hier sind sehr schone Denkmaler«, sage ich schlie?lich.
»Ja, sicher, es ist nur -«
Sie stockt wieder und blickt mich fast ?ehentlich an.»Ich wei? nicht, ob es uberhaupt erlaubt ist -«pre?t sie schlie?lich hervor.
»Was? Einen Grabstein zu setzen? Wer kann das verbieten?«
»Das Grab ist nicht auf dem Kirchhof -«
Ich sehe sie uberrascht an.»Der Pastor will nicht, da? mein Mann auf dem Kirchhof beerdigt wird«, sagt sie rasch und leise, mit abgewandtem Gesicht.
»Warum denn nicht?«frage ich erstaunt.
»Er hat – weil er Hand an sich gelegt hat«, sto?t sie hervor.»Er hat sich das Leben genommen. Er hat es nicht mehr ausgehalten.«
Sie steht und starrt mich an. Sie ist noch erschrocken von dem, was sie gesagt hat.»Sie meinen, da? er deshalb nicht auf dem Kirchhof beerdigt werden darf?«frage ich.
»Ja. Nicht auf dem katholischen. Nicht in geweihter Erde.«
»Aber das ist doch Unsinn!«sage ich argerlich.»Er sollte in doppelt geweihter Erde begraben werden. Niemand nimmt sich ohne Not das Leben. Sind Sie ganz sicher, da? das stimmt?«
»Ja. Der Pastor hat es gesagt.«
»Pastoren reden viel, das ist ihr Geschaft. Wo sollte er denn sonst beerdigt werden?«
»Au?erhalb des Friedhofs. Auf der anderen Seite der Mauer. Nicht auf der geweihten Seite. Oder im stadtischen Friedhof. Aber das geht doch nicht! Da liegt doch alles durcheinander.«
»Der stadtische Friedhof ist viel schoner als der katholische«, sage ich.»Und auf dem stadtischen liegen auch Katholiken.«
Sie schuttelt den Kopf.»Das geht nicht. Er war fromm. Er mu? -«Ihre Augen sind plotzlich voll Tranen.»Er hat es sicher nicht uberlegt, da? er nicht in geweihter Erde liegen darf.«
»Er hat wahrscheinlich uberhaupt nicht daran gedacht. Aber gramen Sie sich nicht wegen Ihres Pastors. Ich kenne Tausende von sehr frommen Katholiken, die nicht in geweihter Erde liegen.«
Sie wendet sich mir rasch zu.»Wo?«
»Auf den Schlachtfeldern in Ru?land und Frankreich. Sie liegen da beieinander in Massengrabern, Katholiken, Juden und Protestanten, und ich glaube nicht, da? das Gott etwas ausmacht.«
»Das ist etwas anderes. Sie sind gefallen. Aber mein Mann -«
Sie weint jetzt offen. Tranen sind in unserm Geschaft etwas Selbstverstandliches; aber diese sind anders als gewohnlich. Dazu ist die Frau wie ein Bundelchen Stroh; man glaubt, der Wind konne sie wegwehen.»Wahrscheinlich hat er es im letzten Augenblick noch bereut«, sage ich, um etwas zu sagen.»Damit ist dann alles vergeben.«
Sie sieht mich an. Sie ist so hungrig fur ein bi?chen Trost!
»Meinen Sie das wirklich?«
»Bestimmt. Der Priester wei? das naturlich nicht. Das wei? nur Ihr Mann. Und der kann es nicht mehr sagen.«
»Der Pastor behauptet, die Todsunde -«
»Liebe Frau«, unterbreche ich sie.»Gott ist viel barmherziger als die Priester, das konnen Sie mir glauben.«
Ich wei? jetzt, was sie qualt. Es ist nicht sosehr das ungeweihte Grab; es ist der Gedanke, da? ihr Mann als Selbstmorder fur alle Ewigkeit in der Holle brennen mu? und da? er vielleicht gerettet werden und mit ein paar hunderttausend Jahren Fegefeuer davonkommen konnte, wenn er auf dem katholischen Friedhof beerdigt wurde.
»Es war wegen des Geldes«, sagt sie.»Es war auf der Sparkasse fur funf Jahre mundelsicher angelegt, und er konnte es deshalb nicht abheben. Es war die Mitgift fur meine Tochter aus erster Ehe. Er war der Vormund. Als er es dann vor zwei Wochen abholen konnte, war es nichts mehr wert, und der Brautigam machte die Verlobung ruckgangig. Er hatte erwartet, wir hatten Geld fur eine gute Aussteuer. Vor zwei Jahren hatte es noch gereicht, aber jetzt ist es nichts mehr wert. Meine Tochter hat nur noch geweint. Das hat er nicht ausgehalten. Er glaubte, es ware seine Schuld; er hatte besser aufpassen mussen. Aber es war doch mundelsicher festgelegt, wir konnten es nicht abheben. Die Zinsen waren so hoher.«
»Wie hatte er denn besser aufpassen sollen? So etwas passiert heute unzahligen Menschen. Er war doch kein Bankier.«
»Nein, Buchhalter. Die Nachbarn -«
»Kummern Sie sich doch nicht um das, was die Nachbarn sagen. Das ist immer bosartiger Klatsch. Und uberlassen Sie alles andere nur Gott.«
Ich fuhle, da? ich nicht sehr uberzeugend bin; aber was soll man einer Frau in solchen Umstanden schon sagen? Das, was ich wirklich denke, bestimmt nicht.
