«Sie kennen mich?«fragte er kuhl.

«Personlich hatte ich noch nicht die Ehre. «Der alte Herr verbeugte sich korrekt. Erst vor Sabine, dann vor Ermano.»Von Bergenfeldt. Ich horte in meinem Hotel, da? Sie, Herr Ferro, auf Borkum sind. Alle Welt spricht ja von Ihnen. Sie haben in Genua eine Autofirma?«

«Ganz recht. «Ferro-Bornemeyer fuhlte, da? er zu schwitzen begann. Verzweifelt suchte er nach einem Ausweg. Was will er blo?, dachte er. Kannte der Baron seine Firma? War er in Genua gewe-sen und wollte uber die Stadt plaudern? Bornemeyer kannte Genua nur vom Atlas und Lexikon her. In der Schule hatte er gelernt, da? Genua einen Hafen hatte, in manchen Stadtteilen sehr schmutzig war und von Handlern wimmelte, die von uberhohten Preisen lebten. Das war aber auch alles, was er von der Stadt wu?te.

Freiherr v. Bergenfeldt nickte freundlich.

«Sie mussen wissen, ich habe eine gro?e Vorliebe fur italienische Wagen. Ihre Form, ihre Schnelligkeit, ihre Eleganz, ihr Komfort — einfach gro?e Klasse ohne Beispiel.«

«Wir wissen es«, sagte Ferro stolz.»Sie sind der Ausdruck unserer ewigen Sehnsucht nach Schonheit. «Dabei sah er Sabine an. Sie errotete leicht und sah zur Seite.

In Wahrheit war es Bornemeyer alles andere zumute, als in diesem Augenblick zu flirten. Da stand ein Autonarr, ohne Zweifel, und wollte sich unterhalten uber italienische Superwagen. Bornemeyer kannte keine einzige italienische Automarke, geschweige denn wu?te er, wie die Traumautos aussahen. Doch halt! Da gab es den Alfa Romeo. Naturlich. Als Kind hatte er immer gesagt: Ich fahre einmal einen Romeo! Aber wer wei?, ob es die heute noch gibt?

Ferro-Bornemeyer klemmte sein Monokel ins Auge, das er an einer Seidenschnur auf der nackten Brust trug. Es sah lacherlich aus, ein Mann in Badehose mit Monokel, aber Bornemeyer kam es lediglich auf das Gewinnen von Zeit an.

«Lieber Herr Baron«, sagte er wurdevoll.»Ich bin auf Borkum, um einmal nichts, absolut nichts von Autos zu horen. Fur sechs Wochen vollige Ruhe. Das war mein innigster Wunsch. Seit drei Jahren hatte ich keinen Urlaub. Die Autos fressen mich auf!Konnen Sie das verstehen, ohne mich mi?zuverstehen?! Immer nur verhandeln, vorfuhren, verkaufen, Neukonstruktionen ausprobieren.«

«Interessant. «Bergenfeldt setzte seinen Panamahut wieder auf.»Sie haben eine Neukonstruktion! Das nenne ich geradezu delikat. Sie mussen mir daruber genau berichten. Was es auch sei, der Wagen ist gekauft.«

Bornemeyer fuhlte ein Kribbeln in den Adern.

«Ich habe Ferien!«sagte er grob.

«Ferien?«Der Baron winkte lassig ab.»Wie kann ein Mann, der neue Autos konstruiert, jemals Ferien haben? Das ware ja widernaturlich! Beim Auto liegt die Zukunft der Welt, mein Herr! Der Motor wird das neue Herz!«

Was tun, brutete Ferro-Bornemeyer. Baron v. Bergenfeldt war nicht der Mann, der sich durch billige Reden abwimmeln lie?. Er wurde ihnen folgen, in den Seeadler, in die Dunen, sogar ins Meer! Es gibt Fanatiker, deren Hartnackigkeit todlich wird.

«Kommen Sie in vier Wochen wieder«, sagte Ferro laut.»Ich werde Sie in Bremen erwarten.«

«In vier Wochen, Herr Ferro? Ich bitte Sie! Ich bin der Aufsichtsratsvorsitzende eines Riesenwerkes. Ich werde dafur sorgen, da? alle Aufsichtsratsmitglieder Ihren Wagen fahren! Ich kaufe Ihre Neukonstruktion!«

«Sie ist noch in der Erprobung!«schrie Ferro gequalt auf.

«Dann raumen Sie mir eine Option auf die ersten zwanzig Stuck ein! Wir mussen daruber sprechen! Ich zahle funfzig Prozent an! Ist das ein Angebot?«Der Baron kam in Eifer. Er schob den Panamahut in den Nacken und kam die Dune herab.»Welche Firma bringt denn den Wagen?«

Die Frage! Da ist sie! Ferro-Bornemeyer sah in den wolkenlosen, hellblauen Himmel. Ich mochte ein Wassertropfchen sein, dachte er, und jetzt von der Sonne aufgesaugt werden. Pff, und weg, das ware herrlich. Aber er war kein Wassertropfchen, obgleich der Mensch zu achtundneunzig Prozent aus Wasser besteht, und verdunstete nicht.

«Ich vertrete die Firma >Pneumastica<«, sagte er frech.

