>Seeadler<, dachte er, bevor er den Brief aufri?! Bornemeyer sollte doch in die >Seeschwal-be< ziehen! Im Adler wohnt Frau Sacher, da hat der Bornemeyer gar nichts zu suchen.

Mit einem unguten Gefuhl im Magen ri? er das Kuvert auf. Dann las er den Brief, und es begann jener Zusammenbruch seiner physischen Beherrschung, der durch lautes Aufstohnen wahrend der Lekture begleitet wurde.

>12… 21.10 Uhr. Ankunft in Borkum. Leicht seekrank. Fahre mit Bimmelbahn zur >Seeschwalbe<.

12… 22.10 Uhr. Kein Zimmer in der >Schwalbe< mehrfrei. Ziehe um in den >Adler<. Werde Frau Sacher noch heute abend sehen.

12… 23.00 Uhr. Habe mit Frau Sacher gesprochen. Wir haben uns geeinigt. Schlafe bis auf weiteres mit ihr zusammen.<

An dieser Stelle warf Dr. Portz den Brief weg, als gehe er in Flammen auf. Er vergrub das Gesicht in beide Hande und schwankte im Sitzen. Dann sprang er auf, schrie durch die Tur gellend» Kognak!«, warf einige Gesetzessammlungen sinnlos gegen den Bucherschrank und benahm sich tatsachlich wie ein Irrer.

«Schlafe bis auf weiteres mit ihr zusammen.«

Dr. Portz hatte das Gefuhl, ein gluhendes Eisen schnure seinen Kopf ein. Er dachte an Peter Sacher, der brav in Paris bei seinem Freund sa?, und an seine Pflicht als Anwalt, ihm diesen Vorfall zu berichten. Wie sollte er Peter Sacher mit den Mitteln der Logik klarmachen, da? diese trube Tasse von Assessor Bornemeyer, der ausgeschickt worden war, eine Ehefrau zur Rettung der Ehe zu beobachten, plotzlich selbst den Scheidungsgrund lieferte?

Die Konsequenzen waren unubersehbar. Ein Angestellter des Anwaltsburos legt sich mit dem Beobachtungsobjekt einfach ins Bett, es entstehen Ehebruch, Betrug, Scheidung, und das alles unter dem Auftrag, eine Ehe zu flicken.

Dr. Portz war in einer verzweifelten Lage. In Paris wartete Peter Sacher auf den ersten Bericht. Er war brav, lie? sich nichts zuschulden kommen, jedenfalls waren keine nachteiligen Meldungen aus Paris gekommen. Und an diesen korrekten Ehemann, der sich wirklich bemuhte, in sich zu gehen, mu?te man jetzt schreiben: >Lieber Peter, Deine Frau liegt mit meinem Assessor Bornemeyer im Bett!<

Unausdenkbar! Dr. Portz rieb sich den Schwei? vom Gesicht und warf das Tippfraulein, das ihm eine Flasche Kognak brachte, brullend aus dem Zimmer.

Man hatte den irrsinnigen Auftrag gar nicht annehmen sollen, dachte er. Es bewahrheitet sich immer wieder! Es ist leichter, eine Ehe zu scheiden, als eine angeknackste wieder zu leimen. Au?erdem ist ein Sack blutdurstiger Flohe leichter zu huten als eine schone Frau.

Auf keinen Fall aber hatte man Bornemeyer wegschicken durfen. Ein gehemmter Typ wie er wird zum Raubtier, wenn man ihm alle Zugel nimmt. Das hatte man wissen sollen. Ein Scheidungsanwalt ist dann gut, wenn er auch ein guter Psychologe ist.

Dr. Portz entkorkte die Kognakflasche und trank erst einmal drei Doppelstockige. Das beruhigte ihn etwas. Seine Gedanken wurden klarer. Der scharfe Alkohol brannte die Erregung fest.

Man mu? sich das alles reiflich uberlegen, dachte er. Man mu? einmal daruber schlafen, morgen sieht alles anders aus. Nur eines ist sicher: Bornemeyer mu? sofort aus Borkum zuruck!

Plane sind dazu da, da? man sie schmiedet. Ob sie ausgefuhrt werden, hangt von vielen Dingen ab, an die man nicht denkt und die plotzlich vorhanden sind. Der schonste Plan aber ist nichts wert, wenn fur ihn eine Grundlage fehlt. Fur Dr. Portz bedeutete die weitere Durchsicht der Post das Wegrutschen aller gedanklichen Plattformen.

Unter dem Berg von Briefen sah er einen langlichen herausragen, der eine franzosische Marke trug. Noch bevor er ihn ganz herauszog, wu?te er, wer der Absender war. Mit zitternden Fingern ri? er ihn auf:

>Bester, guter Ernst!

Paris — ich wollte, ich konnte Dir den Duft dieser Stadt auf die Zunge legen, damit auch Du etwas von dem Gluck mitbekommst, das mich umfangt. Wie herrlich mu? der Tod Adonis' gewesen sein, der an der Liebe starb.

