und was wir sein mochten. Was wir wirklich noch sind, wird sich spater zeigen. Wer wei? das letzt? Jetzt konnen wir nur warten und hoffen und meinetwegen beten.«

Er zog die Husarenjacke um sich und legte sich wieder zuruck. »Rache«, sagte Ahasver nach einiger Zeit nachdenklich. »Das wurde viel Rache werden mussen. Und Rache zieht neue Rache nach sich – was nutzt das?« Der Horizont flammte auf.

»Was war das?« fragte Bucher. Ein leises Grollen antwortete. »Es ist kein Bombardement«, erklarte Sulzbacher. »Wieder ein Gewitter. Warm genug ist es dafur.« »Wenn es regnet, werden wir die vom Arbeitslager wecken«, sagte Lebenthal.

»Sie konnen dann hier drau?en liegen. Sie sind kraftiger als wir.« Er wandte «Ich zu 509. »Dein Freund, der Bonze, auch.«

Es blitzte wieder. »Hat einer von denen drinnen etwas von einem Abtransport gehort?« fragte Sulzbacher.

»Nur Geruchte. Das letzte war, da? tausend ausgesondert werden sollen.«

»O Gott!« Rosens Gesicht schimmerte bla? in der Dunkelheit. »Sie werden naturlich uns nehmen.

Die Schwachsten. Um uns loszuwerden.«

Er blickte 509 an. Alle dachten an den letzten Transport, den sie gesehen hatten.

»Es ist ein Gerucht«, sagte 509. »Wir haben jetzt jeden Tag unzahlige Latrinenparolen gehort. La?t uns ruhig sein, bis ein Befehl kommt. Dann konnen wir immer noch sehen, was Lewinsky, Werner und die auf der Schreibstube fur uns tun konnen. Oder wir hier.«

Rosen schauderte. »Wie sie die damals an den Beinen unter den Betten hervorgerissen haben -«

Lebenthal sah ihn voll Verachtung an. »Hast, du nie mehr gesehen in deinem Leben als das?«

»Ja -«

»Ich war einmal auf einem gro?en Schlachthof«, sagte Ahasver. »Ich war da fur das koschere Schlachten. In Chikago. Manchmal wu?ten die Tiere, was passieren wurde. Sie rochen das Blut. – Dann rannten sie so – wie die damals. Irgendwohin. In Ecken. Und man zog sie ebenso an den Beinen heraus -«

»Du warst in Chicago?« fragte Lebenthal.

»Ja -«

»In Amerika? Und du bist zuruckgekommen?«

»Es war vor funfundzwanzig Jahren.«

»Du bist zuruckgekommen?« Lebenthal starrte Ahasver an. »Hat man je so etwas gehort?«

»Ich hatte Heimweh. Nach Polen.«

»Wei?t du -«, Lebenthal brach ab. Es war zu viel fur ihn.

XX

Das Wetter klarte sich am Morgen auf zu einem grauen, milchigen Tag. Es blitzte nicht mehr; aber es rollte immer noch dumpf und fern hinter den Waldern.

»Merkwurdiges Gewitter«, sagte Bucher. »Sonst sieht man Wetterleuchten und hort keinen Donner, wenn es abzieht. Hier ist es umgekehrt.«

»Vielleicht kommt es zuruck«, erwiderte Rosen.

»Warum soll es zuruckkommen?«

»Bei uns zu Hause gehen Gewitter manchmal tagelang zwischen den Bergen umher.«

»Hier sind keine Bergkessel. Nur die eine Linie druben, und die ist nicht hoch.«

»Hast du noch andere Sorgen?« fragte Lebenthal.

»Leo«, sagte Bucher ruhig,»Sieh du lieber zu, da? wir etwas zu kauen kriegen. Selbst wenn es altes Schuhleder ist.«

»Sonst noch Auftrage?« fragte Lebenthal nach einer Pause des Erstaunens.

»Nein.«

»Schon. Dann pa? auf, was du quatschst! Und besorge dir dein Futter selber, du Grunschnabel!

