brauchte sie noch. Der Backer hockte ziemlich melancholisch neben mir.
Er trauerte im voraus um sein Geld – und das ist ja mit die echteste Trauer, die es gibt.
Wir kamen vor dem Hause des Backers an und gingen wieder in die Wohnung. Der Backer verlie? das Zimmer, um das Geld zu holen. Er wirkte jetzt wie ein alter Mann, und ich sah, da? sein Haar gefarbt war. Die Schwarze strich uber ihr Kleid.
»Das haben wir fein gemacht, was?«
»Ja«, sagte ich widerwillig.
»Hundert Mark mussen dabei fur mich abfallen…«
»Ach so -«, sagte ich.
»Der alte, geizige Bock«, flusterte sie vertraulich und kam naher,»hat Geld wie Heu! Aber bis er mal was 'rausruckt! Nicht mal ein Testament will er machen. Fallt nachher dann naturlich alles an die Kinder, und unsereins steht da! Ist doch kein Vergnugen, mit dem Kracher…«
Sie kam noch naher und wippte mit den Brusten. »Also dann komme ich morgen wegen der hundert Mark mal 'ruber. Wann sind Sie denn da? Oder wollen Sie hier vorbeikommen?« Sie kicherte. »Morgen nachmittag bin ich allein hier…«
»Ich schicke es Ihnen dann her…«, sagte ich.
Sie kicherte weiter. »Bringen Sie es doch selbst. Oder haben Sie Angst?« Sie hielt mich wahrscheinlich fur schuchtern und wollte mir handgreiflich zeigen, was los war. »Angst nicht«, sagte ich,»aber keine Zeit. Gerade morgen mu? ich zum Arzt. Eine alte Syphilis, wissen Sie! So was verbittert einem das Leben…«
Sie trat so rasch einen Schritt zuruck, da? sie fast uber einen Pluschsessel fiel. In diesem Augenblick kam der Backer wieder herein. Mi?trauisch schielte er die Schwarze an. Dann zahlte er mir das Geld in bar auf den Tisch. Er zahlte langsam und zogernd. Sein Schatten schwankte dabei auf der Rosentapete des Zimmers hin und her und zahlte mit. Wahrend ich die Quittung ausschrieb, fiel mir ein, da? es heute schon einmal so gewesen war – nur war Ferdinand Grau an meiner Stelle gewesen. Obschon gar nichts dabei war, erschien es mir sonderbar.
Ich war froh, als ich drau?en war. Die Luft war weich und sommerlich. Der Cadillac blinkte am Stra?enrand. »Na, Alter, danke schon«, sagte ich und klopfte ihm auf die Kuhlerhaube. »Komm bald wieder zu neuen Taten!«
XV
Der Morgen stand hell und funkelnd uber den Wiesen. Pat und ich sa?en am Rande einer Waldlichtung und fruhstuckten. Ich hatte mir zwei Wochen Urlaub genommen und war mit Pat unterwegs. Wir wollten ans Meer.
Vor uns auf der Stra?e stand ein kleiner, alter Citroen. Wir hatten ihn in Zahlung genommen gegen den Ford des Backermeisters, und Koster hatte ihn mir mitgegeben fur die Zeit des Urlaubs. Er sah aus wie ein geduldiger Packesel, so beladen war er mit Koffern.
»Hoffentlich bricht er unterwegs nicht zusammen«, sagte ich.
»Er bricht nicht zusammen«, erwiderte Pat.
»Woher wei?t du das?«
»Das wei? man. Weil es unser Urlaub ist, Robby.«
»Mag sein«, sagte ich. »Aber ich kenne au?erdem seine Hinterachse. Die sieht traurig aus. Besonders bei der Belastung.«
»Er ist ein Bruder von Karl. Er wird durchhalten.«
»Ein machtig rachitischer Bruder.«
»La? das Lastern, Robby. Er ist augenblicklich der schonste Wagen, den ich kenne.«
Wir lagen eine Zeitlang nebeneinander in der Wiese. Der Wind kam warm und weich vom Walde her. Es roch nach Harz und Krautern.
»Sag mal, Robby«, fragte Pat nach einer Weile,»was sind das eigentlich fur Blumen, druben am Bach?«
»Anemonen«, erwiderte ich, ohne hinzusehen.
