«Schrecklich, schrecklich! Sie erreichen genau das, was ich verhindern wollte: Sie zerstoren meine Ehe.«

«Da ist nichts mehr zu zerstoren«, sagte Ferro-Bornemeyer frech.»Ein Doppelzimmer mit einem Mann, die spanische Wand ist dabei unwichtig, unsere Kusse unter Zeugen, das alles reicht schon fur eine Scheidung! Und im ubrigen reden Sie sich jetzt nur ein, da? Sie Ihren Mann noch lieben.«

«Nein! Es stimmt, da? wir uns wenig zu sagen hatten. Ich war eifersuchtig, auf seinen Beruf, weil er keine Zeit fur mich ubrig lie?, auf seine Erfolge, weil sie ihn mir entfremdeten, auf seine Reisen, weil ich vor Eifersucht platzte. Wenn er dann zuruckkam, wenn er im Bett lag und schlief, bin ich wieder aufgestanden und habe seine Taschen kontrolliert. Ich habe Hotelrechnungen gesucht, Kellnerbelege, Adressen und Telefonnummern von Frauen. Ich habe an seinem Anzug herumgeschnuppert wie ein Hund, ob nicht ein fremdes Parfum an ihm klebte. Ich habe neben ihm gelegen und sein Gesicht angesehen: Was denkst du jetzt, habe ich gegrubelt. Was geht hinter dieser Stirn vor? Welche anderen Lippen hat dieser Mund geku?t? Welche Geheimnisse liegen hinter diesen Haaren? Vergangen bin ich vor Eifersucht. Und am Morgen war ich einsilbig, knurrig, bose, aber ich war zu stolz, ihm zu sagen, warum ich so war. Einmal habe ich es getan, da hat er mich schallend ausgelacht und mich ein Schaf genannt. Von da ab habe ich alles in mich hineingefressen, um nicht wieder ausgelacht zu werden. Ich habe alles, alles falsch gemacht! Und jetzt sind Sie Wahnsinniger da und entfuhren mich auch noch!«

«Ich wurde dich auf Handen tragen, wenn du meine Frau warst«, sagte Ferro kuhn. Wie er das machen wollte, daruber dachte er nicht nach. Das Gehalt eines kleinen Assessors ist nicht in der Lage, eine Frau wie Sabine Sacher zu verwohnen.»Ich werde zu deinem Mann fahren.«

«Nichts werden Sie! Ich werde versuchen, ihm alles zu erklaren. Ich werde reumutig nach Dusseldorf zuruckkehren und nichts mehr sagen, gar nichts, wenn ich wieder nur ein Einrichtungsgegenstand seiner Villa bin, ein lebendes Inventar, ein Prellbock seiner Launen und nach au?en hin ein Renommierpuppchen seines Wirtschaftswunders. «Sie fuhr zu Ferro herum, der wie geschlagen neben der Tur stand.»Ich liebe meinen Mann! Und von Emden aus fahre ich zuruck nach Dusseldorf!«

Ferro-Bornemeyer nickte.»Dort werden Sie funfWochen ganz allein sein. Denn Ihr Mann vergnugt sich sechs Wochen lang in Paris! Er wird keine Stunde davon abziehen, oder glauben Sie das?«

«Wenn ich ihm schreibe: Peter, komm.«

«Machen Sie den Versuch!«

Sabine Sacher wandte sich ab. Wurde Peter kommen, wenn sie ihm schrieb? Sie wu?te es nicht. Vielleicht lachte er wieder und schrieb zuruck: Unsere sechs Wochen wollen wir durchstehen! Du hast es so gewollt! Wieder uberfiel sie die Ungewi?heit und die Angst vor der Scham, von ihm ausgelacht zu werden. Wie wenig kennt man seinen Mann, dachte sie.

«Ich werde es tun«, sagte sie. Sie wu?te, da? sie ihm nicht schreiben wurde. Er ist ein Dickkopf. Ich kann es auch sein. Wenn man nur einmal sehen wurde, da? ihm alles leid tut. Es ware ja alles so einfach und herrlich.

Was Ferro-Bornemeyer nie geglaubt hatte, geschah in Emden.

Sabine erklarte sich bereit, mit nach Nizza zu fahren.

«Aber zwischen uns ist eine Distanz wie unter guten Freunden!«stellte sie fest.»Wir vergessen, da? wir uns jemals geku?t haben! Ich fahre nur deshalb nach Nizza, um meinen Mann von Paris nachkommen zu lassen!«

«Naturlich!«

Bornemeyer war bereit, alles zu akzeptieren. Die Gegenwart Sabines allein genugte ihm, dazu Nizza, das Mittelmeer, die Palmen und die Illusion, reich zu sein.

Der kleine Mann Bornemeyer erlebte ein Marchen, das ein anderer bezahlte. Und er war bereit, fur dieses kurze Marchen alles zu opfern und alle Konsequenzen zu tragen.

Im Gare d'Orleans stauten sich die Menschen vor den Fahrkartenschaltern. Zeitungsjungen riefen die Morgenblatter aus. Irgendwo hatte ein Politiker gesagt, die Lage sei noch nie so ernst gewesen. Die zu den Zugen hastenden Menschen horten kaum hin. Es vergeht keine Woche, in der ein Politiker nicht so etwas sagt. Vielleicht gehort es zur Berechtigung ihrer Gehalter, so etwas zu sagen. Wer wei? es?

Auf einer Bank des Bahnsteigs 1 sa? Peter Sacher und wartete auf seinen Zug nach dem Suden. Nach Nizza.

Er kam sich schlecht vor, und er hatte allen Grund, einen seelischen Kater mit sich herumzufuhren.

