hinterher! Alles wird bezahlt! Und wenn's bis nach Rio de Janeiro ist.«

«Wer bezahlt es denn?«

«Der Ehemann! Eine Ehe zu scheiden, ist relativ billig, eine Ehe zu flicken, ist teurer, als einem Haus einen neuen Balkon zu geben. «Dr. Portz schnaufte. Lange Reden machten ihn kurzatmig. Er wog vierzig Pfund zuviel, das war es. Und weil er es wu?te, hielt er nicht gerne lange Reden.

«Jeden dritten Tag schicken Sie mir einen Bericht, einen genauen Bericht! Mit allen Einzelheiten, Uhrzeiten, Orten und, falls vorhanden, mit Angaben der Zeugen.«

«Wie Sie es wunschen. «Assessor Bornemeyer fuhr sich mit dem Zeigefinger in den Hemdkragen. Er schien plotzlich zu eng geworden zu sein. Er schwitzte sogar.

«Und wenn mich die gnadige Frau wiedererkennt?«

«Menschenskind, Bornemeyer! Lesen Sie mehr Wallace oder Agatha Christie! Naturlich werden Sie nicht als Assessor Bornemeyer nach Borkum gehen. Kleben Sie sich einen Bart an.«

«Einen Bart?«sagte Bornemeyer. Ein gelbsuchterregender Widerwille schwang in seiner Stimme.

«Lassen Sie sich die Haare farben, sprechen Sie franzosisch, kriechen Sie in eine andere Haut. Auf jeden Fall, wie Sie's schaffen, ist mir egal, melden Sie mir punktlich, was Sie sehen!«

Bornemeyer zuckte mit den Schultern.»Ich werde alles versuchen. Ich mochte nur darauf aufmerksam machen, da? ich nicht gut franzosisch spreche.«

«Dann reden Sie italienisch oder Sanskrit, zum Teufel!«

«Vom Italienischen kenne ich nur das Wort Amore.«

«Normalerweise genugt das auch! Aber hier, Himmel noch mal, lassen Sie sich etwas einfallen!«Dr. Portz sprang auf und stutzte sich mit beiden Armen auf seinen Schreibtisch. Er sah Bornemeyer an, als wolle er ihn hypnotisieren.»Sie fahren noch heute mit dem Nachtzug nach Emden, Au?enhafen, und konnen morgen fruh mit der Flut auf Borkum sein. Frau Sacher wohnt in der Pension >Seeadler<.

Sie ziehen in die >Seeschwalbe<.«

«Sehr poetisch.«

«Von mir aus dichten Sie auch! Nur vergessen Sie mir eines nicht: erster Bericht am 12.!«

«Und ich habe vollig freie Hand?«

«Vollig. «Dr. Portz schielte zu Bornemeyer empor.

«Und alles bezahlt die Firma?«

«Alles. Naturlich keine Eskapaden! Aber sonst ist alles gedeckt. Sie konnen sich am Strand als Kraftmensch bewundern lassen oder als Wunderesser. Das ist mir wurscht! Es mu? nur eins dabei herauskommen: Frau Sacher darf keine Minute aus den Augen gelassen werden.«

Bornemeyer nickte. Er begann auf einmal zu lacheln und strahlte Dr. Portz an.

«Aber.«

«Was aber?«

«Es konnte sein, da? ein WC zwei Ausgange hat. Was dann?«

«Hinaus!«

Kopfschuttelnd sah Dr. Portz seinem Assessor nach. Jetzt ist er in Hochstimmung, dachte er bitter. Er hat seinen Chef mit einem sauren Witz aus der Fassung gebracht. Davon zehrt er ein Jahr lang.

Er ging an das breite Fenster und sah hinab auf das bewegte Stra?enleben der Alleestra?e. Dieser Bornemeyer, sinnierte er. Es ist fast so, als gehore er zu der Kategorie der stillen Wasser. Erst wenn man einen Stein hineinwirft, sieht man, wie weit er Kreise ziehen kann, nur ist man erschrocken, wie tief dieser stille See ist!

Wahrend in der Kanzlei Bornemeyer seine Aktentasche einpackte, seinen Buromantel in den Schrank hangte, die Thermosflasche in seinen Schreibtisch schlo? und unter den verblufften Augen des Burovorstehers und dreier Tippmadchen seinen Schlipsknoten hoher zog und sogar ein Staubchen von seinem Jackett burstete:»Ich fahre jetzt in Urlaub!«sagte er dabei lassig und verbreitete greifbares Entsetzen, denn man hielt ihn fur ubergeschnappt, sa? Dr. Portz schon wieder hinter seinem Schreibtisch und schrieb mit der Hand einen Brief.

Nach Paris. Aber nicht an Peter Sacher.

Er schrieb an einen Maitre Emile Caravecchi.

Das war ein franzosischer Kollege, den er von einem Studienaustausch seit seinen Studentenjahren kannte.

