Da sprach die Jammersreiche: “Verbieten soll euch Gott Und allen meinen Freunden, dass sie keinen Spott Mit mir Armen treiben: Was sollt ich einem Mann, Der je Herzensliebe von gutem Weibe gewann?” (1261) Sie widersprach es heftig. Da traten zu ihr her Gernot ihr Bruder und der junge Geiselher. Sie baten sie in Liebe und trösteten ihr den Mut: “Wenn sie den König nehme, es gerat ihr wahrlich gut.” (1262) Bereden mochte niemand das tugendreiche Weib. Dass sie minnen sollte eines Mannes Leib. Da baten sie die Degen: “So lasst es nur geschehn, Wenn ihr nicht anders wollet, dass euch die Boten mögen sehn.” (1263) “Das will ich nicht versagen,” so sprach die Fraue hehr, “Ich empfange gerne den guten Rüdiger Seiner Tugend willen: Wär er nicht hergesandt, Jedem andern Boten, dem blieb' ich immer unbekannt.” (1264) Da sprach sie: “Auf Morgen bescheidet ihn hieher Zu meiner Kemenate, den guten Rüdiger: So mag ich meinen Willen dem Degen selber sagen.” Ihr begann von neuem das große Weinen und Klagen. (1265) Auch wünschte sich nichts anders der edle Rüdiger Als dass er schauen möchte die Königstochter hehr. Er wusste sich so weise: Könnt es irgend sein, So musst er sie bereden, diesen Rechen zu frein. (1266) Früh des andern Morgens, als man die Messe sang, Die edeln Boten kamen: Da hob sich großer Drang. Die mit Rüdigeren zu Hofe sollten gehn, Deren war im Staate manch stolzer Recke zu sehn. (1267) Kriemhild die schöne Fraue reingemut, Da harrte sie auf Rüdiger, den edeln Boten gut. Er fand sie in dem Kleide, das sie für täglich trug: Dabei trug ihr Gesinde reicher Kleider genug. (1268) Sie ging ihm entgegen zu der Türe hin Und empfing Etzels Recken mit gütlichem Sinn. Nur selbzwölfter trat er zu der Frauen ein; Man bot ihm große Ehre: Nicht mochten bessre Boten sein (1269) Man hieß den Herren sitzen und die in seinem Lehn. Die beiden Markgrafen, die sah man vor ihr stehn, Eckewart und Gere, die edeln Ritter gut. Der Hausfrau wegen fand man da niemanden wohlgemut. (1270) Sie sahen vor ihr sitzen gar manche edle Maid. Die schöne Fraue hatte Jammer nur und Leid. Ihr Kleid war vor den Brüsten von heißen Tränen nass; Wohl an Frau Kriemhilden sah der edle Markgraf das. (1271) Da sprach der hehre Bote: “Viel edles Königskind, Mir und den Gesellen, die mit mir kommen sind, Geruhet zu erlauben, dass wir vor euch stehn Und euch melden, weshalb unsre Reise sei geschehn.” (1272) “Das sei euch erlaubet,” sprach die Königin: “Was ihr auch sagen möget, also steht mein Sinn, Dass ich es gerne höre: Ihr seid ein Bote gut.” Da hörten wohl die andern ihren ungünstgen Mut. (1273) Da sprach von Bechlaren der Markgraf Rüdiger: “Euch bat entboten, Fraue, Etzel der König hehr Treu und große Liebe hieher in dieses Land: Er hat um eure Minne viel gute Recken hergesandt. (1274) “Er entbeut euch freundlich Liebe sonder Leid: Er sei zu steter Freundschaft euch immerdar bereit, Wie Frau Helken weiland, die ihm im Herzen lag; Er hat nach ihren Tugenden noch oft unfröhlichen Tag.” (1275) Da sprach die Königstochter: “Markgraf Rüdiger, Wenn meines Herzeleides jemand kundig wär, Der würde mir nicht raten zu einem zweiten Mann: Ich verlor an einem mehr als je ein Weib gewann.” (1276)