nach Bild betrachtend. Vor einem Mannerakt blieb er stehen.

«Soso«, sagte er.»Das malen Sie auch?«

«Er hei?t Rene.«

«Ihr Geliebter.«

«Mein Modell!«

«Das durfte doch das gleiche sein.«

Er hatte plotzlich eine sinnlose Wut auf diesen Rene und wandte sich schroff ab. Die junge Dame hob die Schultern.

«Sie scheinen zu verstehen ebensowenig von Malerei wie von Pferderennen.«

«Ein Mann, der sich so, so, na, eben so malen la?t! Ich bitte Sie!«

«Wenn Sie hatten gute Figur, wurde ich Sie bitten, sich auch so, so, malen zu lassen!«

«Ich habe eine gute Figur!«sagte Peter schroff. Er war ins Innere getroffen.

«Es gefallt Ihnen nicht bei mir?«fragte die junge Dame. Sie ging zu dem Aktbild und nahm es von der Wand.»Wir konnen es wegnehmen. Ist es so besser?«

«Wesentlich. «Peter lachelte. Im Winkel seines Herzens hatte er Angst vor dem, was noch entstehen konnte.»Es ist das Paris, das ich suchte.«

«Fast 'abe ich es gewu?t.«

Sie ging an ihm vorbei, zog den Sonnenvorhang ganz vor das riesige Fenster und knopfte ihr Kleid am Hals zwei Knopfe weiter auf. Rot-wei?e Streifen lagen uber dem Dielenboden. Die Sonne schien den Vorhangstoff zu durchgluhen.

«Setzen Sie sich doch. Papillon tut Ihnen nichts mehr. Er 'at Sie bereits 'alb in sein Leben aufgenommen.«

«Das geht aber schnell. «Peter schluckte.

«In Paris wissen wir zu genau, wie schnell die Zeit vergeht. Wir nutzen sie. Setzen Sie sich bitte.«

«Nicht, bevor ich wei?, wer Sie sind, Madame.«

«Ich bin Yvonne Sandou. Sagt Ihnen das etwas?«

«Yvonne Sandou. Eine Melodie in Moll.«»Namen sind so dumm im Leben. Wir lernen doch keine Namen kennen, sondern Menschen. Da? ihr immer nach den Namen fragen mu?t. Yvonne genugt doch. Und Sie?«

«Bei euch wurde man mich Pierre nennen.«

«Nur Pierre?«

Peter lachelte.»Was sind Namen, Yvonne?«Sie nickte zuruck und wandte sich ab.»Yvonne und Pierre, klingt das nicht wie ein Lied eurer Troubadours?«

«Sie sangen von Liebe, Pierre.«

«Und jeder verstand sie.«

Yvonne ging hinter den Vorhang der Kuche. Sie nahm den Strohhut vom Kopf, schuttelte den Kopf, um die Haare zu lockern und strich sich mit beiden Handen uber das Gesicht. Peter sah ihr zu. Er sa? auf der Couch, die Hande zwischen den Knien, wie ein befangener Schuler vor seinem Direktor. Die Streifen des Sonnenvorhanges fielen uber seinen grauen Cut. Es sah schrecklich aus. Yvonne sah ihn mitleidig an.

«Ziehen Sie doch aus dies schreckliche Ding, Monsieur«, sagte sie. Darauf griff sie hinter den Vorhang und warf Peter einige Kleidungsstucke zu. Eine blaue, enge Hose, ein gelbes Baumwollhemd, flache Sandalen.

Peter betrachtete die Dinge mit Abscheu.

«Von Rene?«fragte er widerspenstig.

«Von Francois!«

«Noch ein Liebhaber?«

«Mein Bruder! Er dient jetzt in Algerien bei den Panzern. In einem Jahr ist seine Dienstzeit um.«

«Verzeihen Sie. Ich bin schrecklich unmodern.«

«Wo haben Sie eigentlich Ihre richtige Kleidung?«

«Im Schlie?fach 178 des Gare de l'Est.«

«Die holen wir morgen ab! Ziehen Sie die Sachen an! Oder schamen Sie sich vor einem Madchen?«

«Nicht, wenn es schon Mannerakte gemalt hat!«sagte Peter giftig.