Maitre Caravecchi wohnte gegenuber dem Gare Montparnasse. Nicht weit von der Rue de Sevres.

Dr. Portz begann seinen Brief mit:»Mon cher ami. «und schlo? ihn mit dem Satz:»Ich lege Ihnen ans Herz, Herrn Sacher in gluhenden Farben zu schildern, was ich Ihnen in Abstanden von drei Tagen aus Borkum uber seine Frau melde. Tun Sie noch was dabei, es schadet nicht. Werden Sie voller Fantasie. Ein Franzose ist ja ein Genie, wenn es um die Untreue einer Frau geht! Verhindern Sie aber auf jeden Fall, da? der Sacher vor dem 28. August wieder nach Dusseldorf fahrt, oder gar nach Borkum! Herzlichst und immer zu Gegendiensten in Deutschland bereit — Ihr Portz.«

Den Brief lie? er in seinem Buro kuvertieren. Da niemand Franzosisch konnte, schaltete die Gefahr einer Kenntnisnahme durch das Personal aus.

Dann rieb er sich die Hande und war sehr zufrieden.

Er verga? dabei ganz den Spruch, da? man den Tag nicht vor dem Abend zu loben hat.

Assessor Bornemeyer fuhr mit der Stra?enbahn nach Derendorf. Dort bewohnte er ein mobliertes Zimmer bei einer Postobersekretarswitwe, mit Kochgelegenheit, Badbenutzung und Fernsehgenehmigung.

Die Witwe war nicht zu Hause. Bornemeyer schrieb einen Zettel und steckte ihn an die Scheibe des Kuchenschrankes.

>Bin fur sechs Wochen verreist. Sie konnen meine Marmelade und meine Eier essen, damit sie nicht faul werden.

Bornemeyer.<

Dann packte er nur das Notwendigste in einen gro?en Koffer, nahm sich auf der Stra?e, zur Gewohnung an den neuen, geliehenen Reichtum, eine Taxe und ratterte in die Stadt zuruck.

In einem eleganten Herrenbekleidungsgeschaft in der Nahe des Corneliusplatzes wurde er kritisch begru?t. Sein Vulkanfiberkoffer pa?te nicht unter die Kristalleuchter, die ihn grell beschienen. Eine Verkauferin trat auf ihn zu… der elegante Herr im dunkelgrauen Zweireiher blieb im Hintergrund und war etwas konsterniert. Um einen Schlips fur zweifunfzig zu kaufen, betritt man diesen Laden nicht!

Er wurde aber sehr ruhrsam, als Bornemeyer laut und bestimmt seine Wunsche au?erte: zwei englische Anzuge, einige dazu passende Seidenhemden, Strumpfe, Taschentucher, Ziertucher, einen Trenchcoat neuester Linie, eine Kamelhaar-Sportkappe, diskrete Krawatten, kurzum alles, was aus einem mittelma?igen Spie?er einen internationalen Beau macht!

Bornemeyer hatte keinerlei Gewissensbisse mehr. Dr. Portz hatte ihm einige Blankoschecks mitgegeben. Wer sich sechs Jahre kaum um seine Frau gekummert hat, soll im siebten merken, da? er verheiratet ist!

Nach der Einkleidung, Bornemeyer lernte aus eigener Sicht den Satz >Kleider machen Leute< kennen und bestatigt, ging er, diesmal mit einem hellen, herrlichen Lederkoffer fur Luftreisende, in ein bekanntes Lokal der Dusseldorfer Altstadt, a? ein Steak auf englisch, lie? sich das internationale Hotelverzeichnis bringen und studierte in schopferischer Stille die angegebenen Vorzuge seiner >See-schwalbe< auf Borkum und seine eigene Rolle.

Ich werde ab jetzt ein steinreicher Autohandler aus Genua sein. Ich hei?e klangvoll: Signore Ermano Ferro.

Das Geld hatte er, die Kleidung auch. Es fehlte nur noch das Aussehen. Das notwendige Temperament traute sich Bornemeyer in einem Anfall von Gro?enwahn zu.

Nach dem Abendessen gab er seinen Koffer als Reisegepack auf (ein vornehmer Mann schleppt sich nicht mit einem Koffer herum), bummelte dann noch etwas, als Abschied gewisserma?en, uber die

Konigsallee und ging dann zu einem bekannten Friseur.

«Seien Sie nicht erstaunt«, sagte Bornemeyer,»wenn Sie jetzt meine Wunsche horen: Ich mochte einen kleinen, schwarzen Bart unter der Nase, aber nicht einen in unlieber historischer Erinnerung, sondern so einen schmalen, frauenmordenden, wissen Sie, einen mittelbraunen, nicht abfarbenden, sudlandischen Teint und pechschwarze, glanzende Haare. Sie verstehen?«

Der Friseur nickte und sah sich um. Es hatte den Anschein, da? er Hilfe suchte. Bornemeyer lachte.

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