Offiziere an, die schrien die Feldwebel an, und die Feldwebel brullten wie gestochene Stiere auf die Grenadiere ein und prugelten sie.

Nun stand das l. Bataillon auf dem riesigen Exerzierplatz im Lustgarten und wartete auf Zar und Konig. So wichtig war diese Demonstration preu?ischer Militarerziehung, da? der Reformator des preu?ischen Heeres, noch 1713 von Konig Friedrich I. zum Feldmarschall ernannt und damit auf die hochste Stufe der preu?ischen Gesellschaft gehoben, einen Tag vor Eintreffen des Zaren in Berlin die Gardebataillone zu einer Sondervorfuhrung antreten lie? und selbst inspizierte.

«Es geht nicht allein um Reputation!«sagte dabei der Alte Dessauer zu Oberst Rammstein.»Wir mussen den Eindruck hinterlassen, da? wir unschlagbar sind. Und das sind wir — wir mussen nur wollen. Seine Pflicht tun kann jeder… seine Pflicht lieben, darauf kommt es an.«

Oberst von Rammstein antwortete:»So ist es, Herr Feldmarschall!«und nahm sich vor, diesen neuen Ausspruch des Dessauers seinen Offizieren als neuen Leitspruch weiterzugeben.

So vieles war durch Leopold von Anhalt-Dessau neu in die Armee eingefuhrt worden. Der beruhmt- beruchtigte preu?ische Drill war sein Werk.»Alles Militarische mu? eins sein«, hatte er zur Grundlage erklart.»Von der Sprache der Kommandos bis zur Fortbewegung in Gleichschritt und Paradeschritt und dem Kaliber seines Gewehres. Das Exerzieren ist eine Gleichheit aller Glieder der Soldaten wie Teile einer Maschine und mu? geubt werden, immer und unaufhorlich, bis der Soldat ein Ganzes alles Militarischen ist.«

Der Grundstein fur eine Armee reiner Befehlsempfanger und wegexerzierter Personlichkeiten war damit gelegt worden. Ein Soldat hat nicht zu denken, sondern nur zu gehorchen. Er hat Futter fur den Moloch Krieg zu sein.

Schon 1698 machte der Dessauer eine weitsichtige Erfindung. Um die Gewehre von vorn, man nannte sie Vorderlader, mit Pulver und Bleikugeln zu laden, benutzte man holzerne Ladestocke, die oft im Kampf bei hastigem Stopfen der Laufe zerbrachen. Dann fiel die Feuerkraft dieses Soldaten aus. Den Dessauer durchzuckte bei solchem Anblick eine ebenso einfache wie geniale Idee, wie so viele geniale Ideen einfach waren: Er erfand den eisernen Ladestock. Der zerbrach nie, lie? ein schnelleres Laden zu und erhohte die Feuergeschwindigkeit.

«Gut schie?en, rasch laden, Unerschrockenheit und mutiger Angriff, das bestimme das Leben der Soldaten«, lie? der Dessauer die Armee wissen, und das wurde tagaus, tagein geubt, und in die Soldaten hineingebrullt und hineingeprugelt.

Der Alte Dessauer lie? noch einmal alles durchexerzieren, was dem Zaren vorgefuhrt werden sollte, dann nickte er dem Oberst von Rammstein gnadig zu.

«Das wird Eindruck machen«, sagte er.»Ich bin zufrieden. Der Konig wird es auch sein.«

Einen Mann lie? er sich personlich vorfuhren, den Feldwebel Hans Hoppel. In Ostpreu?en geboren, war er ein breiter, schnauzbartiger Kerl, gefurchtet von allen Rekruten, die ihm in die Hande fielen, ein Mensch mit einem Maul und einer Lunge, die zusammen ein noch nie gehortes Gebrull fabrizierten, ein Vorgesetzter zudem, der in allem voranging, nie ermudete und alle Schlaffen anschrie:»Was ich kann, kann Er auch, Er Hundsfott! Er mu? nur wollen!«

Das Gesetz des Alten Dessauers.

«Er macht morgen mit zwolf ausgesuchten Grenadieren eine besondere Vorfuhrung?«fragte der Dessauer, als Hans Hoppel steif wie ein Eichenstamm vor ihm stand,»Er will einen Nahkampf zeigen?«

«So ist es befohlen!«antwortete Hoppel zackig.»Angriff und Vernichtung des Gegners mit allen Waffen.«

«Sei Er vorsichtig, Feldwebel!«Der Dessauer hob warnend die Hand.»Zeige Er dem Zaren nicht zuviel von unserer Taktik. Er wird sie kopieren. Nur ein paar Dinge zeige Er: Sturmen, Hauen, Stechen. Das genugt. Unbesiegbar ist auch der, dessen Waffen man nicht kennt. Mach Er's gut, Feldwebel…«Es war eine Auszeichnung ohne Beispiel. Das Ansehen des Hans Hoppel wuchs, und auch die Furcht vor ihm.

Das Erscheinen des Generals Johann von Schweinitz, einer der Armee-Inspekteure, kundete das Nahen des Konigs und des Zaren an. Durch die Reihen des 1. Bataillons ging eine kurze nervose Bewegungswelle… dann aber standen die Langen Kerls, keiner unter 1,90 Meter gro? und mit ihren hohen, turmahnlichen Helmen noch gewaltiger wirkend, wie leblose, aus Ton geformte Figuren, Riesenleiber und Riesenkopfe, erschreckend fur einen normalen Menschen, wenn er ihnen in seiner Kleinheit gegenuberstand.

