Kapital in Anspruch nahmen. Sie besuchten sogar die teuersten und exklusivsten Hotels unter dem Vorwand, einen Herrn zu suchen, der sich >Carambolage< nannte. Allein dies beweist die infantile Stimmung, in der sie waren. Sa?en in den Foyers unter Kristallustern und vor marmornen Wanden an parfumierten Springbrunnen, gingen wie Millionare durch die Dachgarten und lehnten an den Sonnenterrassen des Monbijou. Sie flirteten mit verfuhrerischen Frauen, deren Lebensaufgabe die Verfuhrung war, erzahlten nie erlebte Abenteuer aus dem Dschungel Bengalens und verlebten einen Nachmittag in der Sonne eines kunstlichen Luxus'. Zwei Vagabunden, vor denen die Kellner dienernd die Turen aufrissen.

Gegen Abend setzte Heinz v. Kletow seinen Freund in einer rauchigen, nach Fisch stinkenden Kneipe am Hafen ab.

«Hier bleibst du, bis ich wiederkomme«, sagte er.»Ich werde fur unser weiteres Wohl sorgen.«

Peter sah sich um. Praparierte Fische hingen von der Decke, der Wirt stand hinter der Theke und priemte, die Wirtin war angetrunken und sang mit einem quietschenden Radio um die Wette, an einem runden Tisch hockten einige finstere Gestalten, tranken Anisschnaps und spielten Karten. In ihren Gurteln trugen sie lange, feststehende Messer.

«Gibt es keinen anderen Ort?«fragte Peter Sacher leise.

«Das schon. Aber keinen, wo du fur 5 °Centimes einen Pernod bekommst und drei Stunden sitzen bleiben kannst.«

«Und wo willst du hin?«

«Geld beschaffen.«

«Warum darf ich da nicht mit?«

«Weil wir es nie bekommen wurden, wenn du dabei warst. Ich bin in einer Stunde wieder da!«

Unwillig, ein wenig angstlich, blieb Peter in der Hafenkneipe zuruck. Die singende Wirtin knallte ihm ein Glas Pernod auf den Tisch und schrie:»Soixante Centimes!«Das waren zehn Centimes mehr, als Heinz gesagt hatte. Aber nach einem Blick auf den priemenden Wirt, die praparierten Fische und die mit feststehenden Messern spielenden Manner am Nebentisch wagte er nicht zu reklamieren und zahlte 6 °Centimes.

Dann starrte er hinaus auf den Hafen und dachte an Sabine. Noch zwei Tage, dachte er. Dann fahre ich zuruck nach Dusseldorf. Dann ist mein Geld da! Dann hole ich Sabine zuruck, und wenn sie am Nordpol ist! Und dann gebe ich ihr das Rubincollier. Gott, was sind wir doch fur Schafe gewesen, sieben Jahre lang aneinander vorbei-gegangen zu sein.

Unterdessen hatte Heinz v. Kletow einen seiner unverschamten und doch genialen Gange unternommen. Er traf sich mit der sonnenhungrigen Contessa auf der Promenade. Neunzehn einviertel Minuten brauchte er, bis er nach einigen Kussen dazu kam, ihr zu erklaren, da? er vergessen habe, seine Bank zu besuchen, die jetzt geschlossen hatte, und da? er ohne einen Pfennig Geld bis morgen fruh da sa?e. Die Contessa half ihm aus und gab ihm funfhundert neue Francs. Er steckte sie in die Tasche seines Anzuges, als sei es schmutziges Papier, das man nicht auf den Boden einer so vornehmen Promenade wirft, verbrachte nochmals siebzehn einviertel Minuten mit der Contessa, entschuldigte sich dann und rannte zuruck zum Hafen. Dort loste er Peter aus, der leichtsinnigerweise einen zweiten Pernod trank (er mochte ihn gar nicht), aber die Wirtin hatte, als er das Glas leer hatte, ohne zu fragen ein zweites hingestellt. Peter wagte auch dieses Mal nicht, dagegen zu rebellieren. An der Theke schnitt der Wirt mit einem riesigen Messer Knoblauch in Wurfel.

«Komm«, sagte Heinz v. Kletow gutgelaunt.»Wir haben funfhundert Francs! Die Welt gehort uns wieder!«

«Dann konnen wir ja in ein richtiges Hotel einziehen!«

«Du Wahnsinniger!«Kletow bezahlte 5 °Centimes, und die Wirtin nahm sie ohne Gegenrede an. Der Wirt unterbrach sogar sein Knoblauchschneiden und rief:»Bon soir, Messieurs!«

«Mit diesen 500 Francs mussen wir auf unbestimmte Zeit leben! Wer wei?, wann ich wieder Geld bekomme?«

«Du solltest eine reiche Frau heiraten«, sagte Peter, als sie vom Hafen zum Strand gingen.

«Heiraten?«Kletow fuhr sich mit der Hand uber das Gesicht.»Peter, da mu? ich aber schon ganz am Ende aller Weisheiten angekommen sein.«

Es wurde schon dunkel, als sie vor ihren vier Strandzelten standen. Das Meer strahlte Kuhle aus. Noch war der Sand warm, und der Wind, der von Afrika heruberkam, war samtweich. Peter sah sich um.

