angewiesene Kellner wurde bei jeder Rechnung lediglich das Tagesdatum dazurechnen.

Abgesehen davon wurde man von allen anderen Pensionen beneidet werden, es sprach sich herum, wer in der >Seeschwalbe< wohnte, man wurde empfohlen. Was tut man nicht alles fur die Hebung des Niveaus!

Aber die Rechnung ging nicht auf. Der Beamte, der hinausgesetzt werden sollte, ging nicht. Er war ein Postoberinspektor und wollte, entgegen seines Berufes, nichts von einer Beforderung wissen.»Ich bleibe«, sagte er.»Was soll ich in einem Luxushotel! Ich wohne seit drei Jahren hier!«

«Aber wir bezahlen es!«rief die Direktion im Chor.

«Ich fuhle mich im Luxus nicht wohl!«sagte der Oberinspektor und ging auf sein Zimmer, wo er sich einschlo?. Das war sein gutes Recht. Er hatte vierzehn Tage im voraus bezahlt.

Und der Millionar stand vor der Tur! Die Direktion verglich ihre Uhren wie vor einer Schlacht und raufte sich dann die Haare. In wenigen Stunden kam der Genueser an! Was sind Stunden, wenn das Recht auf Seiten des Gegners steht?

Vermittlungen schlugen fehl. Der eingeschlossene Beamte las seine Zeitung, rauchte eine Zigarre und ging ins Bett, als man ihm, hochste Stufe der Schikane, das Licht im Zimmer absperrte, indem man die Sicherung herausdrehte.

Der Geschaftsfuhrer der >Seeschwalbe< lehnte jede Verantwortung ab. Die Direktion wurde bleichsichtig und fuhrte erregte Gesprache mit dem Schwesterunternehmen >Seeadler<. Dabei erwies sich, da? es eigentlich nur eine einzige Gelegenheit gab, den wertvollen Gast fur das Unternehmen zu retten. Man mu?te ein einzeln belegtes Doppelzimmer als Zweibettzimmer vermieten.

Dieser Ausweg erzeugte im >Seeadler< eine Gansehaut. Aber es blieb keine Zeit, sich mit dieser korperlichen Reaktion zu beschaftigen. Durch das Telefon flog der Ruf:»Er kommt!«Und damit war die Situation nicht mehr zu retten.

Ermano Ferro betrat hinter dem Boy die kleine Halle der Pension. Der Portier, der Geschaftsfuhrer, der zweite Direktor (der erste Direktor hatte plotzlich einen Schwindelanfall bekommen und lie? sich wegen Blutleere im Gehirn entschuldigen) und der Oberkellner sturzten auf ihn zu und versuchten, ihn italienisch zu begru?en.

Bornemeyer-Ferro winkte gelassen ab. Seine Haltung, seine Bewegungen, sein Gesicht waren zuruckhaltende Vornehmheit. Er musterte die Gaste, die im Speisesaal sa?en und durch die Glastur zu ihm hinstarrten.

«Ich spreche deutsch«, sagte er mit einem deutlichen sudlandischen Akzent. Er hatte ihn geubt, und mittlerweile fand er diese Aussprache selbst irgendwie betorend.»Ich mochte sofort auf mein Zimmer.«

Der Geschaftsfuhrer drehte sich herum. Er schwitzte kalt und bekam rote Ringe vor den Augen. Der zweite Direktor klingelte diskret, aber intensiv nach dem ersten Direktor. Blutleere im Gehirn hin und Blutleere her. Hier mu? der Chef selbst die Suppe ausloffeln.

Der erste Direktor kam. Er knickte in der Mitte ein, hie? Erma-no Ferro herzlich willkommen, was die anderen auch getan hatten, und stellte dann mit Entzucken fest, da? Ferro wie er ein Monokel trug.

Es ist eine Tatsache, da? gleiches Leid oder gleiche Freude eine

Seelenverwandtschaft hervorrufen. Ein Mann, der ein Monokel liebt, kann einem anderen Mann, der auch solch eine blitzende Scheibe vor dem Auge balanciert, nicht bose sein. Es ware wider die Natur.

«Signore wollen auf das Zimmer?«sagte der erste Direktor stockend. Dabei musterte er giftig den zweiten Direktor. Welche Memmen, hie? dieser Blick. Man mu? einer solchen Situation gewachsen sein. Er winkte lassig und sah dabei den Boy an.

«Wie Sie wunschen, Signore! Boy — fuhre den Herrn Ferro auf sein Zimmer!«

Der angesprochene Boy starrte den Direktor dumm an. Der Geschaftsfuhrer lehnte sich gegen die Wand. Ermano Ferro sah sich um. Sein Hochmut ging in die Potenz.

«Ist etwas nicht in Ordnung?«fragte er hellhorig.»Haben Sie etwa gar kein Zimmer mehr frei?«Er sah den zweiten Direktor, den ersten Direktor, den Boy und verstand.»Meine Herren — das ware eine Couchonerie!«

Der erste Direktor nickte. Er war dankbar, da? Ferro nicht laut von >Schweinerei< geredet hatte, sondern den vornehmen franzosischen Ausdruck benutzte. Der Mann hat Kinderstube, dachte der Direktor.

