Hinabspringen und Schlu? machen, dachte Sabine einen Augenblick. Wer hier auf die Klippen springt, vierzig oder mehr Meter tief, hat keine Probleme mehr, wenn er unten aufschlagt.

Sie lehnte an einem Felsvorsprung und sah hinab. Schwindel ergriff sie. Sie druckte den Kopf an den kalten Stein und schlo? die Augen. Nein, sagte sie sich. Nein, nein! Warum das Leben wegwerfen wegen eines Mannes? Auch wenn man ihn so liebt wie ich und so grausam enttauscht wird. Es lohnt sich nicht, mit allem abzuschlie?en, nur weil ein Lebensabschnitt eine Verblendung war.

Sie stie? sich von dem Felsen ab und trat mitten auf die Stra?e.»Nein!«sagte sie laut.»So einfach mache ich es dir nicht!«

Schnell ging sie zur Kuste zuruck, gesenkten Kopfes. Sie hatte keinen Blick mehr fur die Schonheit des Strandes und der wei?en Stadt. Sie weinte still vor sich hin.

Kurz bevor die Felsenstra?e in einem weiten Schwung und breiter werdend in die Promenade mundet, hat man noch einmal einen schonen Blick auf den Badestrand. Er liegt weiter ab und bildet mit der Stadt und dem Hafen im Hintergrund ein herrliches Panorama.

Sabine Sacher wandte den Kopf zur Seite, nicht um das Bild zu sehen, sondern weil ihr ein Sandkorn ins Auge geblasen worden war. Dabei bemerkte sie zwei Manner, die in hellblauen Badehosen aus dem Wasser kamen und in schnellem Lauf auf vier Strandzelte zu-liefen. Plotzlich erstarrte sie und sprang zuruck hinter eine Felsnase.»Das ist doch nicht moglich«, stammelte sie.»Das, das. «Sie schaute vorsichtig um den Felsen herum. Die beiden Manner hatten Handtucher genommen und trockneten sich ab. Sie sprachen, sie lachten laut. Es war sein Lachen, wirklich. Es waren seine Bewegungen beim Abtrocknen, es war sein Gang. Jetzt drehte er das Gesicht zum Felsen. Er war es! Peter! Peter!!

Sabine Sacher spurte, wie es hei? in ihr emporstieg. Sie bezwang sich, nicht mit einem Schrei an den Strand zu laufen und Peter um den Hals zu fallen. Einen Augenblick war sie auch versucht, ihm alles zu verzeihen. Seine Luge, in Paris zu sein, die Sorglosigkeit, mit der er hier lebte, alles, was in den sechs Tagen geschehen sein mochte.

Als sie wieder um die Ecke des Felsens sah, war ein junges Madchen in knappem Bikini auf die Zeltburg zugekommen. Der eine der Manner, es mu?te Heinz v. Kletow sein, sprach auf sie ein. Das Madchen lachte. Es war hubsch, biegsam, braungebrannt. Sabine beobachtete, wie Peter aus den Zelten kam. Er sprach mit dem Madchen, jetzt streckte er die Hand aus und fa?te die langen, schwarzen Haare des Madchens an. Das Madchen tanzelte vor ihm herum, jetzt legte Peter den Arm um ihre schone Schulter.

«Schuft!«sagte Sabine. Sie pre?te die Lippen aufeinander.»Aas!«Damit meinte sie das Madchen. Sie kannte den Charme Peters, seit funf Jahren allerdings war er nicht mehr in ihrer Gegenwart ausgestrahlt worden, sie wu?te, wie seine Worte auf Frauen wirkten. Mit geballten Fausten sah sie, wie das Madchen mit Peter und Heinz in der Zeltburg verschwand.

Ihre Freude war wieder verflogen. Wut und Eifersucht beherrschten sie mit Urgewalt. Man mu?te jetzt hingehen, dachte sie, dem Madchen ein paar Ohrfeigen geben, und ihm naturlich auch, und sagen: Das ist mein Mann, allerdings ab jetzt mu? ich sagen >gewe-sen<. Vielleicht hei?t es sogar Coucou?! Das ware zwar geschmacklos, wenn zwei Manner an demselben Madchen, aber was ist bei Mannern nicht alles moglich!

Sie wartete, bis ein gro?erer Schwarm Badegaste uber den Strand ging. Ihnen gliederte sie sich ein und erreichte die Promenade. Im nachsten Andenkengeschaft kaufte sie sich ein Fernglas und rannte zuruck zum Strand, setzte sich in ein leeres Zelt und richtete das Fernglas auf die vier zusammengeschobenen Zelte.

Sie sah nichts. Das argerte sie ma?los. Einmal sah sie einen nackten Arm… aber es war nicht zu erkennen, ob es ein Manner- oder Frauenarm war.

Das Gift der Eifersucht zerfra? sie. Sie war bleich, zitterte aus einem innerlichen Frieren heraus und fauchte Ferro-Bornemeyer, der sie seit Stunden suchte, wie eine Katze an, als er sie auf die Schulter tippte und sagte:»Ich halte es bis zum Abendessen ohne dich nicht aus.«

«Lassen Sie mich in Ruhe!«zischte sie und ri? das Fernglas wieder an die Augen. In den Zelten bewegte sich etwas.

