»Nein! Es ist kein Schutz. Wir konnen eingeklemmt werden und brennen.«
»'raus!« rief Meyerhof. »Wenn der Stacheldraht zerbombt wird, konnen wir fliehen!«
»Halt die Schnauze, Idiot! Sie werden dich fassen in deinem Anzug und dich erschie?en.«
»Kommt 'raus.«
Sie drangten sich aus der Tur. »Zusammenbleiben!« schrie Lewinsky. Er griff Meyerhof an die Jacke vor der Brust. »Wenn du Blodsinn machst, breche ich dir mit meinen eigenen Handen den Hals, horst du? Verfluchter Idiot, meinst du, wir konnen das jetzt riskieren?« Er schuttelte ihn.
»Verstehst du? Oder soll ich dir den Hals sofort brechen?«
»La? ihn«,sagte Berger. »Er wird nichts tun. Er ist zu schwach, und ich passe auf.«
Sie lagen in der Nahe der Baracke, nahe genug, um die dunklen Wande noch im kochenden Nebel sehen zu konnen. Es sah aus, als qualmten sie von einem unsichtbaren Feuer. So lagen sie, die Riesenhande vieler Donner im Genick, angepre?t an den Boden und warteten auf die nachste Explosion.
Es kam keine. Nur die Flak tobte weiter. Auch von der Stadt her horte man bald keine Bomben mehr. Dafur kam deutlicher wieder das Knattern von Gewehrschussen durch den Larm.
»Die Schie?erei ist hier im Lager«, sagte Sulzbacher.
»Es ist die SS.« Lebenthal hob den Kopf. »Vielleicht haben sie die Kasernen getroffen, und Weber und Neubauer sind tot.«
»Das ware zuviel Gluck«, sagte Rosen. »So was passiert nicht. Bei dem Nebel haben sie doch nicht zielen konnen. Vielleicht haben sie nur ein paar Baracken erwischt.«
»Wo ist Lewinsky?« fragte Lebenthal.
Berger sah sich um. »Ich wei? nicht. Vor ein paar Minuten war er noch hier. Wei?t du es nicht, Meyerhof?«
»Nein. Ich will es auch gar nicht wissen.«
»Vielleicht ist er auskundschaften gegangen.«
Sie horchten weiter. Die Spannung wuchs. Vereinzelte Gewehrschusse waren wieder horbar.
»Vielleicht sind druben Leute gefluchtet«, sagte Bucher. »Und sie jagen sie.«
»Hoffentlich nicht.«
Jeder wu?te, da? man das gesamte Lager zum Appell rufen und stehenlassen wurde, bis die Fluchtlinge tot oder lebendig eingebracht worden waren. Das wurde viele Dutzende von Toten und die genaue Kontrolle aller Baracken bedeuten. Es war der Grund, weshalb Lewinsky Meyerhof angeschrieen hatte. »Warum sollten sie jetzt noch fluchten?« sagte Ahasver.
»Warum nicht?« fragte Meyerhof zuruck. »Jeder Tag -«
»Sei ruhig«, unterbrach Berger ihn. »Du bist von den Toten auferstanden, das hat dich verruckt gemacht. Du glaubst, du bist Samson. Keine funfhundert Meter weit wurdest du kommen.«
»Vielleicht ist Lewinsky selbst ausgerissen. Er hat genug Grund. Mehr als jeder andere.«
»Quatsch! Er flieht nicht.«
Die Flak schwieg. In der Stille horte man Kommandos und Laufen. »Sollen wir nicht lieber in der Baracke verschwinden?« fragte Lebenthal.
»Richtig.« Berger stand auf. »Alles von C in die Stube zuruck. Goldstein, sieh zu, da? eure Leute sich weit genug hinten verstecken. Handke kommt sicher jeden Augenblick.«
»Sie haben die SS bestimmt nicht erwischt«, sagte Lebenthal. »Die Bande kommt immer durch.
Wahrscheinlich sind ein paar hundert von uns in Stucke zerrissen.«
»Vielleicht kommen die Amerikaner schon«, sagte jemand im Nebel.
»Vielleicht war das schon Artillerie!«
Einen Moment schwiegen alle. »Halt die Schnauze«, sagte Lebenthal dann argerlich.
