Vollendung des Hofarchitekten der Zarin Elisabeth, dem Italiener Rastrel-li. «Silverman hielt den Atem an, ehe er fortfuhr:»Sir… Sie stehen vor einem der gro?ten Wunderwerke der Kunst. Lenin nannte es ein nationales Heiligtum… ein Heiligtum des russischen Volkes.«

«Wieviel Dollar?«fragte Patton nuchtern, wahrend Eisenhower voll Ehrfurcht schwieg.

«Unschatzbar, Sir. Dafur gibt es keine Wertangabe mehr. Wer konnte sagen, was die Sixtinische Madonna kostet?«

«Und so was fallt in unsere Hand«, sagte Eisenhower leise. Mulligan und die beiden MPs stellten den Kistendeckel wieder vor die Wandtafel.»Das darf keinen Tag langer mehr hier lagern. Das mu? sofort, ich sage sofort, in Sicherheit gebracht werden. Captain, alle diese Schatze hier sind auf schnellstem Wege nach Frankfurt zu bringen, in das Gebaude der Deutschen Reichsbank. Die Tresore dieser Bank sind erhalten geblieben. Die Gemalde, Figuren und die anderen Kunstgegenstande kommen in den Central Collecting Point Wiesbaden (Zentrale Kunstsammelstelle der US-Streitkrafte in Wiesbaden) und bleiben dort, bis uber die Kunstbeute entschieden wird. Patton — «

«Sir?«General Patton hob den Kopf.

«Sie sorgen fur die notige Sicherheit der Transporte. Scharfste Bewachung. Es konnte zu Sabotageakten oder Uberfallen kommen. Ich vermute, da? wir genau beobachtet werden.«

«Es wird nichts passieren, Sir. «Patton lachelte breit.»Es wird sein, als verlagere man den amerikanischen Goldschatz aus Fort Knox.«

Nach dem Abflug der Generale kamen Joe Williams und Larry Brooks wieder zusammen. In der Kantine des Transportbataillons sa?en sie sich bei Kaffee und Schokoladenkuchen gegenuber, rauchten eine Lucky Strike, und Joe kam auf das alte Thema zuruck, da? auch der kleine Soldat der Sieger sei und seinen Anteil haben mu?te. Sogar Vergleiche zog er, der kluge Junge:

«Denk an Alexander den Gro?en, Larry-Boy«, sagte er.»Als der Persien eroberte, uberlie? er die Stadte seinen Soldaten, und die konnten sich nehmen, was sie wollten. Auch die Frauen… Junge, das waren noch Zeiten!«Er beugte sich uber den Tisch vor und senkte seine Stimme zu einem Flustern.»Ich habe gehort, da? wir in den nachsten Tagen den ganzen

Reichtum wegbringen sollen. Vierhundert Tonnen Kunst… da fallen ein paar Pfund weniger nicht auf. La? das mal Joe machen.«

Nach Eisenhowers Besuch wurde das Bergwerk zur Besichtigung fur die amerikanischen Offiziere und die niedrigen Dienstgrade freigegeben. Mit der Sorglosigkeit und Unkompliziertheit der Amerikaner stoberten die Besucher zwischen den Kisten und Kartons, Koffern und Verschalungen herum, rissen Bretter heraus, schlitzten Kartons auf, wuhlten zwischen den Ikonen und Gemalden, den Silbergeschirren und Steinskulpturen, den Exponaten der ostasiatischen Sammlungen und agyptischen Ausgrabungen. Nie ist daruber gesprochen worden und nie hat man gegen irgendwelche Personen ermittelt, aber als am 14. April auf Befehl von General Patton die erste schwere Truck-Kolonne mit den Kunstschatzen des Bergwerks Kaiseroda II/III von Merkers beladen wurde, waren eine Menge Kisten aufgebrochen und unersetzliche Kunstwerke einfach verschwunden. Es war nicht anders als bei dem anderen ungeheueren Kunstfund im Bergwerk Grasleben, das am 12. April von den Amerikanern erobert und spater am 1. Juni 1945 an die Englander ubergeben wurde. In einem Top-Secret-Bericht der Englander hie? es:»In allen aufgesuchten Lagerstatten sind verschiedene Kisten von den Investigators des CIC zu Anfang der Besetzung aufgebrochen und mit halb herausgezerrtem Inhalt zuruckgelassen worden. In Grasleben waren von den 6800 Kisten mehr als die Halfte offen, als sie spater herausgeholt wurden…«

Am 14. April fuhr der erste Truck-Konvoi aus Merkers weg in Richtung Frankfurt. Patton hatte sein Versprechen gehalten: Der Transport war gesichert wie noch nie ein Konvoi vorher. Die 29 riesigen Lastwagen waren bewacht von funf Zugen Infanterie, zehn mobilen Flakgeschutzen und zwei MG-Trupps. Uber der Kolonne kreisten drei Beobachtungsflugzeuge, und zwei Mustang-Bomber uberflogen immer wieder die Trucks, um einzugreifen, wenn der» Werwolf«, die von den Amerikanern so gefurchtete deutsche Partisanenbewegung, den Transport uberfallen sollte.

