DRITTES KAPITEL

In Dusseldorf war man unterdessen nicht untatig gewesen. Dr. Portz hatte sein Hauptquartier hinter seinem Schreibtisch aufgeschlagen, von dem aus er mit dem Genie eines nie Kriege verlierenden Feldherrn die feindlichen Heere gewisserma?en als ubergeordneter Schlachtenlenker beobachtete und fuhrte.

Borkum liegt rund tausend Kilometer von Paris entfernt. Aber diese tausend Kilometer werden taglich, stundlich vielleicht, von den beiden Ehefrischlern uberbruckt, denn sie denken an sich, sechs Wochen lang, und diese sechs Wochen sollen ihnen eine Qual werden, so qualvoll, da? sie mit ausgebreiteten Armen aufeinander zulaufen und ihre eigene Dummheit verfluchen.

Das war eigentlich der Grundplan Dr. Portz'. Auf ihn aufbauend entwickelte er eine Theorie.

Die hervorstechendste Eigenschaft liebender, verheirateter Frauen ist die Eifersucht. Die gefahrlichste Eigenschaft liebender, verheirateter Manner ist das Mi?trauen.

Wenn man beides teuflisch schurt, mit immer neuen Situationen futtert, wenn man Ratsel aufbaut und halbe Losungen verkundet, wenn der menschliche Kessel bis zum Uberdruck aufgeheizt wird, um dann irgendwo ein Ventil zu ziehen und etwas Luft abzulassen, wenn man also zwei Menschen, die sich lieben, durch die Fegefeuer von Eifersucht laufen la?t, werden sie mit ausgegluhter, reiner Liebe daraus hervorgehen.

Es folgt dann etwas, was man die verbluffendste Eigenschaft von Eheleuten nennt: Was wie eine Tragodie aussah, wandelt sich zu einer seufzenden Versohnung.

Dr. Portz war bereit, diese im Kern sehr gefahrliche Theorie in die Praxis umzusetzen. Er wollte Sabine und Peter die Gelegenheit geben, sich auf einem einsamen Fleck dieser Erde, namlich im Herzen, ob mit oder wider Willen, vor die Alternative zu stellen: Entweder — oder!

Assessor Bornemeyer war nur zum Teil eingeweiht. Er stand vor dem Chefschreibtisch, hager, bla?, farblos. Er arbeitet sicherlich zuviel, dachte Dr. Portz, als er ihn betrachtete. Dieser Mann ist ein Novum. Es gibt wenig Juristen, die sich uberarbeiten.

«Bornemeyer«, sagte Dr. Portz und blatterte in seinen Notizen.»Haben wir in den nachsten sechs Wochen ganz wichtige Termine?«

«Wenn kein Mord passiert, nein.«

Portz nickte. Eine Seele von Mensch, dieser Bornemeyer.

«Und sonst?«

«Die Ehescheidungssache Direktor Basser.«

Dr. Portz winkte ab.»Unwichtig. Basser nimmt alles auf sich und findet seine Frau ab. Nur die Frau will nicht. Aber das ist nur eine Frage der Abfindungshohe. Bei den Wirtschaftswunder-Bassers lost sich das Leben in Zahlen auf. «Portz putzte sich die Nase.»Nur Bas-ser ist plotzlich knauserig geworden. Nicht bei seinen Amouren, nein, bei seiner Frau. Da spielt er den bankrotten Fabrikbesitzer. Aber lassen Sie mal, das ist alles kein Problem. Sie mussen sich eines merken, Bornemeyer: Ehemanner sind immer zu anderen Frauen generos.«

«Wer es sich leisten kann.«

«Sie sind von einer ohnmachtigen Frivolitat, Bornemeyer. Hatte ich Ihnen gar nicht zugetraut. Aber sehen Sie mal her. «Er schob dem blassen Assessor einen dicht beschriebenen Zettel zu.».Da ist etwas Besonderes fur Sie! Sie fahren nach Borkum.«

«Ich?«

Bornemeyer schuttelte den Kopf.

«Auf Kosten der Firma!«

«Das hort sich wahrhaftiger an.«

«Und Sie ubernehmen dort eine delikate Aufgabe: Sie werden Frau Sabine Sacher uberwachen.«

Bornemeyer schob seine dicke Hornbrille uber die Nasenwurzel auf und nieder. Verstandnislos sah er seinen Chef an.

«Das ist doch wohl ein gut gelungener Scherz«, stotterte er.