Sie trocknet ihre Augen.»Ich sollte Ihnen das gar nicht erzahlen. Was geht es Sie an? Verzeihen Sie! Aber manchmal wei? man nicht, wohin -«
»Das macht nichts«, sage ich.»Wir sind das gewohnt. Es kommen ja nur Leute hierher, die Angehorige verloren haben.«
»Ja – aber nicht so -«
»Doch«, erklare ich.»Das passiert in dieser traurigen Zeit viel hau?ger, als Sie denken. Sieben allein im letzten Monat. Es sind immer Menschen, die nicht mehr ein noch aus wissen. Anstandige Menschen also. Die unanstandigen kommen durch.«
Sie sieht mich an.»Glauben Sie, da? man einen Grabstein setzen darf, wenn er nicht in geweihter Erde liegt?«
»Wenn Sie die Erlaubnis fur ein Grab haben, durfen Sie es. Ganz bestimmt auf dem stadtischen Friedhof. Wenn Sie wollen, konnen Sie schon einen Stein aussuchen, Sie brauchen ihn nur zu nehmen, wenn alles in Ordnung ist.«
Sie sieht sich um. Dann zeigt sie auf den drittkleinsten Hugelstein.»Was kostet so einer?«
Es ist immer dasselbe. Nie fragen die Armen sofort, was der kleinste kostet; es ist, als taten sie es nicht aus einer sonderbaren Ho?ichkeit vor dem Tode und dem Toten. Sie wollen nicht nach dem billigsten zuerst fragen; ob sie ihn dann spater doch nehmen, ist eine andere Sache.
Ich kann ihr nicht helfen, aber das Stuck Stein kostet hunderttausend Mark. Sie offnet erschrocken die muden Augen.»Das konnen wir nicht bezahlen. Das ist ja viel mehr, als -«
Ich kann mir denken, da? es mehr ist als das, was von der Erbschaft ubriggeblieben ist.»Nehmen Sie doch den kleinen hier«, sage ich.»Oder einfach eine Grabplatte, keinen Stein. Sehen Sie, hier ist eine – sie kostet drei?igtausend Mark und ist sehr schon. Sie wollen doch nur, da? man wei?, wo Ihr Mann liegt, und da ist eine Platte ebensogut wie ein Stein.«
Sie betrachtet die Sandsteinplatte.»Ja – aber -«
Sie hat wahrscheinlich kaum Geld fur die nachste Miete, aber sie mochte trotzdem nicht das Billigste kaufen – als ob das dem armen Teufel jetzt nicht ganz egal ware. Hatte sie statt dessen fruher mehr Verstandnis fur ihn gehabt und weniger mit der Tochter gejammert, dann lebte er vielleicht noch.»Wir konnen die Inschrift vergolden«, sage ich.»Das sieht wurdig und vornehm aus.«
»Kostet die Inschrift extra?«
»Nein. Sie ist im Preis inbegriffen.«
Es ist nicht wahr. Aber ich kann mir nicht helfen; sie ist so spatzenhaft in ihren schwarzen Kleidern. Wenn sie jetzt einen langen Bibelspruch will, bin ich in der Patsche; den auszuhauen wurde mehr als die Platte kosten. Aber sie will nur den Namen und die Zahlen 1875-1923.
Sie zieht aus ihrer Tasche einen Haufen einstmals zerknitterter Scheine, die alle glattgestrichen und gebundelt worden sind. Ich hole tief Luft – Vorauszahlung! Das ist lange nicht mehr dagewesen. Ernsthaft zahlt sie drei Packchen Scheine ab. Sie behalt fast nichts ubrig.»Drei?igtausend. Wollen Sie es nachzahlen?«
»Das brauche ich nicht. Es stimmt schon.«
Es mu? stimmen. Sie hat es sicher oft genug gezahlt.»Ich will Ihnen etwas sagen«, erklare ich.»Wir geben Ihnen noch eine Grabeinfassung aus Zement dazu. Das sieht dann sehr ordentlich aus – abgegrenzt.«
Sie sieht mich angstlich an.»Umsonst«, sage ich.