Der andere ging nach Paris.

Ruckkehr dringend erforderlich. Deine Frau plotzlich sehr erkrankt. Vollige Storung des Hormonhaushaltes. Der Beistand des Mannes ist sehr erwunscht. Au?erdem stammt der Wunsch Deiner Ruckkehr von Sabine selbst

Portz!<

Eigenhandig trug er diese Briefe zur Post. Bevor er sie in den Briefkasten warf, sah er nochmals auf die Kuverts.

«Das ist das letzte Mal, da? ich Schicksal spiele«, dachte er. Dann hob er die Klappe des Briefkastens und warf die Briefe hinein.

Die Post hatte wieder sinnloses Geld verdient.

Beide Briefe kamen zu spat.

In den Dunen au?erhalb des regen Badebetriebes, gedruckt in das harte Strandgras, lagen Sabine und Ermano Ferro auf ihren Bademanteln und sonnten sich.

Sie trug einen golden leuchtenden Badeanzug. Wie eine Goldbronzehaut umschlo? er ihren schonen Korper. Durch die schwarzen Haare hatte sie ein rotes Band geschlungen. Ihre schon angebraunte Haut glanzte vom Sonnenol; auf ihren geschlossenen Lidern tanzten winzige Schwei?perlen.

Ermano Ferro sah sie oft an und seufzte leise, aber mit sudlandischem Charme. Sabine uberhorte es schicklich, aber unter den Wimpern hinweg beobachtete sie ihn.

Seine wei?e Haut, die so gar nicht nach Suden aussah, stach kra? von seinem Gesicht ab, das braun war. Ferro hatte Sabine dieses Phanomen erklart, als er sich zum erstenmal entblo?te, weil es gar nicht anders ging, denn man kann ja nicht voll angezogen neben einer dreiviertel nackten Frau in den Dunen liegen.

«Mein Beruf schreibt immer strengste Kleidung vor«, sagte er, sogar wahrheitsgema?.»Nur das Gesicht und die Hande konnen die Glut der Sonne aufnehmen. Dafur ist aber alle verlorene Glut in meinem Herzen aufgespeichert, Signora. «Und als Sabine ihn noch kritisch ansah, fugte er unter einem wohltonenden Seufzer hinzu:»Au?erdem ist mein Antlitz verbrannt unter den Strahlen Ihrer Sonne, Signora. Mein Korper hat diese Gunst noch nicht gehabt.«

Da wurde sie hellrot, wandte sich ab, legte sich auf den Bademantel und schlo? die Augen.

Eine Frau, die errotet und stumm bleibt, hat eine Schlacht verloren. Bornemeyer kannte dies nur aus Romanen und Filmen. Er machte die Wahrheitsprobe, beugte sich uber Sabine und ku?te sie. Sie wehrte ihn nicht ab, und wenn sie ihn auch nicht widerku?te, so war doch die Duldung ein vollendeter juristischer Akt. Bornemeyer meldete den Ku? demnach auch gewissenhaft an Dr. Portz, ahnungslos ob der Wirkung, die er damit in Dusseldorf erzeugte.

Der Ku? Nummer zwei war eine Uberrumpelung, von der Bornemeyer allerdings nichts schrieb. Er war neben Sabine hergegangen, war plotzlich stehengeblieben, hatte sie angeblickt und mit Spannung in der Stimme gesagt:

«Psst! Ganz still, Signora! Auf Ihrer Nase sitzt ein Kafer.«

Sabine hatte auf die Nase geschielt, aber sie hatte nichts gesehen. Desungeachtet hielt sie still.»Wo?«fragte sie nur.

«Er ist fur Sie im Moment unsichtbar. Ich sehe es ganz genau. Es ist ein Kafer von der Gattung cephalus eroticus. Ich nehme ihn jetzt weg. Ganz still halten und die Augen schlie?en.«

Gehorsam folgte Sabine dieser Anweisung. Als sie den Ku? spurte, wehrte sie sich wieder nicht; sie war auch nicht bose oder entrustet, sondern offnete nur die Augen und meinte:

«Bester Signore Ferro, das hatten Sie einfacher haben konnen. Wozu diese faden Tricks?«

Zwei Tage war das her. Zwei Tage, in denen Ferro-Bornemeyer kaum ins salzige Meerwasser ging, weil er in einem su?en Meer des Gluckes schwamm.

Heute nun lagen sie wieder in den Dunen in der Nahe der Kiebitz-Delle, sonnten sich, sprachen wenig, dachten um so mehr und hatten beide ein wenig Angst, wie es sechs Wochen lang weitergehen sollte, ohne weiter zu gehen als bisher. Ab und zu, in Abstanden von zehn Minuten, ku?te Ferro den ausgestreckten nackten Arm Sabines,»um die Hitze individuell aufzulockern«, sagte er einmal, und kam sich ungeheuer klug und witzig vor, seufzte dann jedesmal tief als Ausdruck seiner unterdruckten Sehnsucht und wagte es sogar einmal, Sabines Schenkel zu streicheln, was ihm ein» Na, Herr Ferro!«einbrachte. Da lie? er es sein und beschrankte sich auf Seufzer.