Bergenfeldt schaute Ferro einen Augenblick verdutzt an. Man sah, wie seine Gedanken arbeiteten, wie sie suchten, wie sie sich erinnern wollten. Da es vergeblich war, schuttelte er den Kopf.

«Ich kenne alle italienischen Autofirmen. Doch der Name >Pneumastica<, vergeben Sie mir, Herr Ferro, dieser Name ist mir nicht haften geblieben.«

«Was?!«Ermano Ferro war tief gekrankt. Bornemeyer spielte es vorzuglich. Sein Monokel entfiel dem Auge und klatschte auf die nackte Brust. Er sah sogar Sabine an, als konne sie ihm bei diesem Affront des Barons zu Hilfe eilen.

«Sie kennen die alte Firma >Pneumastica< nicht? Dreimal haben wir die Goldmedaille gewonnen! Wir haben auf den Weltausstellungen in Paris, Chikago und Brussel die meisten Auftrage bekommen!«Hoffentlich war in Chikago eine Weltausstellung, dachte er.»Der Kaiser von Siam und der Radschah von Brimopur fahren nur unsere >Pneumasticas<! Beim letzten Rennen in Rio haben wir den zweiten Preis gemacht — und Sie kennen unsere Firma nicht! Sie sehen mich vollig entsetzt, Baron!«

«Erstaunlich! Wirklich erstaunlich!«Bergenfeldt wischte sich den Schwei? von der Stirn.»Das Alter, Herr Ferro. Die Erinnerungen versagen. Aber ich werde vom Hotel aus gleich meinen Sekretar anrufen, damit er in der Liste der italienischen Wagen nachsieht. Es soll nie wieder vorkommen. «Er ergriff Sabines Hand und ku?te sie galant. Unter Bornemeyer schwankte der Dunenboden. Er la?t nachsehen, dachte er. O Gott! O Gott!

Der Baron hielt noch immer Sabines Hand fest.

«Geben Sir mir Gelegenheit, es wiedergutzumachen, Gnadigste«, sagte er.»Erweisen Sie mir die Ehre«, er wandte sich an Ferro,»Sie und Ihre Frau Gemahlin zu einem kleinen Souper zu laden.«

Bornemeyer erkannte die Alternative sofort. Es gab nur zwei Wege, und jeder Weg war beschamend. Entweder er nahm die Einladung an und wurde dabei klaglich entlarvt, oder er fluchtete von Borkum und verkroch sich irgendwo. Doch wohin fluchten?

«Um acht Uhr, morgen abend?«fragte v. Bergenfeldt.»Ist es Ihnen recht?«

«Ist es uns recht?«fragte Ferro zu Sabine hin.

«Einverstanden«, sagte sie und blinzelte ihm zu.

Sie nimmt es als Scherz hin, was fur mich eine bittere Situation ist! Mit zitternden Fingern klemmte er das Monokel wieder ins Auge.

«Also gut, morgen um acht Uhr abends!«

Der Baron zog seinen Panamahut und entfernte sich diskret schnell.

Zuruck lie? er einen fast verzweifelten Bornemeyer und eine lachende Sabine Sacher.

«Er halt uns fur ein Ehepaar!«sagte sie frohlich.

«Allein dieser Gedanke macht mich benommen. «Ferro meinte es ehrlich. Sabine nahm es als ein sehr galantes Kompliment und wandte sich errotend ab.

Weg aus Borkum, dachte Ferro. Nur weg von hier. Aber wohin fahrt man mit einer schonen Frau? Allein zu fahren, verwarf Ferro. Einmal in seinem Leben hatte er es geschafft, eine schone Frau zu erobern. Jetzt klammerte er sich an diesen Hohepunkt seines Lebens und war nicht bereit, ihn wieder herzugeben.

Verliebte, Seitensprungler, Brautleute und mude Ehemanner mit neuerwachten Ambitionen reisen nach Venedig. Aber Venedig liegt in Italien, und was soll ein Italiener, der keiner ist, in Italien. Zumindest mu? er seine Muttersprache sprechen. Venedig war also undiskutabel.

Die Riviera! Wer sich an der Riviera nicht verliebt, mu? anormal sein. Das blaue Mittelmeer, die wei?en Villen unter Palmen und Agaven, die Eleganz, Lebensfreude und Gro?zugigkeit und vor allem die Hoteldirektoren, die einen Meldezettel nicht durchlesen und das >mit Frau< gelassen hinnehmen.

Langsam gingen Ferro und Sabine durch die Dunen zur Promenade. Sie sprachen kaum, nur ein paar belanglose Bemerkungen. Selbst als Sabine sagte:»Gratuliere, Ermano! In den Ferien ein dicker Abschlu?«, zwang er sich nur zu einem schiefen Lacheln.

Wohin? grubelte er. Wohin blo?? Und wie sage ich es Sabine Sacher? Freiwillig wird sie nie mitgehen!

Sabine ging neben ihm her. Sie hatte den Arm unter seinen Arm geschoben. Sie spurte durch den Bademantel die Warme seines Korpers. Wie soll das weitergehen, dachte sie wieder. Es ist ja Wahnsinn, was ich hier tue!

Sie druckte den Arm gegen seine Seite.»Warum so still?«fragte sie.

Ferro schrak zusammen.»Vergebung, Madonna!«sagte er stockend.

Вы читаете Bittersusses 7. Jahr
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату
×