«Sie haben Ihre Millionen.«

«Geld ist mir nichts wert!«

«Ich wunschte, ich hatte soviel wie Sie.«

«Wunschen Sie sich das nicht, Signora!«Bornemeyer wischte sich den Schwei? von der Stirn.»Alles ist relativ.«

Er war in diesem Augenblick versucht, ihr alles zu gestehen. Die Fahrt uber nach Nizza hatte er Zeit genug gehabt, sich die Konsequenzen, die auf ihn in Dusseldorf warteten, auszumalen. Was er getan hatte, er war ehrlich genug, es einzusehen, war ohne Beispiel und das Ende seiner Karriere. Fur einige Tage Traum vom gro?en Leben hatte er sein ganzes weiteres Leben verpfuscht. Das war ein zu hoher Einsatz gewesen, gewi?, aber die Sehnsucht der borne-meyerschen Seele, einmal in der Sonne des Glucks zu stehen, war zu ubermachtig gewesen.

«Ich mochte mich umziehen«, sagte Sabine. Ferro sah sie an wie ein Verhungernder.

«Ich gehe, Favorita. Wann sehen wir uns?«

«Am Abend. Beim Essen.«

«Erst am Abend?«

«Ich habe noch etwas zu besorgen.«

«In Nizza? Aber du kennst doch Nizza gar nicht.«

«Was ich suche, habe ich schon gesehen. Also, bis zum Abendessen!«

Sie schob den unglucklichen Bornemeyer aus dem Zimmer und

schlo? hinter ihm ab.

Eine Stunde spater klomm Sabine Sacher den etwas steilen Felsweg zur wei?en Villa hinauf. Ab und zu blieb sie stehen und blickte uber den wei?en Strand, die Stadt Nizza, uber das tiefblaue Meer mit den wei?en Segelbooten und Jachten, den Wasserskifahrern und den Schwimmern, die sich auf Gummiflo?en treiben lie?en. An einer Biegung des Weges blieb sie plotzlich stehen. Ein Mann stieg unterhalb des Felsens aus dem Wasser. Er tauchte aus der Brandung wie ein gro?er, leuchtender Fisch auf und legte sich auf die Steine einer Felsenspitze in die Sonne. Der Mann war nackt, das sah Sabine. Sonst war die Entfernung zu weit, um zu erkennen, wie er aussah.

Der mu? gut schwimmen konnen, dachte sie und ging weiter. Bei dieser Brandung durch die Klippen zu schwimmen. Schnell ging sie weiter. Vielleicht beobachtete man sie, und es ware peinlich gewesen, sie bei der Betrachtung eines nackten Mannes zu uberraschen.

Das Schicksal hatte einen Witz gemacht. Der Mann, der unten auf der Klippe lag, schwer atmend und doch vergnugt wie ein Junge, war Peter Sacher.

Heinz v. Kletow umschwamm die Felsnase, auf der die Contessa liegen mu?te. Heute lag sie nicht da. Es war noch zu fruh. Erst wenn die Sonne voll auf das Meer schien, kam sie mit ihrem gro?en, wei?en Badetuch.

Nach einer halben Stunde stand Sabine Sacher vor einem gro?en, schmiedeeisernen Tor. Es bildete den Eingang zur Villa. Ein wei?er Kiesweg fuhrte durch einen kleinen, fast tropischen Park. Im Hintergrund sah man das Haus. Marmorterrasse zum Meer, bunte Sonnendacher vor den Fenstern, Palmen und Riesenagaven.

Sabine suchte nach einer Klingel. Sie fand keine und druckte vorsichtig das gro?e Tor auf. Langsam ging sie uber den Kiesweg dem Hause zu. Unter hohen, schmalen Saulen lag eine breite Glastur mit einem wei?en Gitter. Durch die Tur blickte man durch das Haus hindurch, durch eine gro?e Halle, deren Ruckwand nur aus Glas bestand und die Blaue des Meeres ins Haus holte. Es war, als bran-dete das tintenblaue Wasser in die Halle und schwammen die Palmen und wei?en Jalousien darin wie bizarre Fische.

Das ist nichts fur uns, dachte Sabine. Das ist unerschwinglich, auch gemietet. Daruber wurde Peter nicht glucklich sein, sondern schimpfen. Es ware Verschwendung, hier zu wohnen.

Sie wollte sich abwenden und wieder zur Felsenstra?e gehen, als ein gro?er, breitschultriger Mann um die Ecke des Hauses bog. Er trug einen riesigen, aus Stroh geflochtenen Sonnenhut auf dem dicken Schadel und hielt eine Gartenharke in den behaarten Handen. Wie ein Gorilla sah er aus. Er grinste auch so, als er die junge Frau an der glasernen Tur stehen sah, verlegen, nach Worten suchend.

