Sabine ist doch Unsinn. Wir gehoren einfach zusammen.

Er rief doch eine Taxe heran und lie? sich uber die Seine zum Boulevard Haussmann fahren. Was schon viele Ehemanner vor ihm getan hatten, tat auch Peter Sacher: Er suchte fur Sabine ein Geschenk aus. Auch das ist eine merkwurdige Ansicht der Ehemanner: Mit einem Geschenk an die eigene Frau besanftigen sie ihre Reue. Seht, wie lieb ich zu ihr bin, denken sie dann. Was ich ihr alles mitbringe, das da aus Paris oder Hamburg oder Koln, na ja, das Leben ist manchmal wie Glatteis, und man rutscht aus. Und das Geschenk wascht einen seelisch rein. Je gro?er, um so grundlicher. Denken die Ehemanner.

Peter Sacher ging uber den Boulevard Haussmann und sah sich die Schaufensterauslagen an. Vor einem Juwelierladen blieb er stehen und starrte fasziniert auf ein Collier aus Gold und blutroten Rubinen. Es lag auf einer schwarzen Samtpuppe und funkelte. Wie untergehende Sonnen leuchteten die Rubine. Der Preis, in diskret kleinen Ziffern, war wahnsinnig.

Schon immer hatte sich Sabine ein Collier gewunscht, dachte Peter Sacher. Zwar nicht solch ein wertvolles, aber wenn sie ihr Abendkleid trug, fehlte wirklich etwas um ihren wei?en, schonen Hals.

Lange stand er vor dem Schaufenster. Ihm gegenuber, hinter der seidenen Gardine, die die Fenster vom Laden trennte, stand der Juwelier und beobachtete ihn. Er schatzte ihn ab, kein Franzose, das war sicher. Auch kein Englander oder Amerikaner. Vielleicht ein Schwede, ein Schweizer, ein Hollander, schlimmstenfalls ein Deutscher. Man wurde auf Barzahlung bestehen mussen.

Ein Mann, der seine Frau betrogen hat, obgleich er sie liebt, ist fur weitere Torheiten pradestiniert. Das mu? irgendwie mit einem seelischen Schock zusammenhangen. Hier hatten die Psychologen noch ein reiches Forschungsgebiet! Peter Sacher folgte jedenfalls dem uralten Drang der Wiedergutmachung und betrat den Laden. Vorher hatte er seine Reisekasse durchgerechnet. Ihm blieb noch so viel, da? er nach Nizza fahren konnte.

Der Kauf war schnell getatigt. Die Barzahlung verscheuchte alle unangenehmen Gedanken des Juweliers. Er packte das Collier in einen roten Samtkasten, verschnurte und versiegelte das Paket im Beisein Peters, zahlte dreimal die Geldscheine, sah, da? es keine Fal-schungen waren, und geleitete Peter zufrieden bis vor die Tur.

Etwas benommen stieg Peter Sacher wieder in eine Taxe und lie? sich zuruck zum Gare d'Orleans fahren. Auf den Knien lag ein Vermogen. Fur Sabine, die er mit Yvonne, fur seine Frau, die er wegen eines dummen Experimentes, obgleich er sie liebte, sechs Wochen lang. Er wischte sich uber das Gesicht. Wie idiotisch wir uns benehmen, dachte er zum ungezahlten Male. Wenn ich wu?te, da? Sabine mich nicht fur einen Schwachling halt, wurde ich zu ihr nach Borkum fahren, statt nach Nizza. Ich wurde sie in die Arme nehmen und — Aber ebensogut kann sie mich ansehen, als sei sie tief beleidigt, und fragen:»Was machst du denn hier? Nicht einmal in den Ferien hat man Ruhe vor dir! Ubrigens, in der Halle des Hotels steht ein Fernsehgerat. Heute abend gibt's eine Revue. Viel Vergnugen.«

Mit einem Rubincollier in der Tasche und wahnsinniger Sehnsucht nach Sabine fuhr Peter Sacher nach Nizza.

Durch seinen Juwelenkauf hatte er den Fruhzug verpa?t. Der Mittagszug war von der Sonne ausgegluht. Peter zog seine Jacke aus, krempelte die Hemdsarmel hoch und las in einigen Buntprospekten der Riviera, bis der Zug anruckte und aus dem Backofen der Bahnhofshalle rauschte.

Die herrliche Provence erlebte er im Abendrot. Die Weingarten sahen aus, als habe man sie mit Rotwein ubergossen. In Avignon wurde der Zug auf ein totes Gleis geschoben und blieb die Nacht uber stehen.

Peter kaufte von einem Bahnhofshandler einige Kekse, Kase und eine kleine Flasche Wein, a? dies als Abendmahlzeit und zog dann die Sitze heraus, um zu schlafen.

Mit dem rechten Arm als Kopfkissen schlief er ein. Unter seinem Kopf lag die Aktentasche mit dem Rubinschmuck. Vorher hatte er die Abteiltur verriegelt und das Fenster kontrolliert. Es konnte von au?en nicht geoffnet werden.

Er traumte schrecklich. Sabine, im Traum, nahm das Collier, wog es in der Hand und sagte:»Du Schuft! Um mir das zu schenken, mu?t du mich tausendmal betrogen haben!«und warf es ihm an den Kopf.

