etwas, von Generalen und Feldwebeln, die irgendwann mal ‘reingelegt wurden.
Nachher bringe ich beide zur Bahnstation. Sie geben mir ein Glas Marmelade und ein Paket Kartoffelpuffer, die meine Mutter noch fur mich gebacken hat.
Dann fahren sie ab, und ich gehe zuruck.
Abends streiche ich mir von der Marmelade auf die Puffer und esse davon. Es will mir nicht schmecken. So gehe ich hinaus, um den Russen die Puffer zu geben. Dann fallt mir ein, da? meine Mutter sie selbst gebacken hat und da? sie vielleicht Schmerzen gehabt hat, wahrend sie am hei?en Herd stand. Ich lege das Paket zuruck in meinen Tornister und nehme nur zwei Stuck davon mit zu den Russen.
9.
Wir fahren einige Tage. Die ersten Flieger erscheinen am Himmel. Wir rollen an Transportzugen voruber. Geschutze, Geschutze. Die Feldbahn ubernimmt uns. Ich suche mein Regiment. Niemand wei?, wo es gerade liegt. Irgendwo ubernachte ich, irgendwo empfange ich morgens Proviant und einige vage Instruktionen. So mache ich mich mit meinem Tornister und meinem Gewehr wieder auf den Weg. Als ich ankomme, ist keiner von uns mehr in dem zerschossenen Ort. Ich hore, da? wir zu einer fliegenden Division geworden sind, die uberall eingesetzt wird, wo es brenzlig ist. Das stimmt mich nicht heiter. Man erzahlt mir von gro?en Verlusten, die wir gehabt haben sollen. Ich forsche nach Kat und Albert. Es wei? niemand etwas von ihnen.
Ich suche weiter und irre umher, das ist ein wunderliches Gefuhl. Noch eine Nacht und eine zweite kampiere ich wie ein Indianer. Dann habe ich bestimmte Nachricht und kann mich nachmittags auf der Schreibstube melden. Der Feldwebel behalt mich da. Die Kompanie kommt in zwei Tagen zuruck, es hat keinen Zweck mehr, mich hinauszuschicken. »Wie war’s im Urlaub?« fragt er. »Schon, was?«
»Teils, teils«, sage ich.
»Jaja«, seufzt er,»wenn man nicht wieder weg mu?te. Die zweite Halfte wird dadurch immer schon verpfuscht.«
Ich lungere umher, bis die Kompanie morgens einruckt, grau, schmutzig, verdrossen und trube. Da springe ich auf und drange mich zwischen sie, meine Augen suchen, dort ist Tjaden, da schnaubt Muller, und da sind auch Kat und Kropp. Wir machen uns unsere Strohsacke nebeneinander zurecht. Ich fuhle mich schuldbewu?t, wenn ich sie ansehe, und habe doch keinen Grund dazu. Bevor wir schlafen, hole ich den Rest der Kartoffelpuffer und der Marmelade heraus, damit sie auch etwas haben.
Die beiden au?eren Puffer sind angeschimmelt, man kann sie aber noch essen. Ich nehme sie fur mich und gebe die frischeren Kat und Kropp.
Kat kaut und fragt:»Die sind wohl von Muttern?«
Ich nicke.
»Gut«, sagt er,»das schmeckt man heraus.«
Fast konnte ich weinen. Ich kenne mich selbst nicht mehr. Doch es wird schon wieder besser werden, hier mit Kat und Albert und den ubrigen. Hier gehore ich hin.
»Du hast Gluck gehabt«, flustert Kropp mir noch beim Einschlafen zu,»es hei?t, wir kommen nach Ru?land.«
Nach Ru?land. Da ist ja kein Krieg mehr.
In der Ferne donnert die Front. Die Wande der Baracken klirren.
Es wird machtig geputzt. Ein Appell jagt den andern. Von allen Seiten werden wir revidiert. Was zerrissen ist, wird umgetauscht gegen gute Sachen. Ich erwische dabei einen tadellosen neuen Rock, Kat naturlich sogar eine volle Montur. Das Gerucht taucht auf, es gabe Frieden, doch die andere Ansicht ist wahrscheinlicher: da? wir nach Ru?land verladen werden. Aber wozu brauchen wir in Ru?land bessere Sachen? Endlich sickert es durch: der Kaiser kommt zur Besichtigung. Deshalb die vielen Musterungen.
