nicht vorwarts, ich fasse den Entschlu?, liegenzubleiben.

Aber sofort uberspult mich die Welle erneut, eine Welle aus Scham, Reue und doch auch Geborgenheit. Ich erhebe mich ein wenig, um Ausschau zu halten. Meine Augen brennen, so starre ich in das Dunkel. Eine Leuchtkugel geht hoch; – ich ducke mich wieder.

Ich kampfe einen sinnlosen, wirren Kampf, ich will aus der Mulde heraus und rutsche doch wieder hinein, ich sage,»du mu?t, es sind deine Kameraden, es ist ja nicht irgendein dummer Befehl«, – und gleich darauf:»Was geht es mich an, ich habe nur ein Leben zu verlieren -«

Das macht alles dieser Urlaub, entschuldige ich mich erbittert. Aber ich glaube es selbst nicht, mir wird entsetzlich flau, ich erhebe mich langsam und stemme die Arme vor, ziehe den Rucken nach und liege jetzt halb auf dem Rande des Trichters.

Da vernehme ich Gerausche und zucke zuruck. Man hort trotz des Artillerielarms verdachtige Gerausche. Ich lausche – das Gerausch ist hinter mir. Es sind Leute von uns, die durch den Graben gehen. Nun hore ich auch gedampfte Stimmen. Es konnte dem Tone nach Kat sein, der da spricht.

Eine ungemeine Warme durchflutet mich mit einemmal. Diese Stimmen, diese wenigen, leisen Worte, diese Schritte im Graben hinter mir rei?en mich mit einem Ruck aus der furchterlichen Vereinsamung der Todesangst, der ich beinahe verfallen ware. Sie sind mehr als mein Leben, diese Stimmen, sie sind mehr als Mutterlichkeit und Angst, sie sind das Starkste und Schutzendste, was es uberhaupt gibt: es sind die Stimmen meiner Kameraden. Ich bin nicht mehr ein zitterndes Stuck Dasein allein im Dunkel – ich gehore zu ihnen und sie zu mir, wir haben alle die gleiche Angst und das gleiche Leben, wir sind verbunden auf eine einfache und schwere Art. Ich mochte mein Gesicht in sie hineindrucken, in die Stimmen, diese paar Worte, die mich gerettet haben und die mir beistehen werden.

* * *

Vorsichtig gleite ich uber den Rand und schlangele mich vorwarts. Auf allen vieren schlurfe ich weiter; es geht gut, ich peile die Richtung an, schaue mich um und merke mir das Bild des Geschutzfeuers, um zuruckzufinden. Dann suche ich Anschlu? an die andern zu bekommen.

Immer noch habe ich Angst, aber es ist eine vernunftige Angst, eine au?erordentlich gesteigerte Vorsicht. Die Nacht ist windig, und Schatten gehen hin und her beim Aufflackern des Mundungsfeuers. Man sieht dadurch zu wenig und zu viel. Oft erstarre ich, aber es ist immer nichts. So komme ich ziemlich weit vor und kehre dann im Bogen wieder um. Den Anschlu? habe ich nicht gefunden. Jeder Meter naher zu unserm Graben erfullt mich mit Zuversicht – allerdings auch mit gro?erer Hast. Es ware nicht schon, jetzt noch eins verpa?t zu kriegen.

Da durchfahrt mich ein neuer Schreck. Ich kann die Richtung nicht mehr genau wiedererkennen. Still hocke ich mich in einen Trichter und versuche mich zu orientieren. Es ist mehr als einmal vorgekommen, da? jemand vergnugt in einen Graben sprang und dann erst entdeckte, da? es der falsche war.

Nach einiger Zeit horche ich wieder. Immer noch bin ich nicht richtig. Das Trichtergewirr erscheint mir jetzt so unubersichtlich, da? ich vor Aufregung uberhaupt nicht mehr wei?, wohin ich mich wenden soll. Vielleicht krieche ich parallel zu den Graben, das kann ja endlos dauern. Deshalb schlage ich wieder einen Haken.

Diese verfluchten Leuchtschirme! Sie scheinen eine Stunde zu brennen, man kann keine Bewegung machen, ohne da? es gleich um einen herum pfeift.

Doch es hilft nichts, ich mu? heraus. Stockend arbeite ich mich weiter, ich krebse uber den Boden weg und rei?e mir die Hande wund an den zackigen Splittern, die scharf wie Rasiermesser sind. Manchmal habe ich den Eindruck, als wenn der Himmel etwas heller wurde am Horizont, doch das kann auch Einbildung sein. Allmahlich aber merke ich, da? ich um mein Leben krieche.

Eine Granate knallt. Gleich darauf zwei andere. Und schon geht es los. Ein Feueruberfall. Maschinengewehre knattern. Jetzt gibt es vorlaufig nichts anderes, als liegenzubleiben. Es scheint ein Angriff zu werden. Uberall steigen Leuchtraketen. Ununterbrochen.

Ich liege gekrummt in einem gro?en Trichter, die Beine im Wasser bis zum Bauch. Wenn der Angriff einsetzt, werde ich mich ins Wasser fallen lassen, so weit es geht, ohne zu ersticken, das Gesicht im Dreck. Ich mu? den toten Mann markieren.

