«Nein — «

«Wir sollten diese >Volksmeinung< einmal uberprufen. Hei?blutigkeit ist nur feststellbar, wenn man sie herausfordert. Enttausche nicht Masuren, Jana. Wann hast du deinen freien Tag?«»Den bestimmt Oberschwester Wilhelm i.«

«Irrtum! Den bestimme jetzt ich!« Koch stieg nun doch die beiden Stufen hinauf, und als er neben Jana stand, war er ein paar Zentimeter kleiner als sie. Das war er gewohnt — die meisten Frauen, die sein Bett kannten, waren gro?er als er gewesen. Aber welche Bedeutung hatte das? In den Kissen war er der Gro?te.

Er versuchte, Janas Taille zu umschlingen, aber sie wich auf der Treppe zuruck, eine stumme Abwehr, die Koch sonst kaum erlebt hatte. Die meisten Frauen, die er» erobert «hatte, sahen das als eine Ehre an, so wie die Manner ihre Brust wolbten, wenn man ihnen einen Orden verlieh.

«Was ist denn?«fragte Koch etwas verwirrt und mit einem bosen Unterton in der Stimme. Janas Augen flimmerten, er konnte sich erklaren, warum.

«Mich hat noch kein Mann angefa?t, Herr Gauleiter«, sagte sie fast klaglich.

«Das darf doch nicht wahr sein! Hast du bisher nur unter Blinden gelebt?«

«Alle haben auf mich aufgepa?t. Zu Hause der Vater und der alteste Bruder, im Schwesternheim die Leiterin, im Krankenhaus die Oberschwestern.«

«So etwas gibt es wirklich noch?«Koch kam naher, streckte die Arme aus, spreizte die Finger und pre?te sie plotzlich an Janas Bruste. Sie erstarrte, ballte die Fauste und hatte gro?es Verlangen, Koch einen kraftigen Schlag auf die breite Nase zu geben. Das aber — sie erkannte es klar — wurde ihr Ende bedeuten. Verbannung aus Konigsberg, Schwester in einem Arbeitslager der Ostarbeiter, vor allem aber wurde man entdecken, wer sie wirklich war. Und das bedeutete Einweisung in ein KZ, oder sie wurde sofort zum Tode verurteilt werden. Koch hatte die Macht dazu. Kein» unabhangiger «Richter wurde es wagen, einen Wink des Gauleiters Koch zu ubersehen. Auch Richter sind zu ersetzen…

«Du bekommst am Mittwoch deinen freien Tag!«sagte Koch und druckte Janas Bruste. Die Gier in seinen Augen nach dieser Beruhrung war unertraglich.»Und dann feiern wir ein masurisches Liebesfest.«

«Ich… ich wei? es nicht.«

«Aber ich wei? es, und das genugt. Mittwochabend, Jana. Ich lasse dich abholen. Wir werden in ein wunderschones kleines Jagdschlo? fahren… es wird dir gefallen.«

«Wenn die Oberschwester mir freigibt.«

«Daran ist nicht zu zweifeln. Wie hei?t der Drachen?«

«Frieda Wilhelmi. Stadtisches Krankenhaus.«

«Also dann bis Mittwoch, Jana.«

«Ja, Herr Gauleiter.«

Koch tatschelte ihr uber die Wange, und als sie die Treppe hinunterging, blickte er ihr noch lange nach, gefangen vom Anblick ihrer schwingenden Hufte, der wilde Phantasien in ihm wachrief. Ist das ein Weib, dachte er. Verdammt, das ist ein Weib!

In blendender Laune betrat er den Saal Nummer 37, gerade als Dr. Wollters wutend ausrief:

«Es mu? sofort eine Verbindung nach Puschkin geschaffen werden! Wenn der Einsatzstab des Sonderkommandos Rosenberg mittlerweile dort war, konnen wir die fehlenden Dinge abschreiben.«

«Was ist mit Rosenberg?«fragte Koch. Seine scharfe Stimme lie? die Wissenschaftler herumfahren wie ertappte Diebe. Kochs gute Laune war wie weggewischt — der Name Rosenberg genugte, ihm grundlich den Tag zu verderben.

«Herr Gauleiter… es fehlen einige Dinge vom Bernsteinzimmer. «Dr. Findling zeigte auf die am Boden zusammengesetzte Bernsteinwandtafel.»Der obere Fries, die Ornamente zum Anschlu? an die Deckenmalerei und zwei der drei Zimmerturen. Sie wurden offensichtlich vergessen, einzuladen.«

«Eine Sauerei!«schrie Koch und stampfte mit dem rechten Fu? auf. Er hatte das bei Hitler gesehen und festgestellt, da? solch ein Stampfen gro?en Eindruck hinterlie?.»Vergessen! Wie kann man das vergessen?! Wer ist dafur verantwortlich?«Dr. Wollters schluckte, sah Wachter an, aber der schwieg und berichtete nichts von seinem zehnfachen Hinauswurf. Tapfer blickte der Rittmeister dann Koch in die wutenden Augen.

