verstehen immer.«

«Yvonne!«

«Geh! Bitte, geh.«

Sie ergriff einen Pinsel, knipste die starken Scheinwerfer wieder an und malte grelle Farben auf das Bild.

«Nicht so, Yvonne. Es war eine schone Zeit in Paris. Wir haben uns gut benommen. Es wird uns zwar keiner glauben, und jeder wird sagen: Dieser Peter Sacher ist ein Idiot, ein Ubermensch, ein anormaler Traumer, aber.«

«Aber! Aber!«Yvonne fuhr nervos mit dem Pinsel uber die Leinwand.»Was ist dieses Aber?! Ich liebe dich, mein Gott, 'ast du das nie gemerkt?! Ich 'abe Papillon auf dich gehetzt, aus einer Laune 'eraus, um ein Erlebnis zu 'aben. Aber jetzt liebe ich dich.«

Sie sah, da? Peter ins Zimmer zuruckkam und streckte ihm wie eine Waffe den tropfenden Pinsel entgegen:»Nein! Bleib stehen! Geh! Du siehst doch: Ich lose die Welt in Quadrate, Kreise und Rechtecke auf. Ich analysiere sie, wie meine Gefuhle! Und was bleibt ubrig? Nichts! Gar nichts! Geh!«

«Du bist ungerecht, Yvonne. «Er nahm ihr den Pinsel aus der Hand. Sie lie? es geschehen, ihre Finger waren schlaff, als seien sie Glieder einer Stoffpuppe.»Du wei?t, da? ich eine Frau habe.«

«Warum bist du dann 'ier?«schrie sie wild.

«Ich habe es dir erzahlt. Wir lebten uns auseinander, seit Jahren verstehen wir uns nicht mehr, ich habe Erfolg im Leben gehabt, ich habe geschuftet. Ich habe eigentlich alles nur fur meine Frau getan. Und jetzt wird mir gesagt: >Du hast meine Seele getotet. Du bist eine lebende Rechenmaschine.< Es ist eine Kluft aufgerissen, und ich wei? nicht, woher sie kommt. Darum haben wir uns getrennt, um zu sehen, ob wir uns brauchen.«

«Und du liebst deine Frau?«

«Ja.«

«Warum gehst du nicht zu ihr?«

«Soll ich mich auslachen lassen? Soll ich zu Kreuze kriechen?! Ich habe ein sorgloses, reiches Leben geschaffen und soll mich beschimpfen lassen und Reue zeigen? Reue woruber? Da? ich erfolgreich bin?«

«Der 'err der Welt! Der Mann, der Mittelpunkt der Erde! Wir Frauen 'aben eine Seele, mein Freund! Du 'ast, wie sagt man bei euch, durch dein Wirtschaftswunder das 'erz deiner Frau zerstort. Sie ist allein geblieben. Sie ist einsam. Sie friert in der Pracht, die du geschaffen hast! Denn du fehlst ihr, du!«

«Ich bin immer bei ihr! Jeden Tag!«

«Ja! Ja! Als angezogener, schwatzender Korper! Aber ist deine Seele bei ihr? Verstehst du, da? sie allein ist, auch wenn du da bist?«

«Nein. Ich liebe sie, und sie hat alles, was sie sich wunscht. Eine Villa, Kleider, Pelze, Schmuck.«

«Sie wurde alles, alles wegwerfen, wenn sie dich wieder hatte!«Yvonne strich sich uber die Haare.»Ich kann sie so gut verstehen«, sagte sie leise und wandte sich ab.»Und nun geh endlich, Pierre!«

Peter Sacher nickte.»Gut. Ich gehe. Ich sehe, da? alle Frauen mich wegsto?en.«

«Weil du sie nicht verstehst. Wurdest du sie verstehen, wie konntest du gehen.«

«Yvonne!«Er ergriff ihren Arm und ri? sie an sich.

«Geh!«schrie sie.»Geh!«Mit beiden Fausten trommelte sie gegen seine Brust.»Du 'ast eine Frau! Eine Frau! Eine Frau!«

«Ich habe nichts mehr!«sagte Peter dumpf.»Ich bin wie ausgehohlt. Was morgen ist, ob ich Sabine liebe, ob sie mich liebt, ob du mich liebst, ich wei? gar nichts mehr. Ich bin wie ausgesetzt, ich kenne mich in mir selbst nicht mehr aus.«

Er hielt ihre trommelnden Fauste fest und zog ihren Kopf zu sich.

Sie wandte ihn ab, aber er drehte ihn zu sich hin und ku?te leidenschaftlich ihre fest zusammengepre?ten Lippen.

«Yvonne, es geht uber meine Kraft«, sagte er leise.

Sie lachelte mit geschlossenen Augen und schob die Arme um seinen Hals.

«Es wurde auch niemand verstehen, wenn du jetzt gingst«, flusterte sie.

Mit dem linken Arm tastete sie zur Seite und loschte das Licht.

