die Finger gleiten lie?.

«87 Francs und 33 Centimes«, sagte Kletow.»Du bist zwar reich, mein Freund, aber fur ein gutes Bett drei Nachte lang reicht es nicht. Komm, gehen wir!«

«In drei Tagen bin ich weg! Das verspreche ich dir!«Peter Sacher steckte das Geld wieder ein. Er nahm seine beiden Koffer von der Stra?e und ging Heinz v. Kletow nach, der elegant, die Blicke auf sich ziehend, vorausschritt wie ein Millionar oder Meistergauner.

Spater, nachdem sie Peters Koffer in einem gro?en Strandzelt, das sie mieteten, abgestellt hatten, gingen sie wieder uber die Promenade, Arm in Arm, durch die Sonne, das Meer und die Landschaft versohnt. Die herrlichste Uferstra?e Europas ist die von Nizza. Palmen wiegen sich im warmen Meerwind, uber die Terrassen der Hotels klingt leise Musik, die Fassaden und der Sand des Strandes blenden mit ihrem Wei?. Schone Frauen sitzen in Korbsesseln oder wei?lackierten Boulevardstuhlchen unter bunten Sonnendachern und lassen sich bewundern.

Heinz v. Kletow nickte, als Peter einige begeisterte Blicke auf sie warf.

«Unter sudlicher Sonne gedeiht eine gute Rasse«, sagte er weise.»Orchideen, die du mit Goldwasser begie?en mu?t. Nimmt man einfaches Leitungswasser, fangen sie an zu stinken.«

«Wie witzig du bist«, sagte Peter gereizt.

«Ein guter Ehemann wie du wird das nie verstehen! Junge, Jun-ge, was hat unsere Sabine blo? aus dir gemacht!«

Es gibt Menschen, die werden vom Alltag erschlagen. Sie sitzen dann herum, stieren Locher in die Tapete, essen die Suppe mit der Gabel, sehen einen, wenn man sie anspricht, mit den Augen eines sterbenden Tieres an, als wollten sie sagen: Seht, es geht zu Ende! Sie sind eben in einem Zustand volliger geistiger Verstortheit.

Da? solche Symptome bei einem Riesen wie Dr. Ernst Portz auftraten, war unheimlich. Der Buchhalter und der Burovorsteher, die Tippmadchen und der Postbote sahen ihn wie ein Wrack hinter seinem Schreibtisch sitzen. Er hing auf seinem Stuhl wie ein hingeworfenes Handtuch, schlief nachts nur unter Hilfe von Brom, ja, es schien fast, als sei er plotzlich abgemagert und der Talar ihm zu weit geworden.

Das Leben hatte es bisher gut mit ihm gemeint, bis zu jenem Tag, an dem der eingeschriebene Brief an E. Ferro, Borkum, Pension >See-adler<, als unbestellbar zuruckkam mit dem Vermerk: >Adressat nach Kopenhagen verreist<.

Was Dr. Portz flehentlich als >unmoglich< herbeisehnte, bestatigte die Mittagspost: Auch der Brief an Sabine Sacher kam zuruck. Verreist nach Kopenhagen!

«Sie sind zusammen gefahren«, sagte Dr. Portz dumpf. Dann vernichtete er die Schreiben, gab telefonisch ein Telegramm an Mai-tre Emile Caravecchi in Paris durch mit der dringenden Bitte, alles zu versuchen, Peter Sacher zu einer Ruckkehr nach Dusseldorf zu bewegen. Sofort! Mit dem Flugzeug!

Maitre Caravecchi antwortete prompt nach vier Stunden. Das Telegramm, das der Burovorsteher hereintrug, als kame er zu einem Schwerkranken, lautete:

>peter sacher ausparis verschwunden — stop — neues ziel unbekannt — stop

— nach ermittlungen festgestellt da? sacher auf dem boulevard haussmann ein collier im werte von 27.000 neuen francs gekauft hat — stop — abreise nach kauf — stop — vermuten abschiedsgeschenk furfreundin — stop — ver-

mute da? auch reise nicht allein erfolgte — stop — caravecchi<

Das Leben war fur Dr. Portz wirklich traurig geworden.

Eine zersprungene Ehe zu flicken, ist schlimmer, als 30 Esel zu uberreden, einen Karren zu ziehen. Bei den Eseln hat man immerhin noch die Hoffnung, da? sie gehorchen. Aufgescheuchte Eheleute sind storrischer. Es gibt deshalb auch mehr Scheidungsanwalte als Standesamter.

Was Bornemeyer in Kopenhagen wollte, war Dr. Portz vollig ratselhaft. Eine ganz leise Hoffnung hatte er, da? sich alles als harmlos herausstellen wurde. Vielleicht hatte Sabine ihren Plan geandert und war nach Danemark weitergefahren. Bornemeyer, getreu seinem Auftrag, war hinterhergefahren. So konnte es sein. Es gab aber auch noch andere Moglichkeiten. An sie wagte Dr. Portz nicht zu denken, ohne vor sich selbst rot zu werden.