«Ich nehme die Verantwortung auf mich, Herr Gauleiter. Herr Dr. Runnefeldt hat den Ausbau des Bernsteinzimmers geleitet, ich die Verpackung und die Verladung. Das mit den Friesen ist mir ein Ratsel… die beiden Turen haben wir glatt vergessen.«»Und jetzt war Rosenberg im Katharinen-Palast, sagen Sie?«»Ja. Leiter der Aktion ist Major Heinrich Muller-Gie?en. Zweimal waren wir schneller als er… aber was wir zuruckgelassen haben, durfte jetzt weg sein. Verschwunden. Hoffnung habe ich nur fur die Turen. Herr Gauleiter, machen Sie es moglich, bitte, eine schnelle Verbindung nach Puschkin in den Palast zu schaffen. Wenigstens die Turen konnen wir noch retten…«»Und wenn sie nicht mehr da sind, wei? ich, wer sie hat! Auch den Deckenfries…«

«Das wird nicht nachzuweisen sein«, sagte Wollters vorsichtig.»Im Schlo? ist genug zuruckgeblieben, was sich fur Rosenberg lohnt. Der Chinesische Saal, die Raume von Katharina der Gro?en, viele Gemalde… und wenn das Einsatzkommando Rosenberg erst einmal verpackt, fragt keiner danach, ob darunter auch die von uns vergessenen Kisten sind! Den Ausbau der Turen aber wird man sehen. Die 18. Armee mu? davon unterrichtet werden. Auch General Jobs von Haldenberge, Befehlshaber des 50. Armeekorps. Er wohnt mit seinem Stab im Schlo?.«

«Versuchen wir es. «Koch blickte auf die Wandtafel am Boden.»Welch ein Kinstwerk!«sagte er leise. Die Herren um ihn herum waren sprachlos: Koch zeigte Gefuhle, konnte von einem Kunstwerk ergriffen sein. Wie pa?te das zusammen? Runnefeldt zog eine Parallele: Hunderttausende Juden lie? Hitler umbringen, aber seinen Schaferhund Blondie liebte er abgottisch und hatte geweint, wenn ihm etwas zugesto?en ware. Wir werden den Menschen nie begreifen und ergrunden lernen.

«Vor soviel Schonheit stockt einem der Atem…«fugte Koch mit leiser Stimme hinzu.»Deutsche Bernsteinmeister… vor uber 230 Jahren… und so etwas Einmaliges soll in Ru?land bleiben? Der Fuhrer wird mir ewig dankbar sein, da? ich diesen Schatz nach Konigsberg gerettet habe.«

Runnefeldt und auch Wachter vermieden es klug, Koch daran zu erinnern, da? es der Zarin Elisabeths Hofarchitekt war, der Graf Bartolomeo Francesco Rastrelli, der das Bernsteinzimmer nach dem Tode Peters des Gro?en mit neuen, nach eigenen Entwurfen hergestellten Bernsteinschnitzereien weiter vervollkommnet hatte, wozu auch der Wandfries gehorte… eine Sinfonie der Schonheit, eine blendende Pracht, die das Bernsteinzimmer, wirklich unnachahmbar machte. Dieser Bernsteinhymnus war das Werk des Italieners Rastrelli, nicht ostpreu?ischer Handwerksmeister. Aber wer wagte es schon, Gauleiter Koch zu berichtigen?

«Wenn nicht Bormann das Zimmer nach dem Krieg ins neue Museum von Linz bringen la?t. Fuhrervorbehalt!«Dr. Runnefeldt ri? damit Koch aus seinen Gedanken.»Und welche Kunstwerke unter Fuhrervorbehalt fallen, das wird spater allein Bormann bestimmen. Das wissen Sie, Gauleiter.«

«Um dieses Zimmer werde ich kampfen! Es bleibt hier im Konigsberger Schlo?!«Kochs Stimme klang entschlossen.»Kampfen, meine Herren!«

«Auch gegen Bormann?«

«Auch gegen ihn! Bormann ist nicht unverwundbar. Auch Siegfried hatte eine kleine Stelle zwischen den Schultern, wo Hagen ihn vernichten konnte. «Koch zeigte mit der geballten Faust auf die vor ihm liegende Wandtafel.»Fur dieses Kunstwerk konnte ich zum Hagen werden!«

Die Herren nickten stumm, aber ohne Bewunderung. Sie alle wu?ten, da? Koch Angst hatte vor Bormann, da? sie sich ha?ten und da? nach dem Krieg ein Machtkampf ohne Beispiel beginnen wurde, nicht einmal vergleichbar mit den morderischen Intrigen der Renaissancefursten, der Papste und Kardinale.

«Ich werde versuchen, nach Puschkin oder zur 18. Armee durchzukommen. Ich kenne Generaloberst von Kuchler gut.«»Das ware ein gro?er Erfolg, Gauleiter. «Rittmeister Wollters glanzte uber das ganze Gesicht.»Ich mu? ohnehin nachste Woche nach Riga zuruck und konnte nach Puschkin fahren und den Ausbau der Turen uberwachen.«

«Das ist ein guter Vorschlag. «Koch war milder gestimmt und» ah Wollters an.»Sie haben ja einiges gutzumachen, nicht wahr?«

«Jawohl, Gauleiter.«

«Also los! Rufen wir von Kuchler oder von Haldenberge im Katharinen-Palast an.«

Koch gru?te knapp mit dem Hitlergru?, drehte sich forsch auf den Absatzen um und verlie? den Saal Nummer 37. Die Herren, mit Ausnahme von Wachter, hoben ebenfalls den rechten Arm und lie?en ihn oben, bis

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