«So gleichgultig!«

«Dann darfst du mich kussen!«Sabine kam auf Peter zu.»Auch ich bin verheiratet! Mein Mann ist ein Ekel! Er ist es wert, betrogen zu werden!«

Peter Sacher schnaufte durch die Nase. Er ballte die Fauste hinter dem Rucken und war bereit, Sabine die Maske von den Augen zu rei?en und. Ja, was und? Er wu?te es im Augenblick nicht und verhielt sich deshalb so, als uberwaltigte ihn die Leidenschaft der fremden Frau mit der silbernen Maske.

«Komm«, sagte er leise und zog Sabine wieder an sich.»Tiefer in den Park hinein.«

«Komm auf mein Zimmer«, flusterte sie an seinem Ohr.

Peter Sacher fror es uber den Rucken. Sein Herz setzte eine Sekunde aus vor Erbitterung.

«Wo ist es?«fragte er tonlos.

«Im Majestic. Sie lassen dich nicht hinein. Die Kontrolle ist genau. Aber du kannst vom Garten aus uber einen Balkon kommen. Es ist der vierte Balkon von links, in der ersten Etage. Ich warte. In einer halben Stunde.«

Sie ri? sich los aus seiner Umklammerung, ku?te ihn noch einmal fluchtig und rannte dann durch die Dunkelheit des Parkes davon, um den kleinen See herum, dem Kurhaus zu, schnell, atemlos, als werde sie von einem Untier verfolgt.

Mit geballten Fausten blieb Peter Sacher zuruck. Er starrte hinauf in den sternenubersaten Himmel und befand sich in einer Stimmung, in der man Amok laufen konnte.

Eine Hure ist sie, dachte er und verzehrte sich in diesem Gedanken. Einem Mann, den sie eine Stunde kennt, sagt sie ihr Zimmer, la?t ihn zu sich einsteigen und wartet dort auf ihn. Im Dunkeln, vielleicht schon im Bett liegend, hei? vor Sehnsucht. Meine Frau!

Als er ein Taschentuch aus der Hose nehmen wollte, stie? er mit den Fingern an den Kasten mit dem Rubincollier. Er trug es immer bei sich. Er nahm den Kasten aus der Tasche, klappte ihn auf und starrte auf das herrliche Schmuckstuck. Dann sah er hinuber zu dem kleinen See und hob die Hand, um den Kasten ins Wasser zu werfen. Aber noch im ausholenden Schwung hielt er ein und steckte ihn wieder in die Tasche.

Das wird meine letzte Rache sein, dachte er, bevor wir uns scheiden lassen. Es wird der merkwurdigste Proze? sein, der jemals uber das Dusseldorfer Landgericht lief. Scheidung wegen Ehebruchs mit dem eigenen Mann!

Wenn die ganze Welt verruckt ist, warum soll es nicht diese Ehe sein?

Langsam ging er zuruck zum Kurhaus. Unterwegs traf er Heinz v. Kletow. Er sa? mit der uppigen Blonden unter einer Riesenagave auf einer wei?en Bank und war intensiv und angenehm beschaftigt.

Peter Sacher machte einen Bogen um das Paar. Er war nicht in der Stimmung, den Anblick glucklicher Menschen zu ertragen.

Ferro-Bornemeyer irrte zwei Stunden durch die Sale des Kurhauses und suchte Sabine. Dann gab er die Suche auf, setzte sich in eine Ecke des gro?en Saales, lie? die Paare an sich vorbeitanzen und trank so lange, bis die Musik wie in Watte gepackt klang und die Paare vor seinen Augen den Boden nicht mehr beruhrten.

Da ging er nach Hause. Die Unmoglichkeit des eigenen Gehens einsehend, lie? er sich von einem Saaldiener bis zu einer Taxe bringen. Vor dem Hotel nahm ihn der Portier in Empfang, in der Halle ein Boy, der ihn aufs Zimmer brachte und aufs Bett legte.

Bornemeyer schlief sogleich ein, noch bevor er richtig lag. Er traumte sehr unruhig von Dr. Portz.»Sie Schwein!«schrie ihn Dr. Portz an. Und dann erschlug er Bornemeyer mit dessen Rechtfertigung.

Sabine wartete auf ihrem Zimmer. Sie hatte sich nicht umgezogen. Mit der silbernen Maske vor dem Gesicht sa? sie in der Dunkelheit des Zimmers. Die Balkontur hatte sie einen Spalt offengelassen. Der leichte Nachtwind bewegte die Gardine, stie? sie ins Zimmer. Wie ein Hochzeitsschleier wehte sie. Ab und zu sah Sabine auf die Uhr. Die halbe Stunde war gleich voruber. Gleich wurde Peter in das Zimmer einer ihm fremden Frau steigen und Sabine betrugen. Seine Ernuchterung wurde grausam sein, und dann wurde sie die Scheidung einreichen. Sofort!