«Am Tage sieht es entschieden besser aus.«

«Man gewohnt sich an alles. Wie denkst du dir das Schlafen eigentlich?«

«Wir rucken die Zelte aneinander, schieben die Sitze nebeneinander, pumpen uns mit Schnaps voll und schlafen. Wir bauen eine Burg aus Strandzelten, eine Igelstellung, vorn eins, hinten eins, links eins.«

«Und rechts eins!«schrie Peter Sacher wutend.»Und wenn es zufallig regnen sollte?«

«Die Sonnendacher sind wasserdicht.«

Sie ruckten die uber ein festes Holzgestell gespannten Zelte zusammen, legten sich auf die zusammengeschobenen Sitze, deckten sich mit ihren Manteln zu, tranken aus einer Flasche, die Kletow aus der Tasche zog, einige Schluck Kognak und nahmen sich vor, zu schlafen. Plotzlich zuckte Peter empor.

«Bist du gestochen worden?«murmelte Heinz.

«Wo hast du eigentlich dein Gepack?«

«Himmel! Deswegen erschreckst du mich?«Heinz dehnte sich.»Das hat der Verwalter der Villa beschlagnahmt, bis ich ihm Coucou bringe. Erst nach Lieferung bekomme ich meine Sachen wieder. Der Mann ist stur. Er pocht mehr auf Vertragserfullung als ein Verleger.«

Leise rauschte das Meer. Irgendwo kreischten ein paar Mowen. Ganz, ganz weit war Musik. Sie kam mit dem Wind und strich uber die Zelte hinweg.

Die beiden Freunde frostelten und krochen naher zusammen. Hundegebell geisterte durch die Nacht. Auf dem Meer heulte fern die Sirene eines Schiffes. Nicht weit von ihrer Burg entfernt erklang plotzlich ein unterdrucktes, kicherndes Lachen. Peter Sacher fuhr kerzengerade empor und ruttelte Heinz.

«Es geht los!«flusterte er.

«Warte ab und la? dich weiter verwohnen«, knurrte Kletow.»Es geht erst los, wenn die Bars schlie?en.«

Sie verschliefen die erste Nacht und wachten auf, als die Sonne schon auf die Zeltdacher brannte. Laut gahnend reckte sich Heinz v. Kletow. Peter Sacher sa? wutend auf der Bank und kammte sich die Haare.

«Dein verdammter Kognak«, sagte er.»Jetzt haben wir tatsachlich geschlafen!«

Fur Bornemeyer kamen Stunden tiefster Erniedrigung.

Die Ankunft in Nizza lie? ihn noch von Abenteuern traumen. Aber schon in der Halle des Hotels, in dem sie abstiegen, bekam er einen Vorgeschmack dessen, was ihn erwartete. Sabine Sacher bestellte zwei Zimmer, die moglichst weit auseinanderliegen mu?ten. So bekam Bornemeyer Zimmer 145 im funften Stock, wahrend Sabine mit Zimmer 12 auf der ersten Etage einen herrlichen Seeblick geno?. Ihr Fenster lag einem ins Meer ragenden Felsen gegenuber. Die Brandung schaumte empor. Wei? leuchtete eine marchenhafte Villa in der Sonne.

«Unvergleichlich«, sagte Sabine und sah hinuber zu dem Haus.»Wer mag da wohnen?«

«Im Augenblick niemand. «Das Zimmermadchen sah sich um. Sie waren allein im Zimmer. Der Hoteldiener hatte die Koffer abgestellt und war gegangen.»Wenn man erfahrt, was ich Ihnen verrate, fliege ich.«

«Ein Geheimnis?«Sabine lachelte.»Ich verrate Sie bestimmt nicht.«

«Das Haus kann gemietet werden. Es ist frei geworden. Ich kenne den Verwalter.«

«Es mu? ja wahnsinnig teuer sein.«

«Das wei? ich nicht. «Das Madchen machte einen Knicks und lief aus dem Zimmer.

Fasziniert stand Sabine am Fenster und starrte hinuber zu der wei?en Villa. Es war, als lockte dieses Haus. Man kann es mieten, dachte sie. Angenommen, ich ziehe in die Villa ein und schreibe nach Paris: >Komm nach Nizza, Liebster, ich habe fur uns ein Traumschlo? am Meer.< Ob er kommen wurde? Ob wir dort oben, ganz allein unter der Sonne, so glucklich werden konnten, da? wir nie mehr auseinandergehen?

Der Gedanke setzte sich fest. Er war so stark, da? Sabine sogar Bornemeyer verzieh, ohne anzuklopfen ins Zimmer gekommen zu sein.

«Wir werden morgen viele Wanderungen machen«, sagte sie.»Und noch diese Woche wird mein Mann kommen.«

«Sie machen mich unglucklich«, sagte Ferro-Bornemeyer ehrlich.»Ich bin ein von der Natur benachteiligtes Kind! Ich werde immer vernachlassigt.«

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