«Zum Scherzen haben Sie Zeit, wenn Sie Ihren Auftrag ausgefuhrt haben. Es ist eine Realitat, Bornemeyer: Sie reisen nach Borkum und beschatten Frau Sacher. Sie werden aufmerksam wie ein Mauslein sein! Herr Sacher ist verreist. Allein. Und Frau Sacher ist nun auch verreist. Allein nach Borkum. Alleinreisende Frauen aber sind gefahrdet wie Hermeline. Herden von Jagern laufen ihnen nach. Herr Sacher, der verstandlicherweise sehr besorgte Ehemann, will nun durch uns uber jeden Schritt seiner angebeteten Frau genau unterrichtet werden. Alles, was Sie also in Borkum sehen, melden wir gleich weiter nach Paris.«

«Paris?«Bornemeyer sah seinen Chef mit schrag gehaltenem Kopf an.»Herr Sacher befindet sich in Paris?«

«Das gefallt Ihnen wohl nicht, was?«

«Paris«, sagte Bornemeyer gedehnt und blinzelte hinter seiner Hornbrille.

«Lassen Sie Ihre erogenen Gedanken zu Hause, Bornemeyer. Herr Sacher ist rein geschaftlich in Paris.«

«Ware es nicht logischer, den Ehemann beobachten zu lassen?«

«So etwas tut man nicht.«

«Wen vertreten wir eigentlich: Herrn oder Frau Sacher?«

«Beide.«

«Aber. «Bornemeyer begann zu stottern.»Das geht doch nicht. Wir konnen doch als Anwalt nicht Partei und Gegenpartei.«

Dr. Portz schuttelte den Kopf und starrte zu dem langen Bornemeyer empor.

Der Junge hat eine Auffassung vom Leben, dachte er. Voller Ideale. Voll erlernter Moral! Wie will er mit diesem Ballast blo? weiterkommen?

«Bornemeyer«, sagte er ernst.»Sie sind zu mir gekommen, um sich bei mir einzuarbeiten. In einen schweren Beruf, Bornemeyer. Sie wollen einmal ein guter Anwalt werden. Sehr schon. Das Zeug dazu haben Sie. Sie sind flei?ig. Sie sind gewissenhaft. Sie sind ein Arbeitstier. Sie sind korrekt. Sie denken geradlinig. Alles sehr schon und sehr flei?ig. Aber manchmal denken Sie zu schulma?ig. Das Leben verlangt oft Improvisationen. Ja, es ist selbst fast nur eine Improvisation. Nicht allein auf die Korrektheiten kommt es oft an, sondern viel ofter auf die Extempores. Und noch eine Weisheit gebe ich Ihnen mit auf den Lebensweg: Wenn jemals jemand bewacht werden mu?, ist es stets die Frau!«

«Aber das ist doch vollig unlogisch!«

«Logisch, Bornemeyer, logisch! Denken Sie um! In welcher Welt leben Sie uberhaupt? Haben Sie schon ein Leben gesehen, das logisch ablauft? Nichts durchbricht die Gesetze der Logik so oft und grundlich wie das menschliche Dasein. Blicken Sie doch in unsere Akten, Bornemeyer. Kramen Sie in unserem Archiv herum, blasen Sie den Staub der letzten zehn Jahre von den Deckeln und lesen Sie. Es ist ein babylonischer Turmbau aus Unlogik, Inkonsequenz und menschlichen Schwachen. Wenn das Leben immer und ewig logisch ware, pfui Deibel, wie langweilig ware es dann. Und verdienen wurden wir auch nichts.«

Dr. Portz winkte ab. Sein Gesicht war gerotet.

Hoffnungsloser Fall, wirklich, dachte er. Ein Jurist mit solchen uberlebten Idealen ist wie ein Schornsteinfeger mit Schwindelgefuhlen.

Als unsere Gro?vater noch Vollbarte trugen und unsere Gro?mutterchen Fischbeinstabchen in den hohen Kragen, da war dieser Bornemeyer richtig am Platze. Aber Nietenhosen, auch geistige, verlangen eine Umstellung der Lebensmoral.

«Reden wir von etwas anderem«, sagte er mit Energie.»Es bleibt dabei: Sie fahren auf Kosten der Firma nach Borkum. Sie werden zum Schatten von Frau Sacher. Sie lassen sie nicht aus den Augen. Sie kleben sich an ihre Fersen!«

«Und nachts?«

«Nachts wird sie schlafen.«

«Nehmen wir an, da? Frau Sacher nicht des Nachts.«

«Bornemeyer! Sie komplizieren wieder alles! Naturlich schlaft sie!«

«Naturlich. Aber es kann sein, da?.«

«Wenn Sie immer hinter ihr bleiben, werden Sie ja sehen, was sie tut. Mein Gott, mu? ich Ihnen alles vorkauen? Sie passen auf, weiter nichts! Und wenn Frau Sacher von Borkum wegfahren sollte, Sie fahren

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