Acht Tage lang konnte man glauben, in einer Rekrutenkaserne zu sitzen, so wird gearbeitet und exerziert. Alles ist verdrossen und nervos, denn uberma?iges Putzen ist nichts fur uns und Parademarsch noch weniger. Gerade solche Sachen verargern den Soldaten mehr als der Schutzengraben. Endlich ist der Augenblick da. Wir stehen stramm, und der Kaiser erscheint. Wir sind neugierig, wie er aussehen mag. Er schreitet die Front entlang, und ich bin eigentlich etwas enttauscht: nach den Bildern hatte ich ihn mir gro?er und machtiger vorgestellt, vor allen Dingen mit einer donnernderen Stimme.
Er verteilt Eiserne Kreuze und spricht diesen und jenen an.
Dann ziehen wir ab.
Nachher unterhalten wir uns. Tjaden sagt staunend:»Das ist nun der Alleroberste, den es gibt. Davor mu? dann doch jeder strammstehen, jeder uberhaupt!« Er uberlegt:»Davor mu? doch auch Hindenburg strammstehen, was?«
»Jawoll«, bestatigt Kat.
Tjaden ist noch nicht fertig. Er denkt eine Zeitlang nach und fragt:»Mu? ein Konig vor einem Kaiser auch strammstehen?«
Keiner wei? das genau, aber wir glauben es nicht. Die sind beide schon so hoch, da? es da sicher kein richtiges Strammstehen mehr gibt.
»Was du dir fur einen Quatsch ausbrutest«, sagt Kat. »Die Hauptsache ist, da? du selber strammstehst.« Aber Tjaden ist vollig fasziniert. Seine sonst sehr trockene Phantasie arbeitet sich Blasen.
»Sieh mal«, verkundet er,»ich kann einfach nicht begreifen, da? ein Kaiser auch genauso zur Latrine mu? wie ich.«
»Darauf kannst du Gift nehmen«, lacht Kropp.
»Verruckt und drei sind sieben«, erganzt Kat,»du hast Lause im Schadel, Tjaden, geh du nur selbst rasch los zur Latrine, damit du einen klaren Kopp kriegst und nicht wie ein Wickelkind redest.«
Tjaden verschwindet.
»Eins mochte ich aber doch noch wissen«, sagt Albert,»ob es Krieg gegeben hatte, wenn der Kaiser nein gesagt hatte.«
»Das glaube ich sicher«, werfe ich ein, -»er soll ja sowieso erst gar nicht gewollt haben.«
»Na, wenn er allein nicht, dann vielleicht doch, wenn so zwanzig, drei?ig Leute in der Welt nein gesagt hatten.«
»Das wohl«, gebe ich zu,»aber die haben ja gerade gewollt.«»Es ist komisch, wenn man sich das uberlegt«, fahrt Kropp fort,»wir sind doch hier, um unser Vaterland zu verteidigen. Aber die Franzosen sind doch auch da, um ihr Vaterland zu verteidigen. Wer hat nun recht?«»Vielleicht, beide«, sage ich,
ohne es zu glauben.
»Ja, nun«, meint Albert, und ich sehe ihm an, da? er mich in die Enge treiben will,»aber unsere Professoren und Pastore und Zeitungen sagen, nur wir hatten recht, und das wird ja hoffentlich auch so sein; – aber die franzosischen Professoren und Pastore und Zeitungen behaupten, nur sie hatten recht, wie steht es denn damit?«
»Das wei? ich nicht«, sage ich,»auf jeden Fall ist Krieg, und jeden Monat kommen mehr Lander dazu.«
Tjaden erscheint wieder. Er ist noch immer angeregt und greift sofort wieder in das Gesprach ein, indem er sich erkundigt, wie eigentlich ein Krieg entstehe.
»Meistens so, da? ein Land ein anderes schwer beleidigt«, gibt Albert mit einer gewissen Uberlegenheit zur Antwort.
Doch Tjaden stellt sich dickfellig. »Ein Land? Das verstehe ich nicht. Ein Berg in Deutschland kann doch einen Berg in Frankreich nicht beleidigen. Oder ein Flu? oder ein Wald oder ein Weizenfeld.«
»Bist du so damlich oder tust du nur so?« knurrt Kropp.
»So meine ich das doch nicht. Ein Volk beleidigt das andere -«
»Dann habe ich hier nichts zu suchen«, erwidert Tjaden,»ich fuhle mich nicht beleidigt.«
»Dir soll man nun was erklaren«, sagt Albert argerlich,»auf dich Dorfdeubel kommt es doch dabei nicht