Mit ausgestreckten Armen kam der Gorilla auf Sabine zu. Sein breites Gesicht war ein niederwerfendes Leuchten.

«Oh, du bist gekommen, Coucou?!«rief er auf franzosisch.»Oh, quel bonheur!«

Er verwechselt mich, dachte Sabine. Sicherlich tut er das! Sie schuttelte den Kopf und wich zuruck, als der Kolo? auf sie zukam.

«Sie irren sich!«rief sie auf deutsch.»Ich bin kein Fraulein mit Namen Coucou!«

«Nix Coucou?!«Der Verwalter der Villa nahm den Hut ab, warf seine Harke weit weg und schnaufte wie ein gereizter Stier.»Wer Sie dann?!«

«Ich bin Frau Sabine Sacher.«

«Nix gehort davon. Warum schickt Sie? Warum nix Coucou, wie Monsieur Kletow versprochen?«

Sabine hob die Schultern und wollte sich abwenden. In diesem Augenblick zundete der Name Kletow in ihrem Gehirn wie ein einschlagender Blitz. Sie wirbelte herum und starrte den verblufften Verwalter an.

«Sagten Sie eben Kletow?«

«Oui, madame!«Der Gorilla zerknullte den Strohhut in den Pranken.»O — quel filou! Isch ihn umbringe!«

«Recht so!«In Sabine stieg eine Enttauschung empor, die wie eine alles ergreifende Ubelkeit durch ihren Korper zog.»Er ist hier in

Nizza?«

«Oui! Seit sechs Tagen!«Der Verwalter ballte die Fauste.»Ein Gauner! Ein Schuft! Ein Verbrecher!«

«Seit sechs Tagen. «Sabine sah auf den wei?en Kiesweg. Vor ihren Augen flimmerte es. Seit sechs Tagen war Peter in Paris, angeblich bei seinem Freund! Er hatte sie belogen. Er war allein in Paris, allein in einer Wohnung, allein mit, mit…

Sie brach den Gedanken ab. Er tat ihr weh. Ihr Herz stockte. Es war, als risse es mittendurch.

«Hat er Sie betrogen?«fragte sie muhsam.

«Um ganze Miete, oui!«schrie der Gorilla.»Isch erwurge ihn!«

«Er hatte dieses herrliche Haus hier gemietet?«

«Oui! Madame. Sie kennen Kletow?!«

«Nein, nein«, sagte Sabine schnell.»War er allein hier?«

«Ganz allein!«Der Verwalter grinste breit.»Tagsuber, Madame. C'est la vie.«

«Und es war kein anderer Herr dabei?«

«Ein Monsieur? O non! Was soll Kletow machen mit Messieurs?! Er nur, olala!«Der Verwalter schnalzte mit der Zunge. Schon der Gedanke an schone Frauen verscheuchte in ihm alle Wut. Man beneide darum die Franzosen.

Fur Sabine war alles klar. Sie brauchte keine weiteren Erklarungen. Was hatte Dr. Portz geschrieben: >Peter ist in Paris bei seinem Freund v. Kletow. Rue de Sevres. Sie brauchen gar keine Sorgen zu haben.<

Alles war Luge. Alles! Peter hatte gewu?t, da? v. Kletow nicht in Paris war. Allein war er in der Wohnung, und wenn ein Mann allein in Paris ist.

In ihr brach alles zusammen, was sie an Sanftmut und Versohnung in den vergangenen Tagen gesammelt hatte. Das Ende ihrer Ehe sah sie vor sich, das Experiment war mi?lungen, oder gelungen, wie man's betrachtet. Es hatte keinen Sinn mehr, zusammenzubleiben und sich vorzulugen, der andere sei notwendig fur das weitere Leben.

«Wo ist Monsieur v. Kletow jetzt?«fragte sie. Ihre Stimme war hart.

Sie spurte es. Sie war kuhl bis ins Herz hinein.

«Oh, wenn isch wu?te das! Isch zermalme ihn! Isch werde Morder!«

Sabine atmete tief.»Ermorden Sie bitte zwei!«sagte sie hart.»Der andere hei?t Peter!«

Sie wandte sich ab und rannte den Weg hinunter, aus dem Tor hinaus, als werde sie gehetzt. Auf der Felsenstra?e blieb sie stehen und sah schaudernd den steilen Abhang hinab in die tosende Brandung. Der nackte Mann auf den Klippen war fort. Er schwamm wieder au?erhalb der kleinen Klippen zum Strand hin. Sein Kopf tauchte ins blaue Meer.

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