Sie sa? in der Ecke des Zimmers in einem kleinen Sessel und hatte die Hande im Scho? gefaltet. Wie die Statue einer Rachegottin sa? sie da, unbeweglich, starr, aus Stein gehauen. Sie lauschte, sie starrte auf die geoffnete Balkontur, sie wartete auf den Schatten, der hinter der Gardine uber die Balkonbrustung hervorgleiten mu?te.

Sie wartete auf ihre Rache.

Hinter dem Hotel schlich wie ein Einbrecher Peter Sacher herum. Er stand im Garten des Hauses und war der Verzweiflung nahe.

Der vierte Balkon von links in der ersten Etage, hatte Sabine angegeben. Aber es gab zwei vierte Balkons von links! Zum Garten hinaus hatte das Hotel zwei Flugel, die im rechten Winkel an den Hauptbau angebaut worden waren. Es konnte also der linke Flugel sein, oder der rechte. Auf jeder Seite gab es sieben Balkons! Peter Sacher schlich die beiden Flugel ab. Der Balkon, wo die Tur offensteht

— der mu?te es sein! Aber sowohl beim vierten Balkon des linken Flugels als auch bei dem des rechten Flugels standen die Turen offen.

Er schaute auf seine Uhr. Die Zeit war abgelaufen. Irgendwo hinter diesen vielen Fenstern wartete Sabine auf einen Mann, den sie gerade eine Stunde kannte! Sie wollte ihren Mann betrugen! Mein Mann ist ein Ekel, hatte sie sogar gesagt.

Peter Sacher gab der Verzweiflung nach. Er nahm den linken Flugel und dort den vierten Balkon von links. An einem dichten Rankenwerk von wildem Wein kletterte er auf den Balkon, zogerte einen Augenblick, lauschte in das Zimmer hinein, schob leise die Tur weiter auf und schlupfte, die Gardine zur Seite wehend, in das vollig dunkle Zimmer.

Sie macht es spannend, dachte er gemein. Vielleicht liegt sie schon nackt im Bett.

«Silberne Maske?«flusterte er in die Dunkelheit hinein.

Aus dem Hintergrund des Zimmers horte er ein fast asthmatisches Pfeifen. Dann ging, nach der Dunkelheit fast blendend, die Nachttischlampe an. Im Bett, das hinten an der Wand stand, sa? kerzengerade ein wei?haariger, bartiger Mann und starrte den Mann in der Balkontur an.

Wenn jemand mitten in der Nacht uber den Balkon Besuch bekommt und dieser Besuch steckt in der Kluft eines wilden Seeraubers, zerrissen, blo?brustig, blutrunstig, der wird naturgema? aufschreien und sich diesen Besuch nicht gefallen lassen.

Der alte, bartige Mann tat denn auch das, was jeder getan hatte:

Er quietschte auf wie eine getretene Maus, hieb mit den Fausten gegen die Wand und schrie dann gellend:

«Help! Help! Help!«

Das alles ging so sekundenschnell, da? Peter Sacher erst nach dem englischen Notruf begriff, wo er sich befand. Namlich im falschen Zimmer.

«Beg your pardon!«sagte er schnell.»A good night to you!«

Dann rannte er aus dem Zimmer, schwang sich uber den Balkon in die Tiefe, sprang in den Garten und hetzte durch die Dunkelheit davon. Hinter sich horte er noch immer den Schrei des bartigen Mannes:»Help! Help! Help!«

Als er aus dem Garten auf die Promenade rannte, gingen hinter ihm die Gartenleuchten an. Einige Kellner und Boys durchsuchten den Garten. Da sie nichts fanden, gaben sie die Suche bald auf. Der Hotelarzt gab dem Englander ein Schlafmittel.»Sie haben sicherlich intensiv getraumt«, trostete er den Alten.»Eingestiegen wird nur bei Damen mit Brillanten.«

Zwei Stunden wartete Peter Sacher. Dann schlich er in den Garten zuruck.

Er umkreiste die Blocks und stand dann unter dem Balkon des rechten Flugels, der vierte von links. Sabine hatte seine Schritte gehort. Sie stand hinter der Gardine, in einem kurzen Shorti-Nacht-hemd, und hielt den Atem an. Der Larm, der vor zwei Stunden durch das Hotel zog, hatte ihren gesamten Plan durchkreuzt. Typisch Peter, hatte sie halb wutend, halb wehmutig lachelnd gedacht. So war er immer. Er stellt sich an wie ein gro?er Junge. Wie ein Tolpatsch. Selbst seine Frau betrugen mi?lingt ihm.

«Silberne Maske!«rief Peter Sacher leise. Er stand unmittelbar unter dem Balkon. Noch einmal hinaufzuklettern wagte er nicht. Wenn es wieder ein falsches Zimmer war.

Sabine schob die Gardine zur Seite und trat hinaus auf den Balkon. Sie sah Peter ein wenig klaglich auf dem Rasen stehen und zu ihr emporblicken.

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