Yvonne schuttelte den Kopf, Sie verstand ihn nicht.

«Du gehorst zu den beruhmten Ehemannern, die sooo unglucklich sind? Das ich dir nicht traue zu. Non! Ich verstehe es nicht.«

«Ich auch nicht, Yvonne. Das ist es ja!«Er stand auf und ging an den Sonnenvorhang. Er wagte nicht, ihn zur Seite zu schieben. Margot gegenuber konnte sich noch immer sonnen, und das verwirrte ihn wieder.»Wir sind jetzt sieben Jahre verheiratet. Wir lieben uns. Ist das nicht merkwurdig?«

«O non, das ist ja Sinn von Ehe.«

«Aber wir haben uns nichts zu sagen! Verstehst du?«

«Non! Wer liebt, 'at immer zu sagen, und nicht nur mit Wort. Immer, Pierre.«

Peter Sacher hob hilflos die Arme.»Wie konntest du es auch verstehen? Du bist ein anderer Mensch. Du lebst in Paris, in dir ist ein seliger Hauch von Lebenskunst. Ihr habt das Denken in der Liebe abgeschafft, ihr liebt nur. Und das ist besser, viel, viel besser.«

«Und jetzt bist du gekommen nach Paris, um zu lieben eine andere Frau?«

«Nein. Ich wollte sechs Wochen allein sein und denken. Uber alles nachdenken. Siehst du, das ist ja das Dumme an uns, wir wollen eine Liebe retten durch Grubeln! Sabine ist genauso.«

«Sabine ist sie?«

«Ja. «In einem Doppelzimmer, dachte er giftig.

Yvonne war aufgestanden und auf ihn zugekommen. Jetzt nahm sie seine Hand und streichelte sie.»Ich glaube, du denkst schon wieder, Pierre.«

Er nickte. Plotzlich zog er ihre Hand empor und ku?te sie. Yvonne lie? es geschehen. Aber sie wehrte sich, als er sie zu sich heranzog, sich niederbeugte und ihre Lippen kussen wollte.

«Nein, Pierre«, sagte sie leise und drehte den Kopf zur Seite.»Nicht.«

«Ich will vergessen, Yvonne.«

«Du kannst sie nicht vergessen. Das ist Luge. Du willst nur Ra-che nehmen fur gekrankten Stolz. Aber isch bin keine Rache, isch bin Frau wie Sabine.«

«Du bist eine wundervolle Frau!«

Sie sah ihn einwenig traurig an.»Warum bist du nicht wundervoller Mann, Pierre?«

Spater sa?en sie wieder nebeneinander auf der Couch und tranken stumm ihren Whisky-Soda. Die Sonne verbla?te langsam. Sie versank wie ein gluhendes rundes Stuck Eisen hinter den Dachern. Die Ziegel wurden violett. Der Sonnenvorhang vor der Fensterwand war zuruckgezogen. Fahlheit verbreitete sich im Zimmer. Auf einem Kissen lag Papillon und schnarchte leise.

Peter Sacher stellte sein Glas zuruck und erhob sich.

«Jetzt werde ich wohl gehen mussen«, sagte er laut.»Ich werde aus dem Schlie?fach 178 meine Kleider holen und.«

«Und dann?«Yvonne hielt seine schlaff am Korper herunterhangende Hand fest.»Warum du gehen mussen, Pierre? Wartet Freund auf dich?«

«Er ist verreist. «Er entzog ihr seine Hand.»Aber dein Amerikaner konnte kommen.«

«Es gibt keinen Amerikaner. «Yvonnes Lacheln war starr.»Es war alles nur Scherz, Pierre. Kleiner Scherz, um Schutz zu 'aben. Meine Freunde sind die Farben, die Sterne, der Mond, die Sonne, die Schwalben, ab und zu der Hunger und die Tauben, die jeden Morgen 'eruberkommen von Sacre-Creur und ihre Brotkrumen 'olen.«

«Du bist ganz allein, Yvonne? Du?«

«Isch 'aben meine Kunst. «In ihren Augen flimmerte es.

«Und, und die Liebe?«

«Sie kommt und geht, wie Tag und Nacht. Sie ist Natur wie Regen und Sonne.«

«Und die gro?e Liebe, die bleibende?«

Yvonne lachelte schwach.»Glaubst du noch an Wunder, Pierre?«

Peter setzte sich wieder und blickte in sein leeres Glas. Yvonnes Nuchternheit dem Leben gegenuber, ihre Illusionslosigkeit, obwohl sie Kunstlerin war, stie?en ihn in eine andere Welt. Es mag stimmen, dachte er. Wir denken alle zu romantisch. Aber was ware das Leben ohne dieses bi?chen Traum? Mein Gott, ware es wert, zu leben, ohne die kleine Illusion, unsterblich lieben zu konnen?

