zuchtigen, sonst wird er faul und dumm! Sie haben meinen Mohren Hannibal gesehen? Ich liebe ihn. Als Elfjahriger kam er zu mir, mein Gesandter Tolstoj hatte ihn in Konstantinopel gekauft und mir geschenkt. Ich habe ihn tau-fen und erziehen lassen, er hat auch das Drechslerhandwerk erlernt, schlaft in meiner Werkstatt, begleitet mich uberall hin… und wochentlich einmal verprugele ich ihn mit meiner Dubina. Nein, nichts hat er angestellt… ich verprugele ihn aus Liebe. Eine Auszeichnung ist es fur ihn. «Er griff wieder zu seinem Bernsteindoschen, nahm eine Fingerspitze voll Pulver und betrachtete darauf die geschnitzten Steine.»Der Sonnenstein«, sagte er nachdenklich.»Das Gold der Ostsee…«

«Das Gold Preu?ens, Zar Peter. «Das klang stolz und endgultig. Eine Diskussion uber dieses Thema ware sinnlos gewesen.

«Ihr Vater zeigte mir bei meinem letzten Besuch hier im Schlo? ein Zimmer ganz aus Bernstein.«

«In der dritten Etage, ein Eckzimmer. Unser Bernsteinkabinett. «Friedrich Wilhelm nickte.»Dafur, fur solchen Firlefanz, hatte er Geld ubrig. Elf Jahre haben die Bernsteinmeister daran gearbeitet. Elf Jahre Geld fur einen Prunk, ohne den man leben kann. 1712 hat es mein Vater hier im Stadtschlo? einbauen lassen.«

«Und in diesem Jahr habe ich es gesehen. Auf dem Weg zu meinen Truppen in Pommern war ich…«

«Ich erinnere mich gut. Ein gro?es Fest gab es. Die Matresse meines Vaters, die grunaugige und rothaarige Grafin Colbe von Wartenberg, ich habe sie nur die >gro?e Hur< genannt, gefiel auch Ihnen. Ihr Dekollete war so tief, da? man die Brustmonde sehen konnte. Stimmt's? Diese Wartenberg. War ein Burgermadchen, eine Mamsell Kathi Rickers, ehe mein Vater sie mit dem Trottel Wartenberg verheiratete. Wissen Sie, was sie getan hat? Zu mir ist sie gekommen, hat mit Brusten und Hintern gewackelt und mir den Antrag gemacht, mit ihr zu Bette zu gehen. Und dabei war ich erst vierzehn Jahre alt.«

Der Zar lachte laut, hieb mit seiner Dubina auf den Tisch und bog sich in den Huften.»Vierzehn Jahre und fluchtet vor einem hei?en Weib! Mein lieber Friedrich Wilhelm, mit vierzehn hatte ch es schon aufgegeben, meine Geliebten zu zahlen! Hofdamen, Putzmadchen, Bauernmagde, Ministerfrauen, Furstinnen und Melkerinnen… vor mir gab es kein Entkommen. Au?erdem wollten sie es alle. Sie haben viel verpa?t, lieber Vetter.«

«Ich bin glucklich mit meinem Fiekchen«, sagte der Konig verhalten und wechselte das Thema.»Das Bernsteinzimmer hat Ihnen gefallen?«

«Es ist ein einmaliges Kunstwerk! Ein ganzes Zimmer aus den Tranen der Sonne, wie die Slawen sagen. Gibt es etwas Schoneres? Ich habe noch nichts gesehen, was mit diesem Zimmer konkurrieren konnte.«

«Wollen Sie es noch einmal besichtigen, Peter?«

«Es ist noch hier?«

«Es wird nie betreten. Ich mag es auch nie betreten… ich argere mich bei seinem Anblick immer uber die Verschwendungssucht meines Vaters. «Der Konig klemmte seinen Stock unter die Achsel, wuchtete wieder zur Tur, ri? sie auf und winkte den wartenden Lakaien.»Herkommen!«brullte er, und als sie zu ihm liefen, ri? er den Buchenstock unter der Achsel hervor und schlug auf sie ein. >Wo bleibt der Tokajer?!«schrie er mit gewaltiger Stimme.»Komme Er her, Er Hundsfott! Naher! Soll ich ihm nachlaufen mit dem Stock?! Ja, heb Er nur die Arme, ich treffe Ihn doch!«

Der Zwerg Lewon rollte sich wie eine Kugel zur Seite und starrte hinauf zu seinem Zaren und seiner Dubina. Prugelte er jetzt auch? Zwei stockschwingende Herrscher… eine neue Zeit war angebrochen.

«Sehen wir uns das Bernsteinzimmer an, Peter«, sagte Friedrich Wilhelm mit zufriedener Stimme. Noch einen Hieb versetzte er einem aufheulenden Lakaien quer uber den Rucken.»Ich habe uns den Weg freigemacht. Klettern wir in die dritte Etage.«

Das Gebrull und die Prugelei des Konigs hatten die Flure und Treppen leergefegt. Allein stiegen sie hinauf zu dem Eckzimmer, Friedrich Wilhelm stie? die Tur auf, und dann stand der Zar in diesem Zimmer, das unvergleichlich war.