Er legte seinen Cut ab, zogerte einen Augenblick, ehe er die Hosen auszog, dann stieg er in die blaue Hose, streifte das gelbe Hemd uber und angelte nach den Sandalen. Als er einen Blick in den Spiegel warf, der seitlich des Vorhangs an der Wand hing, sah er sich wieder als armer Maler. Nur die Baskenmutze und die Zigarette im Mundwinkel fehlten. Auch so eine dumme Kinomode, dachte er wutend. Immer haben die Maler im Film Baskenmutzen und Zigaretten im Mundwinkel.

«Wie viele Manner vor mir haben das schon getragen?«fragte er, weil er nicht kampflos untergehen wollte.

«Warum fragen Sie, Pierre?«

«Es interessiert mich. Ich will mich moralisch umstellen.«

«Eifersuchtig?«

«Man konnte eifersuchtig werden, wenn man sich in Sie verliebt, Yvonne! Zu denken, da? in dieser Hose und diesem Hemd ein anderer.«

Yvonne lachelte mild. Sie stand in der >Kuche< und schraubte eine Kohlensaurepatrone in einen alten Syphon.

«Trinken Sie einen eisgekuhlten Whisky-Soda mit mir?«fragte sie statt einer Antwort.

«Sehr gern. Nur, woher habt ihr armen Maler einen echten Whisky? Sie haben wohl einen reichen amerikanischen Freund, Yvonne?«

«Vielleicht.«

«Es ware peinlich, ihm hier zu begegnen. Vielleicht sogar in seiner Hose.«

Yvonne lachelte wieder.»Glauben Sie, Pierre«, sagte sie milde,»ich lie?e Sie bei mir einen Whisky trinken, wenn Charly in der Nahe ist?«

«Aha! Charly hei?t die Kanaille!«

Peter Sacher setzte sich ernuchtert in einen Sessel. Er wollte die Beine ubereinanderlegen, aber in einer Naht der engen Hose krachte es. Da lie? er es sein und sa? steif wie in einem Korsett.

Yvonne spulte zwei Glaser. Sie trallerte dabei ein Liedchen. Sie schien vollig enthemmt zu sein. Ohne Moral. Eigentlich war es herr-lich.

Peter stand auf und trat an das gro?e Fenster. Er schob den Sonnenvorhang etwas zuruck und sah hinaus. Vor ihm waren die dampfenden Dacher von Paris. Der Kuppelturm des Sacre-Creur ragte uber sie hinaus. Er blitzte, als sei er mit Glassplittern ubersat, in denen sich jetzt die Sonne spiegelte. Auf einem Balkon unter dem Dach des gegenuberliegenden Hauses lag ein nacktes Madchen auf einer roten Decke und sonnte sich.

«Wirklich. Eine schone Gegend.«

Hinter ihm lachte Yvonne auf.»Liegt Margot wieder in der Sonne?«

Verlegen drehte sich Peter vom Fenster weg. Yvonne stand hinter ihm. Sie zog den Vorhang wieder vor die Glaswand und hakte sich bei ihm unter.

«Komm«, sagte sie zartlich,»trink mit mir einen Whisky.«

Sie setzte sich Peter gegenuber auf die Couch und zog die Beine an. Wie Coucou, durchfuhr es ihn. Aber sie ist noch schoner. Noch gefahrlicher. Er hielt sein Glas hin und sah zu, wie das Sodawasser sprudelnd in den Whisky scho?. Mit einem Zug leerte er das Glas und setzte es dann hart auf den Tisch. Es klirrte laut.

Yvonne hatte dunkle, glanzende Augen, als sie ihn ansah.

«Warum bist du eigentlich nach Paris gekommen, Pierre?«

«Ich wollte einen Freund besuchen.«

«Nur deshalb?«Sie nahm seine Hand und hielt sie hoch.»Du bist verheiratet.«

Peter zuckte zusammen. Eine Viertelstunde lang hatte er nicht an Sabine gedacht, und gerade Yvonne erinnerte ihn an sie. Hatte sie es verdient, da? er jetzt in einem Montmartre-Atelier um seine Fassung rang? Immerhin hatte sie ein Zimmer mit Doppelbett, und das hier ist nur eine einschlafrige Couch! Bei mir ist nichts vorausgeplant!

«Verheiratet? Ja. «Er zog die Hand zuruck und streifte den Ring vom Finger, steckte ihn in die Hosentasche und bereute es gleichzeitig.»Oder auch nein. Wie du willst, Yvonne.«»Du 'ast deine Frau verlassen?«

«Wir haben uns beide verlassen.«

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