«Soll das ein Angriff auf meine Person sein?«

Die junge Dame schuttelte den Kopf. Hochmutig kann das Biest auch sein, dachte Peter wutend.

«Monsieur, glauben Sie so zu sein interessant, da? ich mich beschaftigen wurde mit Ihrer Kleidung?«

«Warum nicht. «Peter war mit Gift geladen bis zur Mundhohle. Er sah auf seine wei?en Gamaschen und verfluchte den Gedanken, nach Longchamps gegangen zu sein.»Ich habe gelesen, da? sich mit den Jahren Hund und Herrin gleichen!«

«Charmant!«

Die Dame lachte laut und bog sich dabei etwas zuruck.

Sie lacht mich aus, dachte Peter Sacher. Ich bin ein Clown in ihren Augen. Er bi? sich auf die Unterlippe und ri? den grauen Zylinder vom Kopf.

Was schon seine Jugend uberschattet hatte, brach wieder in ihm aus. Unsicherheit Frauen gegenuber, Hemmungen, Komplexe und zaghaftes Tasten nach den richtigen Worten. Immer hatte ihm etwas von der siegenden Frechheit gefehlt, die Frauen so lieben und von der sie sich so gerne erobern lassen. Mannliche Frechheit ist fur sie das Salz des Flirts. Jeder andere Mann, der in Longchamps von dem Hund einer reizenden Dame attackiert wird, hatte sich anders benommen als Peter Sacher.

Peter sah das ein. Eine gro?e Gleichgultigkeit vor der Meinung seiner Umgebung und den Blicken der Oberen Tausend uberfiel ihn. Er sah auf seinen grauen Zylinder in seiner Hand, dann hob er den Arm und schleuderte das Monstrum weit von sich. Der Zylinder rollte uber den Rasen und blieb an einer Pferdetranke traurig liegen. Die junge Dame starrte Peter entsetzt an.

«Aber warum denn?«stotterte sie.»Isch Sie nicht beleidigen wollte.«

Peter fuhlte sich befreit. Er ri? sich den Plastron, die breite Cutkrawatte, ab und warf sie dem Zylinder nach. Erleichtert knopfte er das Hemd auf. Ein Herr, der an ihnen vorbeiging, beschleunigte die Schritte. Ein Gentleman, der in grauem Cut seinen Zylinder wegwirft und das Hemd aufrei?t, mu? einen Wahnsinnsanfall bekommen haben.

«Sie wissen nicht, wie glucklich Sie mich machen«, sagte Peter. Er fa?te die junge Dame am Arm und zog sie aus der starrenden Menge weg auf eine Wiese, wo sie unbeobachtet waren. Papillon folgte ihnen knurrend.

«Lassen Sie mich erklaren, warum ich aussehe wie ein Clown. Ich bin nicht nach Paris gekommen, um etwas zu erleben. Ich hatte die Absicht, sechs Wochen auszuspannen, abzuschalten, an nichts anderes zu denken als an mich!«Ich luge schon wieder, dachte Peter. An Sabine sollte ich denken. Er sah das ihm gespannt zuhorende Puppengesicht an und sprach tapfer weiter.»Ich wollte so etwas wie Gluck in Paris suchen. Verstehen Sie das?«

«Oh, oui! Paris ist eine gluckliche Stadt.«

Sie beugte sich zu dem Dackel hinab und streichelte ihm uber das seidige Fell. Peter sah auf ihre blo?en, braunen Schultern. Ihre Haut war glatt, als sei sie gewachst.

«Ich bin noch nie gestreichelt worden«, sagte er.

«Wunschen Sie, da? isch es tue hier auf Rennplatz?«

«Der Neid ware zu gro?, Madame.«

«Kommen Sie«, sagte sie einfach, wandte sich ab und ging. Peter hatte Muhe, ihr zu folgen. Sein verwildertes Aussehen, das ihm den Anschein einer muhsam uberstandenen Schlagerei gab, bei der man ihm das Hemd zerrissen und die Krawatte zerfetzt haben mu?te, lie? ihm alle Blicke folgen. Auf dem Parkplatz sah er schon von weitem die Taxe des franzosisierten Berliners stehen. Mit langen Schritten, die junge Dame fast nachziehend, eilte er auf den Wagen zu, ri? die Tur auf, schob die Dame samt dem um sich bei?enden Dackel hinein, rannte um den Wagen herum, warf sich auf seinen Sitz und stie? dem sprachlosen Berliner in die Schulter.

«Fahren Sie! Schnell!«

Der Wagen scho? vom Parkplatz weg, hinaus auf die Allee, wo er notgedrungen wegen der promenierenden Menschen das Tempo verlangsamen mu?te. Peter sah sich um. Es war verwunderlich, da? ihnen niemand wie einem Gangsterwagen folgte.