Die Sonne schien durch die beiden Fenster in der Ecke, das eine ging hinaus zum Lustgarten, das andere zur Schlo?freiheit. Wie geblendet von dem in allen Gelbtonen schimmernden Bernstein, von diesem Leuchten, das wirklich einer eingefangenen Sonne glich, von dem Flimmern der gebrochenen Strahlen, die von den Mosaiken und Figuren, den Rosetten und Akanthusranken, den plastischen Kopfen und den acht Masken der Sterbenden zuruckgeworfen wurden, blieb Peter I. ergriffen stehen und tastete mit seinen Blicken Wandtafel nach Wandtafel ab. So einfach der Zar selbst lebte, so kunstbesessen war er, wenn es darum ging, sein geliebtes Petersburg zur schonsten Stadt der westlichen Welt auszubauen. Schon

1714, nachdem er das Bernsteinzimmer zwei Jahre zuvor zum erstenmal bewundert hatte, grundete er die Kunstkammer von Petersburg mit dem Erla?, planma?ig Kunstwerke und Raritaten zu sammeln und sie in der Kunstkammer abzuliefern. Die unerme?lichen Schatze der Eremitage wurden herangetragen.»Welch ein Wunder«, sagte Peter leise, als stehe er in einer Kirche.»Friedrich Wilhelm, ich beneide Sie um diesen Schatz. Es ist auch mein einziger Neid…«

«Es gefallt Ihnen, Peter?«

«Ware ich allein, wurde ich niederknien und die Wande kussen.«

«Wir haben noch vieles zu besprechen. «Friedrich Wilhelm, wie Peter kein Mann, der diplomatische Schnorkel flocht, sondern der mit Direktheit auf sein Ziel losging, legte die Hande auf den Rucken. Er beobachtete still, wie der Zar jetzt von Wandtafel zu Wandtafel ging, im ganzen waren es zwolf und aneinandergereiht auf einer Lange von 14 Metern, sich vorbeugte und die Bernsteinschnitzereien betrachtete, mit den Fingerkuppen geradezu zartlich uber die Mosaike und Borduren strich und dabei immer wieder bewundernd den Kopf schuttelte.»Peter, ich brauche Vorpommern. Es gehort zu Preu?en und nicht zu Schweden. Wie denken Sie uber ein Bundnis Ru?land-Preu?en?«

«Mein Wunsch seit vier Jahren. «Peter richtete sich auf und drehte sich zu dem Konig herum.»Ihr Vater lie? mich 1712 abblitzen, als ich ihn fur ein Bundnis gewinnen wollte. >Ich will nicht schie?en, ich will tanzen<, hat er mir ins Gesicht gelacht.«»Und fuhrte Preu?en an den Rand der Pleite. Peter, ich bin dabei, eine andere Zeit aufzubauen. Ein starkes, unbesiegbares Heer, Zucht und Ordnung, Arbeitswillen und Vaterlandsliebe, Gehorsam bis in den Tod… der Mensch mu? erzogen werden, sonst bleibt er ein blokendes Schaf! Die Zukunft verlangt Starke.«

«Ein Bundnis zwischen Preu?en und Ru?land wird unsere Freundschaft vertiefen. «Der Zar zeichnete mit seiner Dubina eine grobe Karte in den Staub, der die Dielen bedeckte. Nur einmal in der Woche wurde der Boden gereinigt und nicht jeden Tag zweimal wie die anderen Raume. Wer betrat denn schon das Bernsteinzimmer oben im dritten Stock? »Das ist Westru?land, Oslpreu?en, Polen, Pommern, Brandenburg, Preu?en. «Peter tippte auf eine Stelle der Karte im Staub und nickte mehrmals.»Das ist Vorpommern, Friedrich Wilhelm. Ich habe kein Interesse daran… naturlich mu? es zu Preu?en gehoren. Wir mussen nur die Schweden besiegen und wegjagen. Wir beide schaffen es.«

«Ich danke Ihnen, Peter. «Einen Augenblick dachte der Konig an Sophie Dorothea, der er genau das Gegenteil erzahlt hatte. Aber dann wischte er die Gedanken weg. Weiber und Politik! Kinder sollen sie kriegen und ihre Manner erfreuen, das ist ihre Aufgabe. Uber das Schicksal der Volker sollen Manner entscheiden. Manner wie Peter und ich. Zwei richtige Kerle!» Nehmen Sie das Bernsteinzimmer mit.«

«Ein schlechter Scherz, Friedrich Wilhelm!«

«Kein Scherz. Ich schenke es Ihnen.«

«Das kann ich nicht annehmen. «Der Zar zeigte sich verwirrt, ein seltener Anblick, den nur wenige kannten. Immer war er der Erste, der Beste, der Klugste und der Tapferste, der Alleskonner und Unwiderstehlichste.»Nein, das kann ich nicht. Ein Kunstwerk, das nicht seinesgleichen hat — «

«Vorpommern ist mir wertvoller und wichtiger. «Der Konig schlug mit seinem Buchenstock gegen die Knopfe seiner Gamaschen.»Ich lasse es ausbauen und bis an die Grenze bei Memel bringen. Dort konnen es Ihre Leute ubernehmen.«

«Ich kann es noch nicht fassen, mein Freund. «Peter sturzte auf Friedrich Wilhelm zu, wollte ihn an sich rei?en und kussen, aber der Konig, der an die Barenkrafte des Zaren dachte und keine Lust verspurte, sich vor lauter Zuneigung ein paar Rippenbruche einzuhandeln, lie? seinen Buchenstock fallen und buckte sich. Dadurch entkam er elegant der schmerzhaften Umarmung und richtete sich erst wieder auf, als Peters erste Anwandlung von zartlicher Dankbarkeit verflogen war.

«Gehen wir zu Tisch!«sagte der Konig. Dabei lie? er seinen Stock wippen.»Der Tokajer ist noch immer nicht bei uns angelangt. Ich werde diese Hundsfotte lehren, wie Wiesel zu rennen!«

«Was gibt es bei Tisch?«fragte der Zar.

«Wei? ich es? Das ist Sache der Konigin. Mein Fiekchen hat einen guten Geschmack.«

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