Gunther und Hagen, die Recken wohlgetan,Berieten mit Untreuen ein Brischen in den Tann.Mit ihren scharfen Spießen wollten sie jagen gehnBären, Schwein und Büffel: Was konnte Kühnres geschehn? (942) Da ritt auch mit ihnen Siegfried mit stolzem Sinn.Man bracht ihnen Speise mancherlei dahin.An einem kalten Brunnen verlor er bald den Leib:Brunhild hat es geraten, Gunter des Königs Weib. (943)Da ging der kühne Degen, wo er Kriemhilden fand.Schon war aufgesäumt das edle BirschgewandFür ihn und die Gesellen: Sie wollten über Rhein.Da konnte Kriemhilden nicht übler zu Mute sein. (944)Seine liebe Tante küsst' er an den Mund:“Gott lasse mich dich, Fraue, noch wieder sehn gesund,Und mich auch deine Augen; mit holden Freunden deinVerkürze dir die Stunden; ich kann nun nicht bei dir sein.” (945)Da gedachte sie der Märe, sie durft es ihm nicht sagen,Die sie Hagen sagte: Da begann zu klagenDie edle Königstochter, dass sie je geboren ward:Ohne Maßen weinte die wunderschöne Fraue zart. (946)Sie sprach zu dem Recken: “Lasst euer Jagen sein:Mir träumte heunt von Leide, wie euch zwei wilde SchweinAuf der Haide jagten: Da wurden Blumen rot.Dass ich so bitter weine, das tut mir sicherlich Not. (947)Ich fürchte sehr und bange vor etlicher Verrat.Hier sind gewisslich welche, die man erzürnet hat:Die könnten uns verfolgen mit feindlichem Hass.Bleibt hier, mein lieber Herre, mit Treue rat ich euch das.” (948)“Meine liebe Traute, ich kehr in kurzer Zeit;Ich weiß nicht, dass hier Jemand mit Hass trüg oder Neid.Alle deine Freunde sind insgemein mir hold;Auch verdient ich von den Degen wohl nimmer anderlei Sold.” (949)“Nicht doch, lieber Siegfried, wohl fürcht ich deinen Fall.Mir träumte heunt von Leide, wie über dir zu TalFielen zwei Berge, dass ich dich nie wieder sah:Und willst du von mir scheiden, das geht mir inniglich nah.” (950)Er umfing mit Armen das tugendreiche Weib,Mit holdem Kusse herzt' er ihren schönen Leib.Da nahm er Urlaub und schied in kurzer Stund:Sie ersah ihn leider darnach nicht wieder gesund. (951)Da ritten sie von dannen in einem tiefen Tann.Der Kurzweil willen folgte manch kühner RittersmannGunthern dem Könige und Siegfrieden nach.Geiselher der Ruhe daheim mit Gernoten pflag. (952)Manch Saumross zog beladen vor ihnen überrhein,Das den Jagdgesellen das Brot trug und den Wein,Das Fleisch mit den Fischen und Speise mancher Art,Wie sie ein reicher König wohl haben mag auf der Fahrt. (953)Da ließ man herbergen bei dem Walde grünVor des Wildes Wechseln die stolzen Jäger kühn,Als sie da jagen wollten, auf breitem Angergrund.Da war auch Siegfried kommen: Das ward dem Könige kund. (954)Von den Jagdgesellen ward umhergestelltDie Wart an allen Enden: Da sprach der kühne Held,Siegfried der starke: “Wer soll uns in den TannNach dem Wilde weisen? Ihr Degen kühn und wohlgetan.” (955)“Wollen wir uns scheiden,” hub da Hagen an,“Ehe wir beginnen zu jagen hier im Tann?So mögen wir erkennen, ich und die Herren mein,Wer die besten Jäger bei dieser Waldreise sei'n. (956)