»Aber Liebling! Das sind keine Anemonen, Anemonen sind viel kleiner; au?erdem bluhen sie nur im Fruhjahr.«
»Richtig«, sagte ich. »Es ist Wiesenschaumkraut.«
Sie schuttelte den Kopf. »Wiesenschaumkraut kenne ich.
Das sieht ganz anders aus.«-»Dann ist es Schierling.«
»Aber Robby! Schierling ist wei?, nicht rot.«
»Dann wei? ich es nicht. Bis jetzt bin ich mit diesen drei Blumennamen immer ausgekommen, wenn ich gefragt wurde. Einen hat man mir stets geglaubt.«
Sie lachte. »Schade. Hatte ich das geahnt, ware ich schon mit den Anemonen zufrieden gewesen.«
»Schierling«, sagte ich,»mit Schierling hatte ich immer die meisten Erfolge.«
Sie richtete sich auf. »Das ist ja heiter! Bist du oft so gefragt worden?«
»Nicht zu oft. Und bei ganz anderen Gelegenheiten.«
Sie stutzte die Hande auf den Boden. »Eigentlich ist es doch eine Schande, da? man auf der Erde herumlauft und fast gar nichts von ihr wei?. Nicht einmal ein paar Namen.«
»Gram dich nicht«, sagte ich,»es ist eine viel gro?ere Schande, da? man uberhaupt nicht wei?, weshalb man auf der Erde herumlauft. Da machen ein paar Namen mehr oder weniger auch nichts aus.«
»Das sagst du! Aber ich glaube, du sagst es nur aus Faulheit.«
Ich drehte mich um. »Naturlich. Aber uber die Faulheit ist noch lange nicht genug nachgedacht worden. Sie ist der Ursprung allen Gluckes und das Ende aller Philosophie. Komm, leg dich wieder hierher. Der Mensch liegt viel zuwenig. Er steht und sitzt dauernd herum. Das ist ungesund fur das animalische Wohlbehagen. Nur wenn man liegt, ist man vollig mit sich ausgesohnt.«
Ein Auto summte heran und fuhr voruber. »Kleiner Mercedes«, sagte ich, ohne mich aufzurichten. »Der Vierzylinder.«
»Da kommt noch einer«, erwiderte Pat.
»Ja, ich hore es schon. Ein Renault. Hat er einen Kuhler wie eine Schweineschnauze?«
»Ja.«
»Dann ist es ein Renault. Aber hor mal, jetzt kommt was Richtiges! Ein Lancia! Der jagt bestimmt die andern beiden wie ein Wolf zwei Schaflammer! Hor nur den Motor! Wie eine Orgel!«
Der Wagen fegte voruber. »Davon wei?t du wohl mehr als drei Namen, was?« fragte Pat.
»Naturlich. Sie stimmen sogar.«
Sie lachte. »Ist das nun eigentlich traurig oder nicht?«
»Gar nicht traurig. Nur naturlich. Ein gutes Auto ist mir manchmal lieber als zwanzig Wiesen mit Blumen.«
»Verstockter Sohn des zwanzigsten Jahrhunderts! Sentimental bist du wohl gar nicht…«
»Doch, du horst es ja, mit Autos.«
Sie sah mich an. »Ich auch«, sagte sie.
Aus den Tannen rief ein Kuckuck. Pat fing an, mitzuzahlen. »Wozu machst du das?« fragte ich.
»Wei?t du das nicht? Sooft er ruft, so viele Jahre lebt man noch.«
»Ach so, ja. Aber da gibt es noch etwas anderes. Wenn ein Kuckuck ruft, mu? man sein Geld schutteln. Dann vermehrt es sich.«
Ich holte mein Kleingeld aus der Tasche und schuttelte es kraftig zwischen den hohlen Handen.
»Das bist du«, sagte Pat und lachte. »Ich will Leben und du willst Geld.«
»Um zu leben«, erwiderte ich. »Ein echter Idealist strebt nach Geld. Geld ist gemunzte Freiheit. Und Freiheit ist Leben.«
»Vierzehn«, zahlte Pat. »Du hast schon mal anders daruber gesprochen.«
»Das war in meiner dunklen Zeit. Man sollte uber Geld nicht verachtlich reden. Geld macht viele Frauen sogar verliebt. Die Liebe dagegen macht viele Manner geldgierig. Geld fordert also die Ideale – Liebe dagegen den