Das Verhalten Peters war absolut ehewidrig. Der enthusiastische Brief aus Paris hatte es bewiesen, das Collier und das Verschwinden aus Paris waren nur eine Folge davon. Er hatte sich diese Yvonne zugelegt und war im Augenblick moralischen oder gar ehelichen Zuspruchen vollig abhold. Sabine durfte davon nie etwas erfahren. So etwas regelt man unter Mannern und Freunden hinter der vorgehaltenen Hand. Aber wenn Sabine und Bornemeyer.

Dr. Portz begriff es nicht. Es war auch zu schwer zu verstehen, da? eine so elegante und verwohnte Frau wie Sabine plotzlich an einer so faden Nudel wie diesem Bornemeyer Gefallen finden konnte. Das alles war so absurd, da? Dr. Portz zum erstenmal in seinem Leben vor der Frage stand, ob der Mensch im Grunde genommen doch nicht ganz fertig von der Schopfung geliefert worden war.

Was man zunachst tun konnte, war nichts. Man mu?te warten. Irgendwie lost sich alles auf. Und dieses untatige Warten war es, was Dr. Portz die Nerven raubte. Wissend um die Dinge mu?te er zusehen, wie sich Unglucke zusammenbrauten, deren Verhinderung ihm aus der Hand genommen worden war.

Gegen Mittag brachte die Sekretarin einen Stapel Zeitungen ins

Buro. Meistens uberflog Dr. Portz nur die Uberschriften der Artikel und die Schlagzeilen, um dann den Wirtschaftsteil und die Gerichtsberichte genauer zu studieren. Widerwillig nahm er deshalb die erste Zeitung und blickte uber die erste Seite. Eine Uberschrift sprang ihn an und schuttelte ihn durch.

Ein Hochstapler auf Borkum?

Dr. Portz bekam einen steifen Nacken. Wie Blei lag es ihm im Genick. Das ist nicht wahr, sagte er immer wieder. Das ist nicht wahr.

Aber es war so. Der Artikel wurde nicht anders, auch wenn Dr. Portz schweratmend bei jeder Zeile sagte:»Das ist Wahnsinn!«

Wie uns aus Borkum von einem Kurgast, dem Baron B., berichtet wird, hat dort seit einigen Tagen ein ubler Hochstapler sein Unwesen getrieben. Als italienischer Millionar und Autohandler Ermano Ferro auftretend, in der besten Pension wohnend, versuchte er, die Kurgaste zu betrugen. Er bot Luxusautos einer nicht existierenden italienischen Autofirma >Pneu-mastica< an und versuchte, hohe Anzahlungen zu kassieren. Nur der Wachsamkeit des Barons B. war es zu verdanken, den Betruger, der mit ei-nerKomplicin auftrat, zu entlarven. Leider waren die Galgenvogel schon ausgeflogen, als die Polizei sie verhaften wollte. Nach Aussagen des Portiers der Pension sollen sie in Richtung Kopenhagen geflohen sein. Man nimmt aber an, da? diese Adresse falsch ist und nur zur Tauschung gegeben wurde. Das Paar, dem es nicht gelang, einen Kurgast zu schadigen, mu? noch in Deutschland sein. Beschreibung der Betruger: Der Mann

— 1,85 bis 1,90gro? (!), uberschlank…

«Bornemeyer! O Bornemeyer!«stohnte Dr. Portz und warf die Zeitung weg. Er vergrub sein Gesicht in beide Hande und sa? eine Zeitlang wie versteinert. Der Burovorsteher, der nach mehrmaligem Klopfen den Kopf ins Chefzimmer steckte, schlo? schnell wieder die Tur. Der Anblick war erschreckend.

Es mu? etwas geschehen, dachte Dr. Portz. Es ist unmoglich, untatig herumzusitzen und abzuwarten. Aber was soll man machen?

Bornemeyer ist niemals in Kopenhagen. Peter Sacher amusiert sich irgendwo in Frankreich mit einer anderen Frau. Das alles ist kein Grund, uber den Rundfunk Peter zu erreichen oder die Kriminalpolizei einzuschalten. Was die Zeitung da von Bornemeyer erzahlte, war absoluter Unsinn. Die Zeitung! Dr. Portz sah einen Lichtblick.

Er rief die Redaktion an. Er stellte sich als Anwalt des beschuldigten >Hochstaplers< vor und bat um genaue Auskunft, wie dieser irrsinnige Artikel erscheinen konnte.

Die Auskunft war klar und doch verworren: Der Bericht war von einem Reporter durchgegeben worden, der ebenfalls zur Erholung auf Borkum weilte. Als Zeugen wurden angegeben: Baron v. Ber-genfeldt, der Portier vom >Seeadler<, die Direktion und einige Herren der Kurverwaltung. Nur der Boy sagte gut aus… er hatte funf Mark Trinkgeld bekommen. Er schied als befangen aus.

Dr. Portz rief Borkum an. Die Direktion des >Seeadlers< war noch immer konsterniert. Sie berichtete kurz: Herr Ferro sei bei ihnen abgestiegen, habe mit Frau Sacher ein Doppelzimmer bewohnt, mit Einverstandnis der Dame ubrigens, was man heute verstehen konne, denn es handelte sich um ein Gauner-Duo! Alles andere sei

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