»Beruf es nicht.«
»Los 'rein, wer noch kriechen kann. Es gibt sicher einen Appell.« Sie krochen in die Baracke zuruck. Es gab wieder fast eine Panik. Viele hatten plotzlich Angst, da? andere, die schneller waren, ihnen ihre alten Platze wegnehmen wurden, besonders die, die ein Stuck Bettbrett besa?en.
Sie schrieen mit heiseren, kraftlosen Stimmen und fielen und drangten vorwarts. Die Baracke war immer noch uberfullt, und Platz war fur weniger als ein Drittel da. Ein Teil blieb trotz aller Rufe drau?en liegen; er war durch die Erregung zu erschopft, um noch zu kriechen. Die Panik hatte sie mit den anderen hinausgetrieben; jetzt aber konnten sie nicht mehr weiter. Die Veteranen zerrten einige bis zur Baracke; im Nebel sahen sie, da? zwei tot waren. Sie bluteten.
Schusse hatten sie getotet.
»Vorsicht!« Sie horten kraftigere Schritte als die der Muselmanner durch das wei?e Wogen.
Die Schritte kamen naher und hielten vor der Baracke. Lewinsky blickte hinein.
»Berger«, flusterte er. »Wo ist 509?«
»In zwanzig. Was ist los?«
»Komm mal 'raus.«
Berger ging zur Tur.
»509 braucht keine Angst mehr zu haben«, sagte Lewinsky rasch und abgerissen.
»Handke ist tot.«
»Tot? Durch eine Bombe?«
»Nein. Tot.«
»Wie ist das passiert? Hat die SS ihn im Nebel erwischt?«
»Wir haben ihn erwischt. Das ist genug, oder nicht? Die Hauptsache ist, da? er erledigt ist. Er war gefahrlich. Der Nebel war gunstig.« Lewinsky schwieg einen Moment. »Du wirst ihn ja sehen im Krematorium.«
»Wenn der Schu? zu nahe war, wird man Pulverspuren und Brandwunden sehen.«
»Es war kein Schu?. Zwei andere Bonzen sind auch noch erledigt worden im Nebel und Durcheinander. Zwei der Schlimmsten. Der von unserer Baracke ist dabei. Er hat zwei Leute verraten.«
Das Entwarnungssignal kam. Der Nebel wogte und zerri?. Es war, als hatten die Explosionen ihn zerfetzt. Ein Stuck Blau fing an in ihm zu leuchten, dann wurde er silbern, und die Sonne dahinter fullte ihn mit wei?em Glanz. Wie dunkle Schafotte begannen die MG-Turme daraus aufzusteigen.
Jemand kam. »Vorsicht«, flusterte Berger. »Komm herein, Lewinsky! Versteck dich.«
Sie schlossen die Tur hinter sich. »Es ist nur einer«, sagte Lewinsky. »Keine Gefahr.
Sie kommen schon seit einer Woche nicht mehr einzeln. Haben zu viel Angst.«
Die Tur wurde behutsam geoffnet. »Ist Lewinsky da?« fragte jemand.
»Was willst du?«
»Komm rasch. Ich habe es hier.«
Lewinsky verschwand im Nebel.
Berger sah sich um. »Wo ist Lebenthal?«
»Zu zwanzig gegangen. Er will es 509 sagen.«
Lewinsky kam zuruck. »Hast du gehort, was druben passiert ist?« fragte Berger.
»Ja. Komm heraus.«
»Was ist?«
Lewinsky lachelte langsam. Sein Gesicht war na? vom Nebel und entfaltete »ich zu Zahnen, Augen und breiter, bebender Nase. »Ein Stuck der SS-Kaserne ist eingesturzt«, sagte er. »Tote und Verwundete. Wei? noch nicht, wieviel. Baracke I hat Verluste. Das Waffendepot und die Kammer sind beschadigt worden.« Er blickte vorsichtig in den Nebel. »Wir mussen etwas verstecken.
Vielleicht nur bis heute abend. Wir haben etwas erwischt. Unsere Leute hatten wenig Zeit. Nur so lange, bis die SS wiederkam.«
»Gib her«, sagte Berger.
Sie stellten sich dicht zusammen. Lewinsky gab Berger ein schweres Paket. »Aus dem Waffendepot«, flusterte er. »Versteck es in deiner Ecke. Ich habe noch ein zweites.
Wir werden es in das Loch unter dem Bett von 509 stecken. Wer schlaft da jetzt?«
»Ahasver, Karel und Lebenthal.«