Schopfung der Welt sechs Tage.«

Die Ankunft von Patton, Bradley und Eisenhower in Merkers war ein kleines militarisches Fest. Die deutschen Armeen befanden sich in Auflosung und kampften nur noch im Norden, um Berlin und im Ruhrkessel. In Torgau hatten sich amerikanische und sowjetische Generale die Hand gereicht, die Zj-sammenschnurung Deutschlands war vollendet, die Kapitulation aller deutschen Wehrmachtsverbande war nur eine Frage von Tagen, noch uber 300000 Fluchtlinge aus dem Osten mu?ten in Sicherheit gebracht werden, und Goebbels rief in einer seiner letzten Reden in das verwustete Land hinein:»…aber wenn wir abtreten, dann soll der Erdkreis erzittern…!«

Das war deutlich genug. Eisenhower kam nicht als Feldherr nach Merkers, sondern als Sieger.

Aber es gab keine Parade, kein Abschreiten einer Ehrenformation. Patton, Bradley und Eisenhower begaben sich sofort in das Verwaltungsgebaude des Salzbergwerkes.

Fred Silverman und Bob Mulligan erwarteten ihn im Zimmer der Direktion. Eberhard Moschik, der Grubendirektor, und einige andere Herren erhoben sich von ihren Stuhlen, als die Generale ins Zimmer traten. Der deutschen Grubenleitung war ab sofort das Betreten des Betriebsgelandes verboten worden. Unter Bewachung, als handele es sich um Kriegsverbrecher, hatte man sie zum Verwaltungsgebaude gefuhrt, das von amerikanischer Militarpolizei, kurz MP genannt, hermetisch abgeriegelt worden war. Den Befehl dazu hatte Silverman kraft einer Vollmacht aus Washington gegeben. Merkers war eine Angelegenheit des Geheimdienstes OSS geworden. Die erste Handlung, die Silverman vorgenommen hatte, war die Beschlagnahme der Lagerlisten des Bergwerkes, in denen, mit preu?ischer Grundlichkeit, jeder Gegenstand aufgefuhrt war, der tief unten in den Salzsolen versteckt sein mu?te.

Beim Durchlesen dieser Listen hatte sich Silverman hinsetzen mussen. Ihm, dem Kunsthistoriker, war schwindlig geworden.»Mein Gott«, hatte er zu Mulligan gesagt,»das darf nicht wahr sein! Das ist der Fund des Jahrhunderts… dagegen ist das Grabmal des Tutenchamun eine Mullgrube!«

Nach einer kurzen Begru?ung stellte sich Silverman vor. Auch Mulligan machte sich bekannt. Fur General Patton waren sie keine Unbekannten, schon bei drei fruheren Naziverstecken waren die OSS-Manner tatig geworden und hatten Millionenschatze aus deutschen Museen entdeckt. Ihre Listen fur den Geheimdienst waren sensationell.

«Ich schlage vor, General, wir fahren sofort in die Grube ein«, sagte Silverman ohne lange Vorreden.»Das, was wir hier vorfinden, kann man nicht erklaren, das mu? man sehen und dann die Lagerlisten lesen. Ich habe ja bereits gemeldet, da? es so etwas noch nicht gegeben hat.«

«Da bin ich wirklich gespannt. «Eisenhower, mit Mutze und in einem leichten Mantel, sah sich um. Die Generale Patton und Bradley trugen ihre Helme mit den vier gro?en Sternen auf der Stirnseite. Sie nickten ihrem obersten Chef zu.

«Mister Platow wird uns fuhren. «Silverman zeigte auf einen mittelgro?en, stammigen Mann, der in der Gruppe der Grubenleitung stand. Da alle Deutschen vorlaufig verhaftet worden waren und ihr ferneres Schicksal nicht kannten, war auch er abwartend, vorsichtig und bedruckt.

«Vortreten!«befahl Silverman auf deutsch.

Grubeninspektor Johannes Platow trat zwei Schritte vor. E-senhower musterte ihn kurz und wandte sich dann ab.»Gehort er zu den Kriegsverbrechern?«fragte er.

«No, Sir. «Silverman versuchte ein knappes Lacheln.»Dann hatte ich ihn nicht mit Mister angeredet…«

Zwanzig Minuten spater waren die Generale, Silverman, Mulligan, vier andere Offiziere und drei MPs in den Schacht eingefahren. Auf der Sohle in 450 Meter Tiefe verlie?en sie den Forderkorb und betraten nach einem kurzen, hervorragend ausgebauten Tunnelgang die Lagerstatte. Johannes Platow ging voraus und winkte mit seiner Grubenlampe. Die drei Militarpolizisten und zwei Lieutenants, denen man auch eine Grubenlampe in die Hande gedruckt hatte, folgten ihm und verteilten sich. Sie hoben die Grubenlampen hoch und verstummten wie in Ehrfurcht.

«Okay!«sagte Silverman.»Bitte, Sir — «

Die Generale traten ein. Vor ihnen lag eine riesige Halle, die an ein machtiges Domgewolbe erinnerte. Kristallen schimmerte es von den Wanden, der Boden war eben, zum Teil mit Brettern belegt, zum Teil nackter, geglatteter Fels.

Uber zwei Drittel der Halle waren vollgestellt mit Kisten, Kartons, Sacken, stahlernen Behaltern und hier unten angefertigten Verschlagen.