Ferro suchte den Strand ab. Er bemerkte nichts Sehenswertes und lie? sein Monokel aus dem Auge fallen.

«Was beobachtest du, Favorita?«

«Einen Haifisch!«fauchte Sabine.

«Wo?«

«In der Luft.«

«In der. «Bornemeyer war beleidigt. Er nagte an der Unterlippe und setzte sich neben Sabine in das Zelt.

«Sie sollen gehen, Signore Ferro! Ich habe Wichtigeres zu tun, als Ihre Tiraden von Favorita und Madonna anzuhoren.«

«Was ist denn da hinten so interessant?«Bornemeyer tastete mit Blicken den Strand ab. Au?er einigen netten Madchen und ein paar kraftigen Mannern war nichts zu sehen. Es war nicht anzunehmen, da? Sabine Sacher ein solch reges Interesse fur wohlgebaute Manner entwickelte.

«Ich habe ein wildes Schaf entdeckt!«

«Ein was?«

«Sie werden es nie verstehen, Ferro! Was ich immer annahm und dafur ausgelacht wurde, sehe ich jetzt endlich! Ich bin dabei, mich

seelisch zu zerfleischen.«

«Grausam!«Bornemeyer ratselte.»Darf ich auch mal durch das Glas sehen? Vielleicht verstehe ich Sie dann.«

«Ich werde Ihnen vielleicht heute abend alles erklaren, Signore Ferro.«

«Heute abend ist im Kurhaus ein Maskenball. Ich wollte dich dazu einladen, Madonna.«

Sabine schuttelte den Kopf. Das Madchen kam aus der Zeltburg. Heinz v. Kletow folgte ihr. Peters Kopf kam hervor, seine Arme. Er winkte ihnen zu. Er rief etwas. Sabine war es, als konne sie es verstehen.»Auf Wiedersehen!«

Ihr Kopf fuhr zu Ferro herum.»Wir gehen zum Maskenball!«

«Favorita!«schrie Bornemeyer. Er wollte sie in den Nacken kussen, aber Sabine wehrte ihn ab.

«Und nun gehen Sie!«sagte sie.»Ich will allein sein. Fragen Sie nicht langer. «Gehorsam entfernte sich Ferro.

Peter Sacher zog sich an, als Heinz v. Kletow mit seiner neuen Strandbekanntschaft gegangen war. Er wollte zur Nationalbank gehen, um nachzufragen, ob das Geld noch nicht eingetroffen sei. Das war zwar schlecht moglich. Aber die Dusseldorfer Bank konnte das Geld auch telegrafisch uberweisen. Dann war es bereits in Nizza. Und dann wurde Peter Sacher spatestens ubermorgen zuruck nach Dusseldorf fahren und zu Sabine sagen:»Es ist alles Blodsinn, was wir jahrelang gesagt und gedacht haben. Es gibt nur eins!«

In einem hellgrauen Anzug, elegant und sportlich, ging er uber die Promenade. Sabine verfolgte ihn mit dem Fernglas, bis er im Gewuhl der anderen Spazierganger verschwand. Da rannte sie durch Seitenstra?en zu ihrem Hotel zuruck auf ihr Zimmer und stand einen Augenblick vor dem Telefon. Sollte sie Dr. Portz anrufen? Oder sollte sie mit Peter allein alles regeln?

Sie zog ein neues, in Borkum gekauftes Kleid an, das Peter noch nicht kannte, kaufte sich in der Halle des Hotels, beim Hotelfriseur, eine gro?e, ganz dunkle Sonnenbrille und band sich einen wei?en Perlonschal um die Haare. Als sie in den Spiegel sah, erkann-te sie sich selbst nicht mehr.

So verkleidet eilte sie zuruck auf die Promenade. Es war ein Glucksumstand, wenn sie Peter wiederfand. Ruhelos wanderte sie hin und her, immer am Strand entlang, zwei Stunden lang, die Fu?e schmerzten ihr, in den Waden zuckte es. Sie bi? die Zahne zusammen und ging weiter.

Vier Meter von ihr entfernt, hinter der Scheibe eines Cafes, sa?en Peter Sacher und Heinz v. Kletow und starrten auf die Promenade. Immer wieder wischte sich Peter mit einem Taschentuch den Schwei? von der Stirn. Er war bleich und ernst.

«Sie ist's!«sagte er leise, als konnte man es drau?en horen.»Es ist Sabine.«

«Du spinnst!«Kletow druckte die Nase an der Scheibe platt.»Schlie?lich kenne ich Sabine auch! Das ist eine Franzosin reinsten Wassers. Und sie geht auf Mannerfang. Sabine sieht ganz anders aus.«

«Ich wollte, du hattest recht. Da, wie sie stehenbleibt und den Kopf zuruckwirft. Das ist Sabine! So steht sie immer da, wenn ich abends spater nach Hause komme und sie zu mir sagt: Jetzt ist das Essen kalt. Dreimal habe

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