«Sofort!«Heinz streckte den Arm aus und zeigte auf einen Felsen, der an der Autostra?e fast unmittelbar in das tintenblaue Meer abfiel. Um seinen Fu? tummelten sich Segler und Jachten.»Siehst du das steinerne Wunder, Freund?«

«Den Klotz? Allerdings.«

«Und auf ihm das bescheidene Hauschen?«

Peter Sacher sah Heinz von der Seite an. Was soll's, dachte er.

«Ein Marchenpalast«, sagte er.

Heinz v. Kletow zog Peter ein Stuck des Weges fort und blieb dann wieder stehen. Wie im Anblick des herrlichen wei?en Hauses versunken, starrte er zu dem jetzt nahen Felsen hinuber.

«Das Ganze ist eine au?erst solide und lebensnahe Geschichte«, meinte er.»Es gehort einem Grafen Fiorini.«

«Die Geschichte?«

«Das Haus, du Depp!«

«Graf Fiorini? Kein Begriff.«

«Mir auch nicht. Ich habe ihn nie gesehen. Der Graf ist dauernd auf Reisen. Um sein Haus nicht verkommen zu lassen, hat er einen Verwalter eingesetzt. Dieser Verwalter hat eine dicke, ha?liche Frau, kannst du mir folgen?«»Schwer. Ich verstehe noch gar nichts. Ha?liche, dicke Frauen waren nie mein Typ!«

«Dieser Verwalter ist immer genau uber die Reiseroute seines Herrn orientiert, weil er ihm die Post nachschicken mu?. So hat er Gelegenheit, sich eine dicke Nebeneinnahme zu verschaffen: Er vermietet das Haus!«

«Gauner!«

«Der Mietpreis ist nicht sehr hoch. Dafur bekommen das Haus aber auch nur Eingeweihte. Grundbedingung ist Verschwiegenheit.«

Peter Sacher betrachtete seinen Freund kritisch. Irgend etwas stimmte hier nicht. Mit solch langen Vorreden hatte sich Heinz v. Kle-tow nie aufgehalten.

«Was soll das?«fragte er.»Wozu erzahlst du hier die traurige Moritat vom Grafen Fiorini und seinem dickbeweibten Verwalter?«

«Ich habe das Haus gemietet!«

«Du? Bist du wahnsinnig?«

Peter Sacher sah noch einmal hinuber zu dem von der Brandung umspulten Felsen. Eine riesige Villa mit gro?en Terrassen und einem kunstlich angelegten Zypressenpark, mit Wasserspielen und Brunnenkaskaden, Springbrunnen, Rosenbeeten und wei?en Kieswegen. Sitz eines unerme?lich Reichen. Ein Traumschlo?. Und Heinz v. Kletow bewohnte es?

«Wie willst du denn das bezahlen?«stammelte Peter.

«Sprich nicht von Geld!«Kletow hob die Hand. Er wischte die Worte Peters weg.»Es gibt zwei Worte, die mich rasend machen: Geld und Frauen! Jedes Wort auf seine Art.«

«Also pleite!«

«Dummheit! Pleite kann nur der sein, der etwas hatte. Wer nichts gehabt hat, kann nie pleite sein. Das ist das Gute an der ganzen Sache: Man kommt sich nie ratlos vor. Ich leide lediglich an chronischer Zahl Verge?lichkeit.«

«Das ist ja wohl dasselbe!«

«Nicht ganz. Es gibt da dialektische Unterschiede. Du wirst es als uberkorrekter Mensch nie verstehen. Warum bist du eigentlich nicht

Beamter geworden?«

«Heinz! Ich — «

«Reden wir nicht davon! Zuruck zum Grafen Fiorini. Ich habe die Villa gemietet. Ich habe sie sogar bis heute bewohnt!«

«Unglaublich. In der Tat.«

«Aber nun, gerade heute, will der Verwalter einen Gegendienst.«

«Ohne Dialektik: Geld!«

Heinz v. Kletow verzog das Gesicht.

«Ich sagte klar: Gegendienst! Das Wort Geld macht mich ubel! Der Verwalter und ich hatten ein Abkommen getroffen: Da wir uns auf eine Barsumme nicht einigen konnten.«

«Deine Dialektik ist bezwingend«, lachte Peter.