Sabine wu?te nicht, wie lange sie geschlafen hatte. Ihre Erinnerung setzte da aus, wo sie das Gesicht eines alteren Herrn sah, der zu ihr sagte, er sei ein Arzt. Er hatte ihr vaterlich-gutig zugesprochen, dann hatte sie einen kleinen Stich in der Armbeuge gespurt, und von da ab kam ein Dammern uber sie, das uberflo? in einen herrlichen Traum.

Zwei frohliche Menschen tollten am Meer. Sie warfen sich jauchzend in die schaumenden Wellen, ihre braunen Korper glanzten in der Sonne. Es war ein herrlicher Traum, denn beide glucklichen Menschen waren Peter und Sabine.

Geweckt wurde Sabine durch ein eintoniges Schaukeln und das Klatschen von Wasser gegen eine Wand. Als sie die Augen aufschlug, nahm sie erst nur ein fremdes Zimmer wahr. Die Erinnerung kam langsam zuruck, aber dann, als sie ihre Umgebung erkannte, sprang sie mit einem spitzen Schrei auf.

Eine Kajute, ein auf hoher See fahrendes Schiff, Nacht!

«Hilfe!«schrie sie.»Hilfe!«

Ferro-Bornemeyer, der unter dem Bullauge eingenickt war, scho? empor. Er erreichte Sabine gerade noch, bevor sie die Tur der Kajute aufgerissen hatte, und hielt sie zuruck.

«Favorita!«rief er.

Sabine wirbelte herum.»Ha!«schrie sie.»Wo sind wir? Was soll das? Sind Sie total verruckt geworden?«

Ferro fuhrte sie zu einem Sessel zuruck und druckte sie hinein.

«Es ist gar nichts passiert«, sagte er beruhigend.»Bitte, schreien Sie nicht, Madonna. Ich habe Sie blo? entfuhrt.«

«Was, was haben Sie?«stammelte Sabine.»Sind Sie vollig ubergeschnappt?«

«Wir mu?ten an diesem Abend noch die Insel verlassen! Ich mu?te fort nach Nizza! Aber ohne Sie, Favorita! Nie! Sie schliefen so fest nach der Injektion, da habe ich Sie, wie einst Cleopatra, in eine Decke gehullt aus dem Hotel und aufs Schiff geschmuggelt. «Er griff in die Tasche und holte zwei Fahrkarten heraus.»Es ist fur alles gesorgt, auch fur den eingetretenen Fall, da? Sie vorzeitig aufwachen.«

«Sie Wahnsinniger!«Sabine begrub das Gesicht in beide Hande. Dann sprang sie wieder auf und rannte in der kleinen Kajute hin und her.»Das gibt einen Skandal! Oh, welch einen Skandal gibt das! Ich bin doch verheiratet! Was soll man in Borkum von mir denken? Wenn mein Mann das erfahrt! Oh, Gott!«

«Er wird es nie erfahren! Er ist in Paris, wie Sie sagen, wir fahren nach Nizza! In Nizza wird alles anders sein. Dort treffen wir keinen Bekannten. Dort sind wir ganz allein, mit uns und unserer Liebe.«

«Liebe?«Sabine fuhr sich durch die zerwuhlten Haare.»Was bilden Sie sich eigentlich ein, Herr Ferro? Ich liebe meinen Mann!«

«Du hast ihn verlassen — oder nicht?«

«Wir machen Ferien. Getrennte Ferien, weiter nichts!«

«Du hast gesagt, da? eure Ehe auseinanderbricht!«

«Das habe ich geglaubt. Mein Gott, von dem Augenblick an, in dem ich allein war, habe ich ihn vermi?t. Uberall fehlt er mir! Ich wollte, er ware jetzt hier.«

«Ich bin doch da.«

«Sie? Ja, Sie sind da! Sie Irrer! Sie waren bis jetzt ein lieber, guter Freund. Ein Ferienabenteuer, weiter nichts. Gut, wir haben uns geku?t! An einem Ku? stirbt man nicht, auch unsere Ehe nicht! Ich habe mir nichts dabei gedacht, ich wollte frohlich sein, weiter nichts. «Sie wich zuruck, weil Ferro auf sie zukam.»Bleiben Sie stehen!«sagte sie scharf.»Ich wei?, es hat keinen Sinn, jetzt zu schreien und einen neuen Skandal heraufzubeschworen. Ob ich mit nach Nizza fahre, wird sich zeigen, zuerst werden wir ja in Emden ankommen.«

«Ich habe alle Fahrkarten fur uns.«

«Die kann man zuruckgeben!«Sabine setzte sich. Ihre Beine wurden plotzlich weich. Peter, dachte sie. Wenn er jemals erfahrt, was hier vorgefallen ist. Es war ein Gedanke, der nicht weitergedacht werden durfte. Er war zu schrecklich.»Wie wollen Sie meinem Mann erklaren, da? Sie mich entfuhrt haben?«

«Ich bin wahnsinnig in Sie verliebt, Madonna.«

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