auf der faulen Haut gelegen. Provozier Er mich nicht, ihn zu zuchtigen. «Wachter verbeugte sich tief, wischte sich dabei die Tranen aus den Augen und verlie? das Arbeitskabinett. Zufrieden kehrte Friedrich Wilhelm zu seinem Tisch zuruck, hockte sich auf den einfachen, rohen Holzschemel und griff nach einer Pfeife.

Der Ausbau des Bernsteinzimmers, das Abnehmen der schweren geschnitzten Vertafelung, der Ornamente, Figuren, Kopfe und Mosaiken von den Wanden, brauchte mehr Zeit, als der Konig angenommen hatte. Nur Spezialisten durften das Zimmer zerlegen, und die fand man nicht in Berlin. Aus Danzig und Konigsberg forderte Wachter Fachleute an, bekam dreimal Krach mit dem Konig, der herumschrie, alles sei zu teuer, die Reisen, die Verpflegung, die Gehalter, hatte er das vorher gewu?t, hatte er das verdammte Sonnenzimmer von den

Wanden gesprengt, mit einigen guten Ladungen Pulver. Und als Wachter es wagte, zu sagen:»So ist es mit teuren Geschenken, Majestat«, bekam er den Buchenstock zu spuren, aber es tat ihm nicht weh… seine Freude, dem Konig das gesagt zu haben, uberdeckte den Schmerz.

Dreimal stieg der Konig auch hinauf in die dritte Etage, stellte sich in die Tur und sah mit kritischen Augen zu, wie die Fachleute aus Konigsberg vorsichtig das Bernsteinzimmer auseinandernahmen. Es gab Wandbilder aus geschnitztem Bernstein, fur deren unversehrte Ablosung man einen halben Tag brauchte. Millimeter um Millimeter mu?te man sie vom Untergrund abheben, denn man hatte schlechtes Holz genommen, es war hinter dem Kunstwerk von Schimmel befallen, zerbroselte und gab keinen Halt mehr. Alles, was man von den Wanden loste, wurde auf massive, gut mit Ol getrankte Holztafeln neu verlegt, haltbar fur Jahrhunderte, wie Wachter sagte, wenn man das Zimmer pflegte.

«Dafur sind die Wachters da!«sagte Friedrich Wilhelm.»Der Teufel hole den Wachter, der seine Pflicht vergi?t! Und wenn's in funfhundert Jahren ist! Wann ist Er fertig, Halunke?!«

«Ich wei? nicht, Majestat. In diesem Jahre nicht mehr.«

«Ist sein Weib wenigstens schwanger?«

«Adele wei? es nicht… die Zeit ist noch zu kurz.«

«Aber beschlafen hat Er sie?!«

«Wie Majestat befohlen haben.«

«Dann mach er weiter so… mit dem Bernsteinzimmer und dem Kindermachen. Wachter, Er soll mir Erfolge zeigen, keine Vertrostungen…«

Drei Tage vor Weihnachten wu?te es Adele Wachter. Die Hebamme hatte sie untersucht und bestatigt, da? sie schwanger sei. Friedrich Theodor Wachter meldete es sofort dem Konig.»Jetzt hoffe Er, da? es ein kleiner Kerl wird«, sagte der Konig wohlwollend.»Wird's ein Madchen, mu? Er weitermachen, Wachter. So lange, bis er zwei Jungen in Reserve hat! La? er blo? nicht nach mit seinen Bemuhungen — «

«Es ist mir keine Muhe.«

«Das will ich meinen!«Friedrich Wilhelm lachte donnernd.

«Ein richtiger Kerl hat Ausdauer wie ein Wolf im Winter. «Weniger vergnuglich war Adele Wachter. Nicht, da? es hr nicht gefiel, noch mehrmals Mutter werden zu mussen, in Berlin hatte sie den Auftrag des Konigs flei?ig erfullt… aber in Petersburg? Bei den Russen? Bei diesen Wilden, wie alle sie nannten? Die rohe Zwiebeln fra?en und bei Tische furzten, auf gemauerten Ofen schliefen, wenn der Winter kam, und oben auf der Ofenplattform, im Beisein der Kinder, neue Kinder zeugten. Aljoscha, ruck zur Wand, Mutterchen mu? die Beine breiter machen… O Gott, da soll man nun fur immer leben?! Mu? das sein?

Und Wachter hatte von seinem Generationenschwur erzahlt und zum Schlu? mit fester Stimme gesagt:

«Ja, es mu? sein, Deichen. Alle auf dieser Erde sind Menschen, ob sie wei? sind oder ein Mohr, Schlitzaugen haben oder platte Nasen… und wenn auch wir Menschen bleiben, wird man uns uberall lieben und wie Bruder und Schwester aufnehmen. Petersburg… die schonste Stadt nach Paris. Sie wird unsere Heimat werden, die Heimat aller unserer Nachkommen, solange das Bernsteinzimmer dort besteht. La? uns uberzeugt sein, da? wir gluckliche Menschen sind. Du wirst auch die Russen lieben lernen, und die nachsten sieben Jahre liegst du sowieso nur im Wochenbett…«

Zu Weihnachten lie? der Konig den Wachters noch einmal gro?zugig 200 Taler zuweisen, ein unfa?barer Reichtum fur einen einfachen Mann, der nur Kohlsuppe kannte, geschmortes Gemuse, am Sonntag ein Fleckchen Fleisch und ab und zu, wie jetzt zum heiligen Feste, ein mageres Ganschen oder einen alteren zahen Hahn. 200 Taler fur Petersburg, fur Kleidung und Schuhe, fur die Ausstattung an Kuche und Bett. Gott im Himmel, wie hast du uns gesegnet.