Hat man je so etwas gehort an Frechheit?«

Lebenthal versuchte auszuspucken, aber sein Mund war trocken, und sein Gebi? flog bei der Anstrengung heraus. Er fing es im letzten Augenblick in der Luft auf und setzte es wieder ein. »Das hat man davon, da? man fur euch jeden Tag sein Fell riskiert«, sagte er argerlich. »Vorwurfe und Befehle! Nachstens erscheint noch Karel mit Auftragen.« 509 kam heran. »Was habt ihr?«

»Frag den da.« Lebenthal zeigte auf Bucher. »Gibt Befehle. Sollte mich nicht: wundern, wenn er Blockaltester werden mochte.« 509 sah Bucher an. Er hat sich verandert, dachte er. Es ist mir nicht so aufgefallen, aber er hat sich verandert. »Was ist wirklich los?« fragte er.

»Gar nichts. Wir haben nur uber das Gewitter geredet.«

»Was geht euch das Gewitter an?« »Nichts. Es ist nur sonderbar, da? es immer noch donnert.

Dabei sind keine Blitze da und auch keine Wolken. Nur die graue Suppe da oben. Aber! das sind doch keine Gewitterwolken.«

»Probleme! Es donnert, aber es blitzt nicht! Gojim naches!« krachzte Lebenthal von seinem Platz her. »Meschugge!« 509 sah zum Himmel. Er war grau und schien ohne Wolken zu sein. Dann lauschte er.

»Es donnert tatsa – «Er brach ab. Seine Haltung veranderte sich. Er lauschte plotzlich mit seinem ganzen Korper.

»Noch einer!« sagte Lebenthal. »Meschugge ist Trumpf heute.«

»Ruhig!« flusterte 509 scharf.

»Also du auch -«

»Ruhig! Verdammt! Sei ruhig, Leo!«

Lebenthal schwieg. Er merkte, da? es nicht mehr um das Gewitter ging. Er beobachtete 509, der gespannt auf das ferne Rumpeln horchte. Alle schwiegen letzt und lauschten.

»Hort zu«, sagte 509 dann langsam und so leise, als furchte er, etwas floge davon, wenn er lauter sprache. »Das ist kein Gewitter. Das ist -«

Er horchte wieder. »Was?« Bucher stand dicht neben ihm. Beide blickten sich an und horchten.

Das Rumpeln wurde etwas lauter und sank dann zuruck. »Das ist kein Donner«, sagte 509. »Das ist -« Er wartete noch einen Augenblick, dann sah er sich um und sagte, immer noch sehr leise:»Das ist Artilleriefeuer.«

»Was?«

»Artilleriefeuer. Das ist kein Donner.«

Alle starrten sich an. »Was habt ihr?« fragte Goldstein in der Tur.

Keiner antwortete etwas. »Nun – seid ihr erfroren?«

Bucher drehte sich um. »509 sagt, da? man Artilleriefeuer horen kann. Die Front kann nicht mehr weit weg sein.«

»Was?« Goldstein kam naher. »Wirklich? Oder phantasiert ihr blo??«

»Wer wurde bei so etwas Quatsch reden?«

»Ich meine: tauscht ihr euch nicht?« fragte Goldstein.

»Nein«, sagte 509.

»Verstehst du was davon?«

»Ja.«

»Mein Gott.« Rosens Gesicht verzerrte sich. Er begann plotzlich zu schluchzen.

509 horchte weiter. »Wenn der Wind umschlagt, mussen wir es deutlicher horen.«

»Was glaubst du, wie weit weg sie noch sein konnen?« fragte Bucher.

»Ich wei? nicht genau. Funfzig Kilometer. Sechzig. Nicht viel weiter.«

»Funfzig Kilometer. Das ist nicht weit.«

»Nein, das ist nicht weit.«

»Sie mussen Tanks haben. Sie konnen das rasch machen. Wenn sie durchbrechen – wieviel Tage glaubst du,

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