Sie sahn einander selten hernach in vielen Tagen.Da brachte man aus Medilik auf Händen getragenManch reiches Goldgefäße angefüllt mit WeinDen Gästen auf die Straße; sie sollten willkommen sein. (1373)Ein Wirt war da gesessen, Astolt genannt,Der wies sie die Straße ins ÖsterreicherlandGegen Mutaren an der Donau nieder:Da wurde wohl gedienet der schönen Königin wieder. (1374)Der Bischof mit Liebe von seiner Nichte schied.Dass sie sich wohl gehabe, wie sehr er ihr das riet!Und sich Ehr erwerbe wie Helke einst getan.Hei! Was sie großer Ehren bald bei den Heunen gewann! (1375)Nun kam der Zug der Gäste bei der Traisem an.Ihr dienten sehr beflissen die in Rüdgers BannBis man die Heunen-Degen sah reiten durch das Land:Da ward der Königsfraue viel große Ehre bekannt. (1376)Bei der Traisem hatte der Fürst von HeunenlandEine reiche Veste, im Lande wohlbekannt,Mit Namen Zeißenmauer: Einst wohnte Helke daUnd pflag so hoher Tugenden als wohl nicht wieder geschah, (1377)Es sei denn von Kriemhilden; die mochte gerne geben:Sie durfte wohl die Freude nach ihrem Leid erleben,Dass ihr Ehr erwiesen die in Etzels Bann,Die sie bei den Helden in der Fülle bald gewann. (1378)König Etzels Herrschaft war so weit erkannt,Dass man zu allen Zeiten an seinem Hofe fandDie allerkühnsten Recken, davon man je vernommenBei Christen oder Heiden; die waren all mit ihm gekommen. (1379)Bei ihm war allerwegen, so sieht mans nimmermehr,So echter Christenglauben als heidnischer Verkehr:Wozu nach seiner Sitte sich auch ein jeder schlug,Das schuf des Königs Milde, man gab doch allen genug. (1380)
22. Abenteuer
Wie Kriemhilde bei den Heunen empfangen ward
Sie blieb zu Zeißenmauer bis an den vierten Tag,Der Staub in den Straßen derweil nicht ruhig lag:Aufstob er allenthalben wie im hellen Brand.Da ritten Etzels Leute durch das Österreicherland. (1381)Es war dem König Etzel gemeldet in der Zeit,Dass ihm vor Gedanken schwand sein altes Leid,Wie herrlich Kriemhilde zöge durch das Land.Hin eilte der König wo er die Minnigliche fand. (1382)Von verschiednen Sprachen sah man auf den WegenVor König Etzeln reiten viel der kühnen Degen,Von Christen und von Heiden manches weite Heer:Als sie die Fraue fanden, sie zogen herrlich einher. (1383)Von Reußen und von Griechen ritt da mancher Mann:Der Pol' und der Wallache zog geschwind heranAuf den guten Rossen, die sie kräftig ritten.Da zeigte sich ein jeder in seinen heimischen Sitten. (1384)Aus dem Land zu Kiew kam da mancher MannUnd die wilden Peschenegen. Viele huben anUnd schossen nach den Vögeln, die in den Lüften flogen;Mit Kräften sie die Pfeile nach des Bogens Wänden zogen. (1385) Eine Stadt liegt an der Donau im Österreicherland,Die ist geheißen Tulna. Da ward ihr erst bekanntManche fremde Sitte, die sie noch niemals sah.Da empfingen sie viele, denen noch Leid von ihr geschah. (1386)Es ritt dem König Etzel ein Ingesind voran,Fröhlich und prächtig, höfisch und wohlgetan,Vierundzwanzig Fürsten, die waren reich und hehr:Ihre Königin zu schauen, sie begehrten sonst nichts mehr. (1387)