Und dann kam der Konig uber den Exerzierplatz, an seiner Seite — die aus den Augenwinkeln schielenden Grenadiere glaubten es kaum — ein Riese wie sie, zwei Meter hoch, mit dem wiegenden Gang eines Seemannes, der selbst an Land das Meer unter sich spurt, ein Kaiser ohne Perucke und seidenem Gewand, mit derben Hosen und Schuhen, aber mit Augen, die scharf und durchbohrend bis ins Herz blicken konnten.

Vor der Front des 1. Bataillons blieb Peter stehen und sah auf Friedrich Wilhelm hinab. Hinter ihnen, zwei Schritte zuruck, hielt die Begleitung an: der Alte Dessauer, Generalleutnant von Grumbkow, General von Schweinitz, General von Ren-ckendorff, Freiherr von Pollnitz, Furst Netjajew, General Odo-jewskij und der Zwerg Lewon Uskow. Vor solcher Ansammlung von Riesen mu?te sich dieser wie ein Kaferlein vorkommen.

«Ich gratuliere«, sagte der Zar.»Noch nie habe ich eine solche Truppe gesehen. Uberall spricht man von ihr, in allen Landern, aber sie mit eigenen Augen zu sehen, wischt alle Erzahlungen fort. Wie gro? ist der Kleinste?«

«Einen Meter neunzig, Majestat«, sagte von hinten General von Schweinitz.

«Ein gutes Ma?!«Der Zar sah an sich hinunter.»Ich konnte auch bei Ihnen dienen, Friedrich Wilhelm.«

«Sie wurden bei mir sofort Feldwebel!«Der Konig lachte und zeigte mit seinem Stock auf die bewegungslose Uniformenreihe.»Schreiten wir die Front ab, lieber Freund.«

Die Majestaten gingen weiter, an die Spitze der Truppen, und Oberst von Rammstein selbst befahl mit heller, durchdringender Stimme das» Habt acht! Prasentiert das Gewehr!«

Durch die Riesenreihe flog ein Ruck, die Gewehre sausten in die Luft, fielen kerzengerade in die linke Hand und vor die Brust, ein lautes schmatzendes Klatschen erfullte die Luft, nur ein einziger Laut, kein Nachklappern, in einer Hohe waren die

Hande, die Gewehrkolben, die Laufe, die Helmspitzen und die Kappen der Lederschuhe. Ein Lineal konnte nicht gerader sein. Hinter dem Konig nickte zufrieden der Dessauer. Da staunt er, der Zar! Das ist preu?ische Grundlichkeit.

Oberst von Rammstein meldete die Truppen, stie? vor dem Zaren seinen langen Offiziersspie? in den Boden und schnarrte seine Begru?ung. Vor ihren Kompanien standen, ebenfalls mit in den Boden gerammten Spie?en, die Offiziere und rissen mit der linken Hand ihre Spitzhute von den wei?en Perucken. Stolz schritt Friedrich Wilhelm die Front ab, seinen Gast neben sich vollig vergessend. Das war der Gipfel seines irdischen Glucks. An seinen Langen Kerls entlangzugehen, jedem in das Gesicht zu sehen und jeden spuren zu lassen: Ich bin euer Vater. Ich liebe euch alle, ihr Halunken und Hundsfotte! Am Ende der Besichtigung schien es, als wache der Konig wieder auf. Mit leuchtenden Augen sah er zu dem Zaren hoch. Sein Stock stie? auf den Boden.

«So wie sie aussehen, kampfen sie auch!«sagte er voller Stolz.»Sie werden Ihnen vorfuhren, da? es gegen sie keine Wehr gibt. Und so wie meine Garde, ist mein ganzes Heer erzogen..«

Wahrend unten im Lustgarten das Kriegspielen begann, standen oben am Eckfenster im dritten Stock zwei Manner im Bernsteinzimmer und beobachteten das Exerzieren. Der eine von ihnen trug einen einfachen, langen, blauen Rock, der andere die Uniform des Hofverwalters.

«Es ist wirklich wahr, was Ihr gehort habt?«fragte der Zivile und sah hinunter zu dem Zaren, der auf einem breiten Sessel Platz genommen hatte und den zwolf Grenadieren unter dem Befehl von Feldwebel Hoppel genau auf ihre Bewegungen guckte, als sie mit Angriff und Eroberung von feindlichen Stellungen anfingen.

«Aus erster Hand, Wachter. Die Konigin selbst sagte es zur Generalin von Knobelsdorff: >Stellen Sie sich vor, der Konig hat das Bernsteinzimmer dem Zaren zum Geschenk gegebene Nur einen Meter stand ich hinter ihnen, habe es ganz deutlich gehort.«

«Der Konig kann doch das Bernsteinzimmer nicht verschenken. «In Wachters Stimme war ein deutliches Zittern.»Warum kann er nicht… es gehort ihm.«

«Verschenken nach Ru?land… fur Preu?en auf ewig verloren. Das darf er nicht!«

«Ein Konig kann und darf alles… wer will ihn daran hindern?«Der Hofbeamte, der Karl Urban hie?, fa?te Wachter an den linken Arm.»Ich hielt es fur notwendig, Euch sofort zu unterrichten… damit Euch der Schreck nicht in die Glieder fahrt, wenn Ihr's vom Konig selbst erfahrt.«

«Ihr seid ein wahrer Freund, Urban. «Wachter starrte wieder auf den Zaren, der jetzt in die Hande klatschte, als Hoppels Grenadiere demonstrierten, wie man dem Gegner mit dem Sabel den Kopf spaltet.»Ich

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