Ein paar Kisten und Sacke waren von Silverman und seinen Helfern aufgebrochen und aufgeschnurt worden, und der n halt lag nun, wie in einer Schaufensterauslage, vor ihnen. Altrussisches Silbergeschirr, agyptische Plastiken, Gemalde und breite, geschnitzte Goldrahmen, goldene russische Kirchenleuchter, Banknoten, Goldmunzen, Goldbarren, edelsteinbesetzte Inka-Masken. Ein Berg von Schmuck mit funkelnden Diamanten, eine Sammlung antiken Glases, ein aufgerollter flamischer Gobelin… im Schein der Grubenlampen war es, als wolle sich das Marchen vorn Sesam-offne-dich wiederholen und ihnen allen Reichtum der Welt zu Fu?en legen.

Fassungslos stand Eisenhower vor diesen Schatzen. Hinter ihm starrten Patton und Bradley stumm vor Staunen in die

Halle hinein.

«Jesus — «sagte Eisenhower leise, ging einen Schritt weiter und stellte sich auf die Schienen der schmalen Transportbahn, die bis zum Ende der Halle verlegt waren. Vor ihm lagen Tausende von Sacken, jeder korrekt mit einem Schild an der Schnurstelle, auf dem der Inhalt angegeben war. Auf der linken Seite lagerten die Kisten, schnurgerade aufgestellt.»Jesus… das ist unglaublich. Captain, das sind alles Kunstschatze?«

«Alles, Sir. «Silverman hatte die Listen in der Hand und las daraus vor. Mulligan hielt die Grubenlampe uber ihn.»Ich gebe nur ein paar Beispiele. In dieser 450-Meter-Sohle lagern — «er zeigte auf die Sackreihen —»nach der sichergestellten Liste, die wir noch uberprufen mussen, folgende Werte, die fast das gesamte deutsche Reichsvermogen ausmachen: Deutsches Papiergeld im Wert von 187 Millionen Dollar, 110 000 britische Pfund, 4 Millionen norwegische Kronen, 89 000 franzosische Francs und — «er sah kurz zu Eisenhower hin, — »238 Millionen Dollar in purem Gold! Auf der anderen Seite sehen Sie uber 3000 Kisten mit dem Inhalt unschatzbarer Kunstwerke aus 15 Berliner Museen, aus Weimar, Reinhardsbrunn, Konigsberg und vielen anderen Museen. In einigen Nebenraumen lagern noch Kisten mit russischen Ikonen, unersetzlichen Monstranzen, drei Pharaonenstatuen, handgeschriebenen Klosterbibliotheken und einer ganzen Bibliothek mit in Silberplatten gebundenen Buchern, edelsteinverziert. «Silverman machte eine spannungssteigernde Sprechpause, ehe er fortfuhr.»Wir alle kennen Rembrandts beruhmtes Gemalde >Der Mann mit dem Goldhelm<. Jeder kennt die >Vier Apostel< von Albrecht Durer. Und es gibt keinen, der sie nicht von Millionen Nachbildungen her kennt: die Buste der Nofretete. Hier, Sir — «Silverman machte eine weite Handbewegung —»hier lagern sie!«»Jesus!«sagte Eisenhower noch einmal, und diesmal war Erschutterung in seiner Stimme.»Dieser Tag wird in die Historie eingehen! Captain, ich mochte mir das naher ansehen. «Johannes Platow und Silverman fuhrten Eisenhower, Patton und Bradley durch die Riesenhalle und einige Nebenraume.

Sie sahen Gemalde, die man nur aus Kunstbuchern kannte, sie legten Bild nach Bild nur einer Kiste um und wu?ten, da? allein diese eine Kiste Millionen Dollar wert war, sie kauerten sich vor die gro?en Koffer mit den Monstranzen und hoben die Ikonen der beruhmten Nowgoroder Schule in den Schein der Grubenlampen. Und sie sprachen kaum ein Wort, und wenn sie etwas sagten, redeten sie mit gedampfter Stimme, als seien sie in einer Kirche. Auch Kunst kann stumm machen.

Bei einem Stapel von zwanzig gefirni?ten Kisten mit dicken Eisenschlossern, denen man an den abgesto?enen Ecken ansah, da? sie schon oft herumtransportiert worden waren, blieb Silverman stehen. Jetzt wurde sogar seine forsche Stimme etwas stiller, ja fast feierlich.

«Auf den Kisten steht >Wasserbaubehorde Konigsbergs «sagte er.»Und sie haben alle einen roten Punkt. Wir waren erstaunt, da auch in der Liste genau diese Bezeichnung steht. Wieso lagert man Behordenakten ein? Eine Tarnung fur geheime Reichssachen? Akten der SS oder des Au?enministeriums? Unterlagen aus Hitlers Parteikanzlei? Alle Kunstwerte sind detailliert aufgefuhrt, und nun zwanzig Kisten einer Behorde? Das machte mich besonders neugierig, und ich habe eine Kiste aufbrechen lassen. Nur eine, Sir… die anderen wage ich nicht anzuruhren. Geschutzt durch Kissen, Federbetten und Decken kam das hier zum Vorschein. «Er nahm mit Hilfe von Mulligan und zwei MPs einen der schweren Deckel von der Kiste und winkte. Die Grubenlampen wurden hingehalten. Golden, in allen Farben, vom hellsten Gelb bis zum Schwarzbraun, schimmerte eine Wandtafel aus Bernstein: Mosaike und Schnitzereien, Girlanden und Rosetten, und umgeben von einem besonders prachtig geschnitzten Rahmen aus Bernstein ein geschliffener venezianischer Spiegel.»Das Bernsteinzimmer von Zar Peter dem Gro?en aus dem KatharinenPalast von Zarskoje Selo, jetzt Puschkin, in der

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