bei Gottingen, das Bergwerk Grasleben oder Merkers in Thuringen. Auch die Salzstollen in der Ostmark waren scher… rund um den Dachstein gibt es Riesenhohlen, deren Eingang man nach der Einlagerung der Kunstschatze sprengen konnte. Niemand wurde erfahren, wo das Bernsteinzimmer hingekommen ist… nur ein paar Eingeweihte. Sie, Dr. Findling, Sie, Wachter, ich und naturlich der Fuhrer und Reichsleiter Bormann. Und noch ein paar andere, die mit dem Transport zu tun haben. Was halten Sie davon?«»Sie glauben, da? der Russe Konigsberg erobern wird, Gauleiter?«fragte Dr. Findling.

«Stellen Sie nicht so damliche Fragen, Mann!«Koch starrte Findling wutend an.»Was ich denke, ist unwichtig. Wichtig ist allein die Rettung der unersetzlichen Kulturguter. Auch die Rettung vor einer moglichen Gefahr… moglichen Gefahr, sage ich, horen Sie genau zu! Ich bin gewillt, das Bernsteinzimmer, die Ikonensammlung, die russischen Gemalde, die Bibliothek des Zaren Peter und das ganze Silber, alles, was aus Puschkin zu uns gebracht wurde, aus Konigsberg wegzuschaffen! Ins sichere Reich! Wie lange brauchen Sie bis zur Transportbereitschaft?«

«Ein paar Tage nur, Gauleiter. «Dr. Findling rausperte sich.»Soll das ohne eine Benachrichtigung des Fuhrers geschehen?«

«Naturlich nicht. Naturlich werde ich den Fuhrer fragen. Auch den genauen Einstellort werden wir dann festlegen. Wichtig ist, da? Sie — «, er sah dabei Dr. Findling und Wachter scharf an,»- sofort mit der Arbeit beginnen.«

Doch das, was zuerst kam, war die Rote Armee.

Am 12. Januar, vor Sonnenaufgang, rollte die gro?te Offensive an, die jemals in einem Krieg losgeschlagen wurde. Entgegen aller Erwartungen offneten sich die Schleusen an Mensch und Material nicht an der ostpreu?ischen Front, sondern weiter sudlich, am Weichsel-Brukckenkopf von Baranow. Die 1. Ukrainische Front unter Marschall Konjew, bestehend aus sieben Armeen, darunter drei Garde-Armeen, setzte nach einer heftigen Artillerievorbereitung und Hunderten von Stalinorgeln zum Sturm auf die deutschen, schwach besetzten Stellungen an. Sechzig Infanterie-Divisionen und acht Panzerkorps walzten sich nach Westen und uberrollten wie eine Lawine die Verteidigungslinien der deutschen 4. Panzerarmee. hr Kommandeur, General der Panzer Graeser, hatte es kommen sehen. Seine Meldung an das Fuhrerhauptquartier war knapp: Den sowjetischen Armeen gelang der Durchbruch.

Gleichzeitig begann rund um Ostpreu?en, plotzlich wie ein Donnerschlag, ein mehrstundiges, unvorstellbares Artilleriefeuer. Sowjetische Sto?trupps in Bataillonsstarke rannten gegen die deutschen Linien an, aber es war noch nicht der alles vernichtende Orkan. Es war ein Vortasten, eine Warnung, eine militarische Visitenkarte: Hier sind wir.

Das Oberkommando der Wehrmacht gibt bekannt: 13. 1. 1945 An der Weichselfront hat die lange erwartete Winteroffensive der Bolschewisten begonnen. Nach au?ergewohnlich starker Artillerievorbereitung trat der Feind zunachst an der Westfront des Bruckenkopfes von Baranow mit zahlreichen Schutzendivisionen und Panzerverbanden an. Erbitterte Kampfe sind entbrannt. Nebenangriffe sudlich der Weichsel und im Nordteil des Baranow-Bruckenkopfes wurden zerschlagen. Im ostpreu?ischen Grenzgebiet lag beiderseits der Rominter Heide schweres feindliches Artilleriefeuer auf unseren Stellungen. Zahlreiche bataillonsstarke Angriffe der Sowjets wurden abgewiesen…

Welch karge Worte fur Tod und Untergang!

Kaum hatte man im Fuhrerhauptquartier den Schock uberwunden, als das eintraf, was General Gehlen rechtzeitig gemeldet hatte und Hitler mit einer Handbewegung als den gro?ten Bluff seit Dschingis-Khan weggewischt hatte: Am Morgen des 13. Januar erhebt sich der russische Riese. Aus dem Raum Pillkallen heraus wird Ostpreu?en uberrannt. Die 3. Wei?russische Front unter Marschall Tschernjakowskij bricht mit sechs Armeen, zwei Garde-Panzerkorps und einem Gewitter von Artilleriebeschu? uber die deutschen Stellungen herein. Ihr Ziel ist offensichtlich: die Zerschlagung der deutschen 3. Panzerarmee und damit die Eroberung des Kuri-schen Haffs. Damit ware Konigsberg nach Norden abgeschnitten worden.

Am gleichen Tag, Samstag, den 13. Januar, bricht der Damm an den beiden Bruckenkopfen am Narew: Die 2. Wei?russische Front unter Marschall Rokossowskij ergie?t sich uber das Land. Sechs Armeen, zwei Panzerkorps, ein Pionierkorps und das beruhmte 3. Garde-Kavalleriekorps zermalmen die Stellungen der deutschen 2. Armee unter Generaloberst Walter Wei?. Das gro?e Ziel Rokossowskijs ist Elbing. Gelingt der Durchbruch, ist Ostpreu?en ein einziger gro?er Kessel.