«.vereinbarten wir, da? Leistungen meinerseits in Naturalien zu erfolgen hatten.«

«Du willst einen Gemuseladen aufmachen?«

Heinz v. Kletow sah Peter strafend an.»Warum nennst du Cou-cou Gemuse?«

«Was hat denn Coucou mit Gemuse zu tun?«

«Eben!«

«Der Verwalter, sagtest du, verlangt statt Miete Naturalien.«

«Genau!«Heinz steckte die Hande in die Hosentaschen und sah wieder hinuber zu dem wei?en Schlo?.»Willst du bestreiten, da? Coucou keine Naturalie ist?«

«Heinz!«Peter Sacher ri? seinen Freund am Arm zu sich herum.»Das ist Kuppelei!«

«Welch ein ordinarer Mensch du doch bist! Wie kann man so ausfallig werden? Die Lieferung von Naturalien fallt unter den Begriff der Ernahrung.«

«Du willst doch nicht im Ernst behaupten, da? Coucou zur Ernahrung des Verwalters beitragt?«

«In erster Linie zu seinem korperlichen Wohlbefinden.«

«Unerhort!«

«Unerhort ist nur die Sucht der Moralisten, dort Moral zu lesen, wo keine ist! Schon im Altertum war es ublich, Mietruckstande durch

Austausch netter Sklavinnen zu begleichen.«

«Wir leben nicht zur Zeit Trajans, sondern im 20. Jahrhundert!«

«Deswegen sind die Sklavinnen doch nicht ha?licher geworden? Nur die Namen haben sich geandert. Fruher hie?en sie Hetaren, heute hei?en sie.«

«Schon gut! Schon gut!«Peter Sacher sah sich um. Es war ihm peinlich, da? Heinz so laut und ungeniert sprach. Auch wenn es Deutsch war, so gab es auch in Nizza genug Leute, die die deutsche Sprache verstanden.»Wir werden also Coucou dort oben bei dem Verwalter wiedersehen.«

«Nein!«

«Aber du hast doch gesagt?«

«Du wirst nie meine Gedankengange verstehen!«

«Wie dem auch sei, fahren wir erst einmal hinauf zu deinem Traumschlo?. «Peter Sacher sah sich um. Kleine, bunte, leichte Eselskarren warteten am Stra?enrand. Es war eine neue Attraktion Nizzas, mit der die Reisenden zu den Hotels und Pensionen gefahren wurden.»Nehmen wir solch einen Karren, was?«

Heinz v. Kletow hielt den Arm Peters fest, bevor dieser einen der Eselskarren herbeiwinken konnte.

«Noch einen Augenblick. Ich habe noch eine Fortsetzung meiner Moritat: Der Verwalter wiegt 210 Pfund. In seiner Jugend war er Halbschwergewichtsmeister von Nizza. Er schlagt heute noch eine schnelle und knallharte Rechte. Au?erdem front er der niedrigen Eigenschaft, nicht mit sich feilschen zu lassen.«

«Ich habe mit ihm nichts zu feilschen. Wir nehmen einen Karren und fahren hinauf.«

«Auf deine Verantwortung!«

Peter winkte einen der Eselskarren heran und stieg in das wackelige Gefahrt. Heinz blieb auf der Stra?e stehen. Nachdenklich sah er hinuber zu der wei?en Villa.

«An mich denkst du wohl nicht?«fragte er.»Er wird mit mir nicht handeln wollen.«

«Was sollte er auch? Du hast ihm Coucou als leckeren Blumen-kohl geliefert.«

«Einen Dreck habe ich!«

«Was?«Peter sprang aus dem Eselskarren und druckte dem verblufften Kutscher zwanzig Francs in die Hand. Dann zog er Heinz in eine Turnische.»Coucou ist nicht oben im Schlo??«

«Wie sollte sie das wohl? Glaubst du, sie gibt sich zu solch einem Handel her? Sie liebt mich!«Heinz tupfte sich die Stirn mit einem nach Rosen duftenden Seidentaschentuch ab.»Ich habe dem Verwalter Naturalien versprochen, geliefert habe ich noch nichts! Woher auch? Bin ich ein Madchenhandler?

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