Schwei?gebadet wachte er auf. Der Zug fuhr durch das morgenhelle Sudfrankreich, der Kuste des Mittelmeeres entgegen. Zerschlagen ruckte Peter das Fenster hinunter und steckte den brummenden Schadel in die kalte Morgenluft. Der Zugwind blies ihm ins Gesicht, ri? an seinen Haaren. Die ersten Pinien und Zypressen tauchten auf. Ab und zu schon eine Palme, windzerzaust. Ein Dichter wurde sagen: Er roch schon das Meer.

Durch Tunnel und Felsen ratterte der Zug. Peter wusch sich auf dem Zug-WC, rasierte sich elektrisch, lie? sich ein Kannchen Kaffee bringen und starrte hinaus auf die schon subtropisch werdende Landschaft.

Dunst hing uber den Weingarten und Felsendorfern. Plotzlich, als ob man einen Schleier wegzieht, zerri? der Dunst, und in strahlendster Sonne lag wie eine blaue, riesige Scheibe das Mittelmeer vor seinen Augen. Ein Zypressenwald wiegte sich im Meerwind. Wei?e Villen klebten wie bizarre Vogelnester an den Felsen, zu deren Fu?en die See emporschaumte. Auf dem unwahrscheinlichen Blau des Wassers schwebten die wei?en Segel der Boote oder schaukelten die Jachten, mit bunten Fahnen und Girlanden umkranzt.

Dann sah er Nizza. Eine wei?e Stadt an einem goldenen Strand, so schien es. Hotels mit Riesenterrassen reihten sich wie Perlen an der wei?en Schnur der Uferpromenade. Palmen wogten im Wind, Luxusautos glitten langsam uber das in der Sonne flimmernde Pflaster.

Langsam, als stocke er vor soviel Schonheit auf einem kleinen Fleck Erde, fuhr der Zug in die Glashalle des Bahnhofes ein. Ein Heer von Gepacktragern und Hotelboys bevolkerte den Bahnsteig und belagerte die Ausgange.

Auf einer wei?en Bank sa? ein langer, schmaler, englisch wirkender Herr in einem wei?en Tennisanzug, rauchte eine lange, gebogene Virginiazigarre, hatte ein hochmutiges, schon snobistisches Gesicht, trug seine Tennisschuhe an nackten Fu?en und hatte die Hosen so

hochgezogen, da? jeder sah: Er tragt keine Strumpfe.

Heinz v. Kletow.

Peter sah ihn schon von weitem, als der Zug langsam in die Halle rollte. Man konnte ihn nicht ubersehen. Er fiel auf, und er lebte davon. So war es schon vor drei Jahren gewesen, als Heinz v. Kle-tow zum letztenmal mit Peter Sacher zusammen war. Was Frankreich und vor allem Paris in diesen drei Jahren aus Heinz gemacht hatten, war im Augenblick noch nicht zu ubersehen. Eines war aber sicher: Geandert hatte er sich nicht.

Wenn Manner nach langen Jahren sich wiedertreffen, brullen und schreien sie sich an, als wollten sie sich an den Kragen. Sie hauen sich auf die Schulter, schlagen sich den Hut vom Kopf, boxen sich in die Rippen, benehmen sich wie ausgebrochene Irre und lassen im Umkreis von hundert Metern alle wissen, wie herrlich es ist, den Fritz oder Franz oder Willi endlich wiederzusehen.

Es ist, als seien sie allein auf der Welt. Die staunenden Mitmenschen erfahren, da? sie gut verdienen, da? es ihnen blendend geht, da? man eine su?e Frau habe, oder eine verdammt feurige Geliebte, und da? die siebte gerade dabei sei, einen Tee zum Empfang zu kochen.

Dann fa?t man sich unter, entschuldigt sich nicht, wenn man andere anrempelt, weil man es gar nicht merkt, rennt aus der Bahnhofshalle und brullt sich weiter an. Was man in Jahren erlebte, teilt man in funf Minuten mit. Selbst auf anwesende Jugendliche nimmt man keine Rucksicht.

Das alles gehort, ein Geheimnis, warum, zu einer echten mannlichen Begru?ung.

Heinz v. Kletow verfeinerte die Begru?ung nach dem ersten Sturm durch eine kleine Schau. Er stellte Peter Sacher mitten auf den Bahnhofsvorplatz und zeigte mit gro?er Gebarde um sich.

«Wei?t du, was das ist?«

«Nizza, du Idiot!«

Der Umgangston zwischen Freunden bedarf noch einer grundlichen moraltheoretischen und sprachwissenschaftlichen Untersuchung.

Er gehort zu den ungelosten Phanomenen.

«Nein!«Heinz v. Kletow stand wie eine Saule.»Mein Untergang!«

Peter Sacher winkte ab und lachte.»Heinz, mach dir keine Illusionen! Ich bin vollig abgebrannt!«

«Geld!«Kletow zeigte ein verachtliches Gesicht. So mu? er aussehen, dachte Peter, wenn Frauen zu ihm von Liebe sprechen.»Wer spricht vom Mammon? Wer wird beim Anblick der Palmen, des wei?en Strandes und des braungebrannten Madchenfleisches so prosaisch sein? Nein! Nizza bedeutet fur mich den Untergang meiner Moral!«

«Oh!«Peter Sacher lockerte den Schlipsknoten.»Es kann sich da hochstens um ein Wrack handeln, das endlich untergeht. «Er stie? Heinz in die Seite.»Nun los, quatsch nicht so kariert. Wo ist dein Wagen? Wo liegt deine wei?e Villa?«

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