Der Berliner sah sich kurz um. Sein Gesicht war verschlossen.»Wohin?«»25. Rue Championnet«, sagte die Dame.

«Das ist auf dem Montmartre, nicht wahr, Madame?«

«Oui.«

Wieder raste der Wagen quer durch Paris. Die Sonne brannte auf das Autodach. Es roch penetrant nach Benzin und hei?em Ol. Der Dackel hatte die Pfoten auf den Vordersitz gelegt und leckte dem Chauffeur den Nacken. Bis auf das Schmatzen des Hundes war es still im Wagen. Die Dame und Peter Sacher sahen, jeder auf seiner Seite, aus dem Fenster. Ab und zu schielten sie zu sich hin. Wenn sie sahen, da? der andere es auch tat, wandten sie schnell wieder die Kopfe zur Scheibe.

Die Baume im Parc de Monceau waren staubig und saftlos. Ihre Blatter waren wie versengt. In den Hausturen von Batignolles sa?en auf Rohrstuhlen die Concierges und rauchten ihre Pfeifen oder algerische Zigaretten. Einige schliefen im Schatten der Balkone, neben sich ihre struppigen Hunde. Es war einfach zu hei?, um in den Wohnungen zu bleiben.

Rue Championnet. Nummer 25. Ein hohes Haus. Ein halbes Glasdach. Ein Atelier. Ein typisches Montmartrehaus.

Die junge Dame stieg aus, nahm ihren Papillon auf den Arm und ging ins Haus. Peter bezahlte die Fahrt.

«Eigentlich konnte ich Sie fur sechs Wochen mieten«, sagte er krampfhaft frohlich.

Der Berliner nahm das Geld ungezahlt und steckte es in die Tasche. Dann kratzte er sich den Kopf und sah auf das Haus Nr. 25.

«Woll'n Se 'nen Rat haben, Landsmann?«

«Wenn er was wert ist.«

«Det is' keene von denen. Ick hab nen Blick dafur. Passen Se uff, Landsmann! Nich alles, was aufn Montmartre wohnt, is dat, wat man sich von Paris vorstellt und fur Jugendliche verboten is. Soll ick warten, oder?«

«Ich rufe Sie, wenn ich Sie brauche.«

«Ick habe meenen standigen Stand am Gare St. Lazare.«

«Danke, Berliner.«

«Nischt for ungut.«

Der Wagen fuhr davon. Peter Sacher stand allein auf der Stra?e und zogerte, ins Haus zu gehen. Er mu?te plotzlich an Sabine denken und schamte sich. Die Haustur offnete sich wieder. Der Puppenkopf sah hinaus.

«Hier ist kuhl«, sagte er. Peter nickte. In mir nicht, mein Madchen. Ich bin bestimmt der erste Mann deiner Bekanntschaft, der zogert.

Im Hausflur blieb er stehen und sah die steile Treppe empor. Sie verlor sich in einem Halbdunkel.

«Ganz oben!«sagte die Dame. Papillon war nicht zu sehen. Er war anscheinend schon emporgelaufen.

«Gehen wir«, sagte Peter heiser. Er stieg voran, sechs Stockwerke hoch. Ganz oben blieb er vor einer gro?en Bohlentur stehen. Pa-pillon sa? davor und wedelte mit dem Schwanz.

«Voila!«sagte die Dame. Sie schlo? die Tur auf, stie? sie weit zuruck und winkte einladend mit der Hand.»Entrez.«

Ein weiter Raum mit einem schragen Glasdach offnete sich vor Peter. Staffeleien und viele Gemalde und Skizzen an den Wanden machten das Zimmer bunt und wohnlich. Sie verdeckten die roh geputzte und gekalkte Wand.

In der Ecke des Zimmers stand eine Couch. Davor ein runder Tisch, bedeckt mit Paletten. Drei Sessel, zwei Hocker. Hinter einem zuruckgezogenen Vorhang sah er einige Regale mit Topfen und Geschirr. Auf einem verbeulten Blechtisch stand ein zweiflammiger Gaskocher. An in den Wanden eingeschlagenen Haken hingen Kleider und Unterwasche frei zwischen einigen Gemalden. Auf dem Atelierboden lag ein handgewebter Teppich. In einer alten Truhe ahnte man die Bettwasche. Vor dem gro?en Glasfenster standen Blumen in bunt bemalten Topfen. Bis an die Decke stie? das gro?e Fenster. Man hatte das Gefuhl, unter freiem Himmel zu sitzen.

Papillon war auf die Couch gesprungen und hatte sich grollend zusammengerollt. Die junge Dame ging Peter voraus, zog einen Sonnenvorhang halb vor das Fenster und wandte sich um.

Lachelnd sah sie, wie Peter Sacher die Wande entlang ging, Bild

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