Und dann der nachste Schlag: Am Sonntag, den 14. Januar, trifft Ru?lands genialster Heerfuhrer, Marschall Schukow, mit seiner 1. Wei?russischen Front, bestehend aus funf vollstandig aufgefullten Armeen, darunter die polnische 1. Armee, auf die deutsche 9. Armee. Hier, an den Weichsel-Bruckenkopfen Magnuszew und Pulawy, beginnt die Hauptoffensive der Roten Armee: Durchbruch nach Westen und Nordwesten, Zerschlagung der Heeresgruppe A, Zuruckeroberung von Polen und das Betreten deutschen Bodens.

Welch ein Ziel: russische Armeen auf dem Marsch nach Berlin.

Die Front der deutschen 9. Armee wird uberrannt, die sowjetischen Divisionen stromen nach Westen.

Der» gro?te Bluff seit Dschingis-Khan «la?t Hitlers Rukken noch runder werden, das Zittern seiner Hande verstarkt sich, sein Gesicht wird fahl und teigig. Generaloberst Guderian empfindet keinen Triumph… er hat nur noch Mitleid mit dem» gro?ten Fuhrer aller Zeiten«.

Deutschland steht auf dem Spiel.

6,2 Millionen russische Soldaten holen zum Gegenschlag aus. In Konigsberg wurde fieberhaft gepackt.

Die gro?e, dieses Mal amtlich organisierte Evakuierung der Bevolkerung rollte an. Die Stunde der Kriegsmarine war gekommen. Der Kommandeur des Marineoberkommandos Ost, Generaladmiral Kummetz, ubernahm die gesamten Fluchtlingstransporte, an Gauleiter Koch vorbei, der bisher jeden Treck nach Westen einen Verrat am Fuhrer genannt hatte. Alles, was man an Handelsschiffen, Dampfern, seetuchtigen Fahrzeugen, Booten und Kahnen besorgen kann, wird nach Konigsberg befohlen. Sogar die bisher als Wohnschiffe benutzten Passagierdampfer und Kriegsschiffe aller Gro?en laufen aus den Hafen Pillau, Danzig, Gdingen und Kolberg aus, um den Fluchtlingsstrom der Hunderttausenden aufzunehmen und zu retten. 24 Flottillen und 350 kleinere Kriegsschiffe unter dem Befehl von Konteradmiral Butow bilden den Geleitschutz fur die Personenschiffe und Handelsschiffe, die restlos uberfullt sind. Wer keinen Platz mehr auf den Schiffen bekommt, zieht auf den Stra?en weiter… endlose Schlangen von Menschen und Fahrzeugen, hinein in einen Winter, in einen Frost, der sie zermurbt, bei dem sie unter freiem Himmel kampieren mussen, ohne ausreichende Verpflegung, gejagt vom Artilleriebeschu? der Sowjets, niedergemaht von den Angriffen der Tiefflieger, in die Stra?engraben und Felder abgedrangt, wenn Panzer, Lastwagen, Geschutze und Transporter mit Infanterie nach Konigsberg hineinjagten oder von Konigsberg an die immer enger werdende Einschnurung der Front geworfen wurden.

Gauleiter Koch hatte nur noch einmal Zeit, sich um» sein «Bernsteinzimmer zu kummern. Die Raumung Oslpreu?ens, der Verlust seines Reichskommissariats Ukraine, das zugige Vordringen der Roten Armee, der Verluste an Menschen und Panzern nichts auszumachen schien und die aus der Tiefe des Landes immer neue Reserven an die Fronten warf, vor allem aber die Vorbereitungen fur seine eigene Flucht nahmen ihn voll in Anspruch.

«Wohin, Gauleiter?«fragte Dr. Findling.»Wohin konnen wir noch? Wenn der Russe weiter vordringt, gibt es keinen Weg mehr nach Westen!«

«Das Fuhrerhauptquartier ist umgezogen! Es wird jetzt in Berlin eingerichtet. Ich kann weder den Fuhrer noch Bormann erreichen. Findling, wenn ich sehe, da? es keine andere Moglichkeit mehr gibt, bringen wir die Kunstschatze ohne den Befehl des Fuhrers weg! Zunachst nach Thuringen.«

Am selben Tag anderte Koch seinen Plan. Nicht nach Thuringen, teilte er Dr. Findling telefonisch mit, sondern nach Sachsen, nach Wechselburg bei Rochlitz und nach Burg Kriebstein. Gauleiter Mutschmann hatte dort Platz geschaffen. Dreihundert Quadratmeter gut durchluftete und bombensichere Keller standen dort zur Verfugung.

«Wie kommen Sie voran?«fragte Koch.

«Gut, Gauleiter. Heute Abend sind wir fertig. Wir haben 25 Kisten, gro?e Kisten, neu hergestellt. Zehn Mann haben unter Leitung des Tischlers Mann und des Schlossers Wei? daran gearbeitet. Eine sehr gute Arbeit. Stabilere Kisten sind nicht denkbar. Die Wandtafeln, Kopfe, Girlanden, Gesimse und Sockel sind erschutterungssicher in Steppdecken, Kopfkissen und Federbetten verpackt. Sie stehen jetzt auf dem Hof des Schlosses. In der Nacht werden wir die Gemalde einlosten, die Ikonen und die Silberbibliothek des Zaren Peter. Wir sind morgen zum Abtransport bereit. Wenn blo? kein neuer Luftangriff kommt — «

«Die Transportstaffel steht auch bereit. «Findling horte, wie Koch erregt keuchte.»Aber ich bekomme den

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