“Drei Tag und drei Nächte will ich verwachen dran, Bis ich mich ersättige an meinem lieben Mann. Vielleicht dass Gott gebietet, dass mich auch rafft der Tod: So wäre wohl beendet der armen Kriemhilde Not.” (1086) Zu den Herbergen gingen die Leute von der Stadt Die Pfaffen und die Mönche sie zu verweilen bat Und all das Ingesinde, das des Helden pflag: Sie hatten üble Nächte und gar mühselgen Tag. (1087) Ohne Trank und Speise verblieb da mancher Mann Wers nicht gern entbehrte, dem ward kundgetan, Man gäb ihm gern die Fülle: Das schuf Herr Siegemund. Da ward den Nibelungen große Beschwerde kund. (1088) * In diesen drei Tagen, so hörten wir sagen, Mussten mit Kriemhilden viel Beschwerde tragen Die da singen konnten: Was man der Opfer trug! Die eben arm gewesen, die wurden nun reich genug. (1089) Was man fand der Armen, die wenig mochten haben, Die ließ sie mit dem Golde bringen Opfergaben Aus ihrer eignen Kammer: Er durfte nicht mehr leben, Da ward um seine Seele manches Tausend Mark gegeben. (1090) Urbarer Erde Güter verteilte sie im Land, So viel man da der Klöster und guter Leute fand. Den Armen gab man Silber und Gewand genug. Sie ließ es wohl erkennen wie holde Liebe sie ihm trug. (1091) An dem dritten Morgen zur rechten Messezeit Sah man bei dem Münster den ganzen Kirchhof weit Von des Volkes Weinen und Klagen also voll: Sie dienten ihm im Tode wie man lieben Freunden soll. (1092) In diesen vier Tagen, so hörten wir die Mär, An dreißigtausend Marken oder gar noch mehr Ward um seine Seele den Armen hingegeben. Indes war gar zerronnen seine Schöne wie sein Leben. (1093) Als der Dienst beendet, verhallt war der Gesang, Mit ungestümen Leide des Volkes Menge rang. Man ließ ihn aus dem Münster zu dem Grabe tragen: Da hörte man nichts anders als ein Weinen und ein Klagen. (1094) Mit lautem Wehrufe schloss das Volk sich an: Froh war da niemand, weder Weib noch Mann. Eh er bestattet wurde las und sang man da: Hei! Was man guter Pfaffen bei seinem Begräbnis sah! (1095) Bevor da kam zum Grabe Siegfriedens Weib, Da rang mit solchem Jammer ihr getreuer Leib, Dass man sie aus dem Brunnen mit Wasser oft begoss: Ihre Herzenschwere war über die Maßen groß. (1096) Es war ein großes Wunder, dass sie gesund entkam, Es halfen ihr mit Klagen viel Frauen lobesam. Da sprach die Königswitwe: “Ihr in Siegfrieds Lehn, Ihr sollt bei eurer Treue an mir Genade begehn. (1097) “Lasst mir nach meinem Leide eine kleine Gunst geschehn, Dass ich sein schönes Angesicht noch einmal möge sehn.” Sie bat mit Jammerssinnen so lang und so stark, Dass man zerbrechen musste den schön geschmiedeten Sarg. (1098) Da brachte man die Fraue, wo sie ihn liegen fand: Sie erhob sein schönes Angesicht mit ihrer weißen Hand Und küsste so den Toten, den edeln Ritter gut: Ihre lichten Augen vor Leide weinten sie Blut. (1099) Ein jammervolles Scheiden sah man da geschehn. Da trug man sie von dannen, sie vermochte nicht zu gehn. Da fand man ohne Sinne das herrliche Weib: Vor Leide wollt ersterben ihr viel wonniglicher Leib. (1100) Als der edle Degen also begraben war, Sah man in großem Leide die Helden immerdar, Die mit ihm hergezogen von Nibelungenland: Fröhlich gar selten man da Siegmunden fand. (1101) Wohl mancher war darunter, der drei Tage lang Vor dem großen Leide weder aß noch trank: Da konnten sie's nicht länger dem Leib entziehen mehr:
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