Die letzten drei Wagen wurden von Larry, Joe und einem farbigen GI gefahren, der, wie viele Schwarze, den biblischen Vornamen Noah trug. Es war eine langweilige Fahrt durch das zerstorte deutsche Land, durch Felder und Walder und Dorfer, durch Stadte, in deren Fenstern noch die wei?en Fahnen hingen und wo lange Menschenschlangen an den Lebensmittelausgaben standen. Um Schokolade bettelnde Kinder rannten neben den Lastwagen her, und abends, bei der Rast an Stadtrandern vor allem, strichen deutsche Madchen um die Kolonne herum, um sich fur Butter, Zucker, Mehl, gebratene Hahnchen oder eine Stange Zigaretten anzubieten. Zwar hie? Eisenhowers Befehl: No fraternization — aber wer konnte den deutschen» Frauleins «widerstehen? Mary, June und Anny waren weit weg, tausend Meilen ubern gro?en Teich…

Larry und Joe waren mit sich zufrieden. Unter den Sitzen ihrer Trucks und den stahlernen Ersatzteilkisten an den Seiten lagen bei Larry sieben Ikonen, vier alte, aus purem Silber getriebene, einzigartige russische Leuchter und ein aus dem Rahmen geschnittenes, zusammengerolltes Gemalde, das mit van Dyck signiert war. Joe transportierte in seinem Wagen zwei altrussische dreiflugelige Altar-Ikonen, zwei assyrische Steinmasken, ein Gemalde von Caravaggio, ein Gemalde von Tizian, einen kleinen Koffer voll altagyptischem Goldschmuck und die von Alexander von Humboldt dem Berliner Museum fur Volkerkunde geschenkte, in der gesamten Kunstwelt beruhmte Serpentinscheibe mit dem Sonnengott der Inkas. Noah, der den dritten Wagen am Ende fuhr, hatte nichts in den Kasten oder unter dem Sitz. Ihn interessierte nicht, was er da durch die Gegend fuhr… fur ihn war wichtig, da? ein deutsches» Fraulein«, ein wonderful wei?es Madchen, nur eine Stange Chesterfield oder ein halbes Pfund Butter zusatzlich einem halben Hahnchen kostete.

Dann, sie hatten ihr Nachtquartier am Stadtrand von Alsfeld aufgeschlagen, geschah das, was niemand begreifen konnte, was nie geklart wurde, was einfach unglaublich war und trotzdem eine Tatsache: Von den 29 scharf bewachten Trucks fehlten am nachsten Morgen drei! Sofort schwarmten Suchtrupps aus, durchkammten die ganze Gegend, uber Funk wurde der ungeheure Vorfall zur 3. Armee gemeldet. General Patton schrie herum, erlie? den Befehl der strengsten Geheimhaltung, so geheim, da? Eisenhower erst viel spater davon e-fuhr… die drei Lastwagen blieben verschwunden, als hatten sie sich in Luft aufgelost.

Die Fahrer waren: Larry Brooks, Joe Williams und Noah Rawlings.

«Die besten Burschen, die wir haben!«sagte der Transportkommandant, ein Colonel.»Was ist denn da passiert?«Zwei Tage stockte der Konvoi, zwei Tage und Nachte wurde gesucht, Hubschrauber uberflogen das Gebiet, so niedrig es moglich war, wie Ameisen tuckerten die Jeeps durch das Land. Nicht eine Spur fand man… eine Jeep-Besatzung stie? am zweiten Tag in einem Waldstuck sudlich von Alsfeld auf den toten Noah Rawlings. Er hatte ein Loch in der Stirn, lag da mit blo?em Oberkorper, und in seine glanzende, schwarze, muskulose Brust war ein gro?es Hakenkreuz eingeschnitten. Fur die Amerikaner war die Lage klar: Der deutsche» Werwolf «hatte die drei Trucks geholt. Wie das moglich war, ohne einen Laut, vorbei an den Wachen, blieb das gro?e Geheimnis. Dem» Werwolf «war — man sah es ja — alles zuzutrauen. Wo Larry und Joe geblieben waren, wurde zum Ratsel. Hatte man sie mitgenommen? Hatte man sie wie Noah erschossen, aber besser versteckt? Die Suche wurde abgebrochen und dem amerikanischen Stadtkommandanten von Alsfeld ubergeben. Der Konvoi fuhr weiter nach Frankfurt.

Nur Fred Silverman stie? einen dumpfen, fast rochelnden Laut aus, griff sich an die Brust, als stehe plotzlich sein Herz still, und wurde bleich wie ein Leichentuch, als die Meldung in Merkers auf seinen Tisch kam.

«Das Bernsteinzimmer — «stammelte er und sah dabei Mulligan aus entsetzten Augen an.»Bob… das Bernsteinzimmer war auf den drei Trucks. In zwanzig Kisten! Und vierzehn franzosische Impressionisten! Bob!«Und dann schrie er seine ganze Qual hinaus:»Das Bernsteinzimmer ist weg!«

An diesem Abend besoff sich Silverman so, da? man glaubte, er werde an Alkoholvergiftung sterben. Er schuttete den Whiskey in sich hinein, als sei er ein Fa? ohne Boden. Besinnungslos fiel er um und wurde ins Militar-Hospital gebracht.

Von da an interessierte ihn nicht mehr, was die Konvois vom 14. und 17. April aus der Grube von Merkers nach Frankfurt brachten. Ihn interessierten uberhaupt keine neu entdeckten Lagerstatten der Nazis mehr… er kannte nur noch eins: die Suche nach dem Bernsteinzimmer — bis zum Ende seines Lebens.

Das Bernsteinzimmer war ihm zum Schicksal geworden.

Sie hielten auf einer kleinen Stra?e sudlich von Alsfeld am Ufer des Flu?chens Antrift an, um kurz nachzusehen, was Noah im dritten Wagen tat und vor allem dachte. Bei der A> fahrt hatte er nichts gesagt… sein Master-Sergeant hatte es befohlen, also mu?te es richtig sein. Aber mittlerweile mu?te es auch einem simplen Geist wie Noah aufgefallen sein, da? irgend etwas nicht stimmte. Als Larry und Joe nach hinten kamen,

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