Guter Freund: Ich liebe! Wirklich! Ich liebe! Ich brenne! Yvonne hei?t sie. Ihre Lippen sind ein See, mit Nektar gefullt. Ihre schwarzen Locken hullen mich ein wie ein seidenes Gespinst. Ihre Augen, ihre Hande, ihr Lacheln, ihr Gang, die Neigung ihres Kopfes, ihr Hals, ihre Brust (soll ich weiter aufzahlen, es wurde kein Ende nehmen) — alles an Yvonne ist ein trunkener Ku?. Ich friere bei dem Gedanken, da? in sechs Wochen alles vorbei sein soll. Ich schaudere in meinem Rosenbett bei dem Gedanken an Dusseldorf und an die stillen, schlafrigen Abende in Kaiserswerth.

Hier bin ich ein Mensch — hier kann ich 's sein!

Hebe das Papier dieses Briefes an die Lippen und spure, wie Blutenduft ihm entquillt. Es ist das Parfum Yvonnes. In diesem Hauch des Paradieses lebe ich undfuhle die Jugend wieder in meinen Adern.

Beneide und begluckwunsche mich. Des Gluckes ist kein Ende mehr.

Dein Peter.<

Dr. Portz hob den Brief nicht an die Nase und schnupperte das Parfum des Paradieses — er schleuderte das Papier in den Papierkorb und griff zum Kognak.

Sabine Sacher mit meinem Assessor Bornemeyer und Peter Sacher mit einer Yvonne, die Lippen wie Nektarseen hat. Das war auch fur einen Riesen wie Portz nicht zu verkraften.

Das Ma? der Dinge aber sprengte ein zweiter Bericht Assessor Bornemeyers, den Dr. Portz als untersten Brief hervorzog. Als er den Poststempel sah, warf er das Schreiben erst einmal weit weg und setzte sich erschopft in einen der Sessel, in denen sonst seine klagenden Klienten sa?en und ihn mit trauriger Miene glaubenheischend belogen.

So geht es nicht weiter, das war der Gedanke, der sich im Gehirn Dr. Portz' immer wiederholte und der wie ein Kreisel durch seine Hirnwindungen lief. Die ersten drei Tage des Eheexperimentes sind bereits eine Katastrophe. Wie wird es erst aussehen, wenn sechs Wochen herum sind? In 42 Tagen kann, wenn es so weitergeht, die Erde von der Blutrache in den Strudel Sacherscher Entgleisungen gezogener Familien uberschwemmt sein!» Nur eins gibt es«, sagte Dr. Portz laut zu sich selbst.»Sie mussen alle wieder zuruck nach Dusseldorf! Amerikanische Psychologie ist eben nichts fur einen Rheinlander!«

Nach dieser Selbstberuhigung holte er den zweiten Brief Bornemeyers aus der Ecke und las ihn.

>13. — 10 Uhr morgens. Treffe mich mit Sabine Sacher im Kaffeesalon. Su?e Frau! Gesteht mir, da? sie zur Zeit vollig ungebunden ist. Kann als ehewidrig ausgelegt werden! Ich pflichte ihr bei, was sie zu ermutigen scheint. Anschlie?end Wanderung durch die Dunen.

11.27 Uhr. Habe Sabine geku?t. Ku?t wunderbar. Zeugen: Ein Strandwarter, zwei Badegaste (Namen und Anschriften in der Anlage) und ein Fischer. Sabine ist entzuckend. Haben uns fur 14 Uhr zum Baden verabredet. Zum Abschied wieder Ku?.

12.05 Uhr. Zeugen: sieben Kurgaste auf der Promenade (Namen und Anschriften in der Anlage) und zwolf Kinder im Alter von 5-13 Jahren. Da minderjahrig, als Zeugen nicht vorschlagbar.

Nachster Bericht ubermorgen.

gez. Bornemeyer.<

Dr. Portz zerknullte den Brief in seiner Hand. Den Papierknodel warf er irgendwohin.»Dieses Theater ist zu Ende!«brullte er gegen die Wand, vor der er stand.»Beide kommen zuruck! Und ich sperre sie so lange in meinem Buro ein, bis sie wie die Turteltauben um meinen Schreibtisch gurren! Und wenn's ein Jahr dauert! Und Bornemeyer, Bornemeyer.«

Dr. Portz ballte die Fauste. Sie sahen aus wie Schmiedehammer. Er wu?te nicht, was er mit Bornemeyer tun wurde, aber irgend etwas tat er.

An diesem Morgen empfing Dr. Portz keine Klienten mehr. Sogar ein Generaldirektor mu?te gehen. Die Auskunft» Kann ich die kleine Wohnung meiner Geliebten als Betriebsunkosten von der Steuer absetzen?«gab ihm der Burovorsteher.

Dr. Portz schrieb zwei Briefe.

Einen an Ferro-Bornemeyer. Strikte Weisung, sofort, sofort!!! zuruckzukommen. Mit Sabine Sacher! Wie Bornemeyer das schaffte, war seine Sache. Hatte er es geschafft, mit Frau Sacher im Doppelbett zu schlafen, wurde er auch das schaffen!

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