Plotzlich hore ich, wie das Feuer zuruckspringt. Sofort rutsche ich nach unten ins Grundwasser, den Helm ganz im Genick, den Mund nur so weit hoch, da? ich knapp Luft habe.

Dann werde ich bewegungslos; – denn irgendwo klirrt etwas, es tappt und trappst naher, – in mir ziehen sich alle Nerven eisig zusammen. Es klirrt uber mich hinweg, der erste Trupp ist vorbei. Ich habe nur den einen zersprengenden Gedanken gehabt: Was tust du, wenn jemand in deinen Trichter springt? – Jetzt zerre ich rasch den kleinen Dolch heraus, fasse ihn fest und verberge ihn mit der Hand wieder im Schlamm. Ich werde sofort losstechen, wenn jemand hereinspringt, hammert es in meiner Stirn, sofort die Kehle durchsto?en, damit er nicht schreien kann, es geht nicht anders, er wird ebenso erschrocken sein wie ich, und schon vor Angst werden wir ubereinander herfallen, da mu? ich der erste sein.

Nun schie?en unsere Batterien. In meiner Nahe schlagt es ein. Das macht mich irrsinnig wild, es fehlt mir noch, da? mich die eigenen Geschosse treffen; ich fluche und knirsche in den Dreck hinein; es ist ein wutender Ausbruch, zuletzt kann ich nur noch stohnen und bitten. Das Gekrach der Granaten trifft mein Ohr. Wenn unsere Leute einen Gegensto? machen, bin ich befreit. Ich presse den Kopf an die Erde und hore das dumpfe Donnern wie ferne Bergwerksexplosionen – und hebe ihn wieder, um auf die Gerausche oben zu lauschen.

Die Maschinengewehre knarren. Ich wei?, da? unsere Drahtverhaue fest und fast unbeschadigt sind; – ein Teil davon ist mit Starkstrom geladen. Das Gewehrfeuer schwillt an. Sie kommen nicht durch, sie mussen zuruck. Ich sinke wieder zusammen, gespannt bis zum Au?ersten. Das Klappern und Schleichen, das Klirren wird horbar. Ein einzelner Schrei gellend dazwischen. Sie werden beschossen, der Angriff ist abgeschlagen.

* * *

Es ist noch etwas heller geworden. An mir voruber hasten Schritte. Die ersten. Vorbei. Wieder andere. Das Knarren der Maschinengewehre wird eine ununterbrochene Kette. Gerade will ich mich etwas umdrehen, da poltert es, und schwer und klatschend fallt ein Korper zu mir in den Trichter, rutscht ab, liegt auf mir – Ich denke nichts, ich fasse keinen Entschlu? – ich sto?e rasend zu und fuhle nur, wie der Korper zuckt und dann weich wird und zusammensackt. Meine Hand ist klebrig und na?, als ich zu mir komme.

Der andere rochelt. Es scheint mir, als ob er brullt, jeder Atemzug ist wie ein Schrei, ein Donnern – aber es sind nur meine Adern, die so klopfen. Ich mochte ihm den Mund zuhalten, Erde hineinstopfen, noch einmal zustechen, er soll still sein, er verrat mich; doch ich bin schon so weit zu mir gekommen und auch so schwach plotzlich, da? ich nicht mehr die Hand gegen ihn heben kann.

So krieche ich in die entfernteste Ecke und bleibe dort, die Augen starr auf ihn gerichtet, das Messer umklammert, bereit, wenn er sich ruhrt, wieder auf ihn loszugehen – aber er wird nichts mehr tun, das hore ich schon an seinem Rocheln.

Undeutlich kann ich ihn sehen. Nur der eine Wunsch ist in mir, wegzukommen. Wenn es nicht bald ist, wird es zu hell; schon jetzt ist es schwer. Doch als ich versuche, den Kopf hochzunehmen, sehe ich bereits die Unmoglichkeit ein. Das Maschinengewehrfeuer ist derartig gedeckt, da? ich durchlochert werde, ehe ich einen Sprung tue.

Ich probiere es noch einmal mit meinem Helm, den ich etwas emporschiebe und anhebe, um die Hohe der Geschosse festzustellen. Einen Augenblick spater wird er mir durch eine Kugel aus der Hand geschlagen. Das Feuer streicht also ganz niedrig uber das Terrain. Ich bin nicht weit genug von der feindlichen Stellung entfernt, um nicht von den Scharfschutzen gleich erwischt zu werden, wenn ich versuche, auszurei?en.

Das Licht nimmt zu. Ich warte brennend auf einen Angriff von uns. Meine Hande sind wei? an den Knocheln, so presse ich sie zusammen, so flehe ich, das Feuer moge aufhoren und meine Kameraden mochten kommen.

Minute um Minute versickert. Ich wage keinen Blick mehr zu der dunklen Gestalt im Trichter. Angestrengt sehe ich vorbei und warte, warte. Die Geschosse zischen, sie sind ein stahlernes Netz, es hort nicht auf, es hort nicht auf. Da erblicke ich meine blutige Hand und fuhle jahe Ubelkeit. Ich nehme Erde und reibe damit uber die Haut, jetzt ist die Hand wenigstens schmutzig, und man sieht das Blut nicht mehr.

Das Feuer la?t nicht nach. Von beiden Seiten ist es jetzt gleich stark. Man hat mich bei uns wahrscheinlich

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