«Etwas Unvorhergesehenes ist eingetreten. Wir hatten Ihr Zimmer bis gestern belegt. Der Gast sollte gestern ausziehen. Er hatte es fest versprochen! Aber nun bleibt er! Er bleibt trotz unserer dringendsten Vorstellungen. Er hat eine Verlangerungswoche bezahlt — uber sein Reiseburo, und wir haben diese Nachricht erst heute mit der Morgenpost bekommen!«Das war herrlich gelogen, aber glaubhaft. Der erste Direktor warf einen Blick in die Runde. Seht, so rettet man seine Haut!

Ermano Ferro war steif wie ein Pfahl. Er rausperte sich nur und machte:»Haham.«

«Wir konnten Ihnen leider keine Nachricht mehr geben, kein Telegramm, rein gar nichts — wir kannten ja nicht Ihren Aufenthalt auf Ihrer gro?en Deutschlandreise.«

«Dann kann ich also in den Dunen schlafen?«donnerte Erma-no Ferro. Er rollte mit den Augen und lie? das Monokel in die hohle Hand fallen. Das bedeutet bei Monokeltragern den Ausdruck tiefster Emporung. Der erste Direktor erbleichte. Sein Monokel fiel nicht in die Hand, sondern auf den Boden, wo es leise klirrend zerschellte.

«Ich soll wirklich«, Ferro holte Atem. Das Bewu?tsein, ein steinreicher Mann zu sein, verlieh Bornemeyer unwahrscheinliche Krafte.»Nie, meine Herren! Nie! Ich habe von Ihnen eine Zusage. Juristisch gesehen.«

«Aber Signore Ferro!«Der erste Direktor hob beide Hande. So beschwort man Schlangen, dachte Ferro.»Eher uberlasse ich Ihnen mein Bett!«

«Ich mochte sauber schlafen«, sagte Ferro gemein. Der erste Direktor seufzte verzweifelt.

«Aber, wir haben ein Bett fur Sie. Ein herrliches Bett. Mit Schaumgummiauflagen! Nur«, er druckste herum und sah hilfesuchend in die Runde. Wer aber sollte helfen von diesen Memmen?» Nur mu?ten Sie das Zimmer mit einem anderen Gast teilen.«

«Das Bett?«schrie Ferro-Bornemeyer.

«Das Zimmer, Signore! Naturlich nur so lange, bis der rabiate Gast Ihr Zimmer hier geraumt hat. Vielleicht zwei oder drei Tage… bis dahin werden wir den Oberinspektor aus dem Hause haben.«

«Teilen?«Ferro warf seinen weichen Hut auf die Rezeptionstheke.»Ich soll fur mein Geld ein Zimmer teilen? Ich soll das Schnarchen eines anderen.? Nein! Ich verklage Sie!«

«Es ist ein Doppelzimmer, Signore! Selbstverstandlich stellen wir die Betten auseinander!«

«Aber das Schnarchen stellen Sie nicht auseinander.«

«Die Dame schnarcht nicht.«

Bornemeyer-Ferro zog die Augenbrauen hoch. Er begriff noch nicht ganz.

«Wer ist mein Bettnachbar? Wie hei?t der Herr?«

Der erste Direktor atmete auf. Er lachelte sogar verschmitzt. Jaja, die Italiener. Hei?es Blut haben die Burschen.

«Wir haben naturlich an alles gedacht, Signore. Der Herr ist eine

Dame.«

Ferro hustete. Er hatte sich nicht verhort. Er sollte mit einer Dame ein Doppelzimmer teilen! Er sollte mit ihr in einem Doppelbett schlafen! So Seite an Seite, wie ein Ehepaar! Ferro-Bornemeyer atmete schneller. Juristisch gedacht ist das eine vollendete Kuppelei. Menschlich gedacht, ist das eine Zumutung. Mannlich gedacht aber ist das ein nie wiederkehrendes Angebot!

Ermano Ferro rieb sich nachdenklich den Menjoubart. Er blickte die erwartungsvollen Direktoren scharf an. Sein Gesicht war verschlossen, aber nicht mehr kriegerisch wie vordem.

«Ist sie hubsch?«fragte er arrogant.

«Sehr, Signore, sehr!«

Die Direktoren warfen sich verschworerische Blicke zu. Der Geschaftsfuhrer grunzte, der Boy grinste. Gewonnen, jubelten sie innerlich im Chor. Das sudlandische Temperament ist angesprochen. Jetzt konnten wir ihm die Badewanne anbieten, wenn eine Frau darinnen sitzt.

Ferro-Bornemeyer wollte sichergehen. Er senkte den Kopf und starrte die Direktoren an.

«Jung?«

«Im pikanten Alter, Signore.«

«Ledig?«

«Nein! Aber allein auf Borkum.«

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