Als er am Morgen das Haus Rue Championnet 25 verlie?, hatte er nur einen Gedanken gehabt: Sofort zuruck nach Dusseldorf!Er hatte Yvonne verlassen, so, wie sie es wollte. Wahrend sie schlief, hatte er sich weggeschlichen, war in die Rue de Sevres gefahren, hatte seinen Koffer gepackt und war hinausgefahren zum Gare d'Or-leans.

Aber er kam nicht weit. Schon zwei Stra?en von der Rue de Sevres entfernt stie? er mit einem Milchwagen zusammen, weil er von Sabine traumte.

Drei Stunden dauerte das Polizeiverhor, das Abschleppen in die Werkstatt, dann endlich fuhr er mit einer Taxe zum Bahnhof, etwas verstort, nun auch noch ohne Wagen, denn die Reparatur, ein neuer Kuhler samt zwei Kotflugeln, wurde mindestens vier Wochen dauern.

Peter Sacher war in diesem Augenblick alles gleichgultig. Er kam sich von Kopf bis Fu? elend vor.

Das Erlebnis mit Yvonne bedruckte ihn. So oft er sich auch sagte, da? es hunderttausend Ehemanner gibt, die mit weniger oder gar keinen Skrupeln ihre Frauen betrugen — fur sich nahm er diese billige Entschuldigung nicht an.

Er hatte in den vergangenen Tagen in seltener Klarheit erkannt, da? ihm trotz Paris, trotz Coucou, trotz Yvonne Sandou seine Frau Sabine fehlte. Uberall. Beim Morgenkaffee schon fing es an. Niemand war da, der sich aufregte, weil er die Zeitung las, und der zu ihm sagte: >Morgens liest du, am Tage bist du weg, am Abend liest du oder siehst fern, im Bett liest du, bis dir die Augen zufallen und dann schnarchst du! Ist das eine Ehe?< Es war uberhaupt niemand da, der ihn ansprach. Es war schrecklich.

Das Mittagessen ging reibungslos vonstatten. Yvonne kochte, und man a? punktlich um 12 V2 Uhr. In Dusseldorf war das anders. Da rief er aus seinem Buro an: >Du, ich komme heute erst um 2 Uhr.< Sabine rief dann wutend: >Ich habe heute Reibekuchen gemacht! Die kann ich nicht warm halten!< >Gut<, sagte er dann. >Ich komme punktlich!< Und er kam weder um 2 Uhr noch um 2 V2 Uhr, es wurde 3 Uhr. Sabine sa? wortlos im Sessel und stopfte, und er ging in die Kuche und sah einen Berg kalter Reibekuchen. >Saue-rei!< hatte er dann gebrullt und war in eine Wirtschaft essen gegangen. Kam er abends nach Hause, hatte Sabine rotgeweinte Augen, sprach immer noch nicht mit ihm, ging ins Bett, weil er wieder am Fernsehapparat hockte. Das alles war hier nicht. Hier verlief der Tag reibungslos, unpersonlich.

Ihm fehlte Sabine, wo er hinsah und was er tat.

Hatte er deshalb Yvonnes Nahe gesucht, um die Gedanken und seine Einsamkeit zu betauben? Wenn er sich ehrlich darauf eine Antwort gab, mu?te sie nein lauten. Er war einfach nicht stark genug gewesen, Yvonne auszuweichen. Er war ihr erlegen. Er war kein Uber-mensch gewesen, und niemand konnte es auch von ihm verlangen. Trotzdem aber kam er sich Sabine gegenuber schabig vor. Sie hatte es nicht verdient, hintergangen zu werden. In diesen Tagen hatte er es erkannt! Er brauchte sie. Er liebte sie. Sonst ware er auch nie auf den verruckten Gedanken gekommen, Sabine aus einer unerhorten Eifersucht heraus beobachten zu lassen.

Das war der Augenblick, in dem Peter Sacher vom Gare d'Orle-ans wegfahren wollte, um am Gare du Nord in den Zug nach Dusseldorf zu steigen. Aber schon auf dem Wege zum Taxenstand uberlegte er.

Bis heute hatte Sabine nicht aus Borkum geschrieben. Dr. Portz wurde es berichtet haben. In Borkum bewohnte sie ein Doppelzimmer! Sie war eine schone, lebenslustige Frau, die bestimmt nicht allein in einer Ecke sa? und voll Heimweh an Dusseldorf dachte. Wenn es ihr Ernst mit einem Zuruckfinden in der Ehe gewesen ware, hatte sie langst geschrieben: Peter, komm zuruck. Wir waren ja verruckt! Wir benehmen uns wie Kinder, nicht wie erwachsene, reife Menschen. Sie hatte uberhaupt nichts geschrieben. Also ging es ihr gut! Sie amusierte sich. Es brauchte nicht so weit zu gehen wie zwischen ihm und Yvonne, aber.

Bei diesem >aber< wurde Peter Sacher bla? vor Eifersucht. Es verletzt die mannliche Wurde, in einem Ehekonflikt als erster beizugeben. Manner werden immer wie trotzige, kleine Jungen, wenn sie keinen Ausweg mehr wissen. Peter Sacher machte da keine Ausnahme.

Er ging an dem Taxenstand vorbei, stand an der Stra?enecke und kam sich in der Riesenstadt verloren vor. Zunachst fahre ich nach Nizza, dachte er. Das ist klar. Und wenn ich zuruckkomme nach Dusseldorf, werde ich ja sehen, was aus Sabine in diesen sechs Wochen geworden ist. Wenn sie mir nur ein klein wenig entgegenkommt, nur ein ganz klein wenig, wird es werden wie in den Flitterwochen. Verdammt, das schwore ich! Ein Leben ohne

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