Sabine Sacher dachte bei den 10-Minuten-Intervall-Kussen intensiv an ihren Mann Peter. Nicht wegen der Kusse, die Ferro als so unverbindlich betrachtete, wie sie Sabine auch hinnahm, sondern weil ihre Gedanken sich damit beschaftigten, was wohl Peter jetzt in Paris machen wurde. Sicherlich war er in galante Abenteuer verstrickt, denn mude Stiere werden immer munter, wenn sie auf fremden Weiden grasen.

Au?erdem hatte sie gestern in Dusseldorf angerufen. Nein, hatte das Postamt ihr Auskunft gegeben, ein Peter Sacher hatte nicht nach postlagernden Sendungen gefragt. Auch ein Nachsendeantrag liege nicht vor. Das hatte sie bitter enttauscht. Peter brach alle Brucken ab. Er nahm die sechswochige Freiheit so ernst, als wolle er sich an sie gewohnen, anstatt durch sie fur die Weiterfuhrung der Ehe gelautert zu werden. Vielleicht erreichte man gerade das Gegenteil des gewollten Erfolges!

Sabine begann, angstlich zu werden. Ihr eigener Plan wuchs uber sie hinaus. Das war vielleicht auch der einzige Grund, da? sie sich von Ferro so einfach kussen lie?. Innerlich war sie vollig unbeteiligt, etwa, als wenn man zu einem Hund sagt: Gib Ku?chen! Seine gelackten Haare und der Menjoubart stie?en sie sogar ab. Nur Geist hatte dieser Ferro, das erkannte sie an. Der Gedanke aber, sich in ihn zu verlieben, war absurd.

Sabine legte den Kopf zur Seite und schlo? die Augen. Mudigkeit uberfiel sie unter dem warmen Lichtmantel der Sonne. Alle Gerausche um sie herum schienen wie in Watte gepackt zu sein. Nur das Meer rauschte herrlich, bis es zu einem Wiegen wurde, das sie hinubertrug in den Schlaf.

Sie wu?te nicht, wie lange sie so gelegen hatte. Es war ein Dammerzustand, ein Schweben an der Oberflache des Schlafes, in dem man die Gerausche vernimmt wie ein Summen. Als sie die Augen offnete und in die Sonne blinzelte, sah sie Ermano Ferro auf dem Rucken liegen und mit seiner gro?en Sonnenbrille spielen. Er wartete korrekt, bis sie aus ihren Traumen erwachte. Sie fand es anstandig von ihm.

«So nachdenklich?«fragte sie.

Mit einem Ruck drehte sich Ferro zu ihr.

«Gut geschlafen, Signora?«

«Ich habe nur ein wenig getraumt.«

«Von mir, Carissima?«

Sabine schuttelte lachend den Kopf.»Leider nicht, Ermano. Ich traumte vom Meer.«

Ferro hob die Fauste und schuttelte sie.»Dieses Meer!«rief er leidenschaftlich.»Ich bin eifersuchtig auf das Meer. Es darf dich umarmen, wenn du hineinsteigst, und es darf dich kussen, wohin es will! Oh! Ich mochte nur ein Tropfen dieses Meeres sein!«

Ferro-Bornemeyer kam in Schwung. Ein herrlicher Gedanke kam ihm. Er erfa?te beide Hande Sabines und zog sie an seine Brust.

«Sabine, wir werden das Meer bestrafen! Fahren wir hinaus zu den Robbenriffen. Mit einem kleinen Boot! Und dort will ich dich kussen, bis das Meer neidisch wird!«

«Sind alle deine Landsleute so sturmisch?!«

«Wir leben zwischen Vesuv und Atna. O Favorita, wir sind selbst Vulkane!«

Er wollte sie wieder sturmisch kussen, aber ein Rauspern hielt ihn zuruck. Oben, auf dem Kamm der Dune, stand ein Herr in einem wei?en Anzug und sah auf sie hinab. Auf dem Kopf trug er einen Panamahut. Er stutzte sich auf einen Bambusstock und sah so aus, wie man sich wohlsituierte Herren vorstellt.

Der ungebetene Beobachter Ferroscher Liebessentenzen zog hoflich den Hut, machte ein zerknirschtes Gesicht und sagte, mit einem Blinzeln in den Augenwinkeln:

«Verzeihen Sie einem alten Mann, wenn er die Unterhaltung junger Leute stort, vor allem, wenn sie so verliebt sind wie Sie. Aber ich habe Sie gesucht und freue mich, Sie gefunden zu haben, Herr Ferro.«

Bornemeyer erbla?te unter seiner Schminke. Er kennt mich, durchrann es ihn hei?. Das hei?t, er kennt einen Ermano Ferro! Ich habe nie gedacht, da? es wirklich einen Menschen mit solchem Namen gibt. Ich habe ihn mir selbst erdacht.

Ferro erhob sich langsam. Er klopfte sich den Seesand von der Badehose und atmete tief durch. Kuhnheit war die einzige Rettung. Bornemeyer wurde kuhn.

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