Der Ausbau des Bernsteinzimmers war nun besser zu ubersehen und abzuschatzen. Wachter verpflichtete sich, bis spatestens 20. Januar 1717 die wertvollen Stucke zur Verpackung bereitliegen zu haben. Riesige Kisten wurden in der Hof Schreinerei bereits zusammengefugt, Sagespane und sogar kostbare Gansedaunen wurden gelagert, um den unersetzlichen Schatz unbeschadigt in Petersburg ankommen zu lassen.

«Bisher ist es gutgegangen«, sagte der Konig zu Wachter.»Saubere Arbeit hat Er abgeliefert. Nun kummere Er sich um den Transport auch. Ich sag Ihm: Wenn man mir meldet, da? in Petersburg Trummer angekommen sind, nehme ich die nachste Kutsche, verfolge Ihn in Ru?land und prugele Ihn in die Erde.«

«Fur den Transport bin ich nicht verantwortlich, Majestat.«

«Er ist es, Wachter! Braucht Er eine Order? Er bekommt sie von mir. Jeder soll auf Sein Wort horen. Den Garnisonen, durch die der Transport geht, wird befohlen werden, Ihm jegliche Hilfe zu gewahren. Ist Er jetzt zufrieden, Er Halunke?!«»Sehr zufrieden, Majestat.«

«Ich werde dem Zaren schreiben — in Holland ist er jetzt, da? Er mit dem Zimmer Ende Januar in Memel eintrifft und es dann offiziell von Preu?en an Ru?land ubergeben wird. Ist es so richtig?«

«Ja, Majestat. «Wachter, der seit Wochen uber Wegekarten brutete, um die beste Strecke nach Memel herauszufinden, uberdachte die Wahl jedes Wortes.»Ich brauche ein Schiff.«»Ist Er toll? Wozu ein Schiff?«

«Der beste und sicherste Weg nach Memel ist der Wasserweg. Immer der Kuste entlang, ohne Muhe und Sorgen wegen vereister Stra?en, unpassierbarer Walder, gesperrter Brucken, zerbrechenden Radern, Schaden durch Sturm und Schnee, Erfrierungen und anderem Leid. Von Memel an werden die Russen den Weg bestimmen.«

Friedrich Wilhelm sah Wachter bose an.

«Ein Schiff will Er von mir haben? Wachter, Er macht Seinen Konig arm! Preu?ens Stra?en sind bekannt fur ihre Gute. Der Zar selbst hat sie gelobt. Aber fur Ihn sind sie nicht gut genug, was?!«

«Es geht nur um die Sicherheit des Bernsteinzimmers, Majestat. Ich burge mit meinem Kopf, und ihn mochte ich nicht verlieren.«

«Ich verstehe Ihn, Wachter. La? Er mich uberlegen, was wir tun werden.«

Am 17. Januar 1717 schrieb Zar Peter I. einen Brief an seine Gemahlin Katharina. Aus Amsterdam.

«Kathinka, mein Geliebtes. Neben vielem Neuen, von dem noch zu berichten ist, habe ich eine gro?e Freude in Berlin erfahren. Der Konig von Preu?en hat mir als Geschenk ein Bernsteinzimmer gemacht, ein Kabinett, wie es seinesgleichen auf der ganzen Welt nicht gibt. Ich will es in Petersburg aufstellen lassen, in unserem Winterhaus an der Newa. Gefallen wird es dir, es ist von einmaligerSchonheit…«

Und nach Petersburg gab er die Order:

«Ende des Januars hat eine Sondermission unter Leitung des Oberhofmarschalls sich nach Memel zu begeben. Er nimmt dort einen Wagenzug des Konigs von Preu?en entgegen, den ein Friedrich Theodor Wachter aus Berlin befehligt, und bringt die Ladung unversehrt, mit gro?ter Sorgfalt fahrend, in meine Stadt. Gelagert wird im Winterhaus, bis ich zuruckkomme aus Amsterdam. Es soll bewacht werden Tag und Nacht…«

Es wurde ein Wettlauf gegen die Zeit. Fast war der Abbau des Bernsteinzimmers vollendet, waren die Schnitzereien und Mosaike auf neuen, kraftigen Holztafeln verklebt und verklammert, standen die Kisten in der Tischlerei bereit, war ein Schiff von Stettin bis Memel gefunden und ein gro?er Laderaum belegt, da brach der Winter uber das Land herein, mit Schneesturmen und Vereisungen, so da? Wachter zu seinem Konig sagte:

«Majestat, ich wage nicht, bei diesem Wetter die Fuhrwerke nach Stettin auf den Weg zu bringen. «Friedrich Wilhelm nahm es zur Kenntnis.

«Da sieht Er, wie erbarmlich Menschenwerk gegen die Natur ist. Warte Er also auf eine gute Zeit«, sagte er einsichtig.»Was macht Sein Bein?«

Wachter hob die Schultern. Bei einem Besuch der Hoftischlerei war er auf dem vereisten Boden ausgeglitten und so unglucklich gefallen, da? sein linkes Bein zu Bruch ging. Der Militararzt der Garde, vor dem sogar die Langen Kerls zitterten, hatte ihn behandelt, das Bein zwischen zwei Bretter gepre?t und dann bandagiert. Auf einer Krucke humpelte er herum, oft mit schmerzverzerrtem Gesicht, und der Medicus hatte ihm bereits angekundigt,

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