Er sah zur Seite. Die Nahe Yvonnes, ihre nackten Arme, die er an seinen Handen fuhlte, der Duft ihres Haares, der Schwung ihrer Bruste und die kleinen Fu?e, die nackt in Pantoffeln aus bemaltem Ziegenleder staken, das weite Atelier mit den vielen Bildern, die Glaswand, vor der die Nacht von Paris stand — es war ihm, als habe er gar nicht anders gelebt als in der Nahe Yvonnes. Es war alles plotzlich so selbstverstandlich. Trotzdem sprang er auf und griff nach seiner hellgrauen Cuthose.

«Ich werde gehen«, sagte er rauh.

Yvonne schuttelte den Kopf.»Bitte, bleib, Pierre.«

«Ich kann nicht, Yvonne. Ich habe schon einmal gesagt, ich bin schrecklich unmodern.«

«Nur dein schrecklicher, au?erer Panzer, Pierre. Da, im Herzen, leg die Hand drauf und fuhl es, Pierre, da bist du nicht unmodern. Da bist du nur ein Mensch, wie sie waren seit tausend Jahren.«

Peter Sacher blieb.

Sie machte ein Abendessen. Die letzten Buchsen offnete sie. Es gab Thunfisch, Wei?brot, etwas Kase und ein Stuckchen mageren Speck. Dazu tranken sie aus kleinen Wasserglasern Wermutwein.

«Warum hast du mich mitgenommen in deine Wohnung?«fragte Peter. Er hatte den Arm um ihre nackten Schultern gelegt. Sie hat eine Haut wie ein Pfirsich, dachte er.

«Du tatest mir leid, Pierre.«

«Ich tat dir leid! Aber wieso denn?«

«Wie du da standest mit deinem grauen Cut, mit dem 'ohen, schrecklichen Zylinder auf dem Kopf, Gesicht rot wie Tomate, und alle Leute dich gucken an und lachen 'inter vorgehaltenes Programm, da dachte isch: Armes Kerl! Wei? nicht, wie dumm er aussieht. Da 'abe isch geschickt Papillon zu dir.«

«Was?«Peter Sacher fuhr herum und ri? Yvonne an sich.»Du hast den Dackel auf mich gehetzt? Welch ein Luder bist du. Das kostet einen Ku?, Yvonne.«

Er wollte sie kussen, aber Yvonne bog den Kopf wieder zuruck.

«Wie rauh du bist, du deutscher Barbar. «Mit beiden Handen fuhr sie ihm in die Haare und schuttelte seinen Kopf.»Nicht einmal kussen kannst du! Was soll denken deine Sabine, wenn du zuruckkommst aus Paris und kannst nicht einmal richtig kussen? Schon deshalb mu?t du bleiben, du dummer, lieber, wilder Pierre. Ich will dich kussen lehren, mon ami, und deine Sabine wird glucklich sein.«

VIERTES KAPITEL

Wenn man einen Stock in einen Ameisenhaufen steckt, werden hunderttausend Ameisen wild und gehen zum Angriff uber.

Wenn an diesem Tage jemand den Rechtsanwalt Dr. Portz ansprach, konnte es geschehen wie im Ameisenhaufen: Er wurde attackiert.

Was sich hinter der dicken Cheftur abspielte, konnte man im Buro nur ahnen, an den schreienden Anweisungen, die ab und zu per Telefon oder Haussprechanlage durch die Anwaltsraume gellten. Zu Dr. Portz zu gehen, war ein Wagnis, vergleichbar mit dem Streicheln eines soeben gefangenen Tigers. Wer es trotzdem wagte, wurde von der Donnerstimme Dr. Portz' erfa?t; sie war wie ein Starkluftgeblase, das jeden wieder zur Tur hinauswirbelte.

Der Anla? solcher unwirscher Behandlungen war unbekannt. Lediglich der Burovorsteher, der eine Unterschriftenmappe ins Chefburo getragen hatte, kam verstort zuruck und berichtete, da? Dr. Portz wie ein gebrochener Mann hinter seinem Schreibtisch hocke, mit schlaffen, hangenden Wangen, krauser Stirn und gebeugter Gestalt.»Als ob er einen Schlag bekommen hatte!«sagte der Burovorsteher.

Begonnen hatte dieser erschreckende Zustand nach der Durch-sicht der Post. Unter den vielen Gerichtsschreiben und Schriftsatzen der Gegenparteien war auch ein Brief aus Borkum gekommen.

Absender: Ermano Ferro, Automobile en gros, z.Z. Borkum, Hotel >Seeadler<.

Niemand im Buro beachtete das Schreiben. Nur Dr. Portz fiel der Absender bereits unangenehm auf. Wieso

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