling. Er mu?te sich setzen. Diese Nachricht ging ihm in die Knie.»Wann, Herr

Вы читаете Das Bernsteinzimmer
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату
×