Es hieß, so gut und milde hab eines Königs Land Nie eine Frau besessen: Das hielten sie für wahr; Des rühmten sie die Heunen bis an das dreizehnte Jahr. (1435) Nun wusste sie, dass niemand ihr feindlich sei gesinnt, Wie heut noch Königinnen der Fürsten Recken sind, Und dass sie täglich mochte zwölf Könge vor sich sehn. Sie vergaß auch nicht des Leides, das ihr zu Hause geschehn. (1436) Sie gedacht auch noch der Ehren in Nibelungenland, Die man ihr geboten und die ihr Hagens Hand Mit Siegfriedens Tode für alle Zeit benommen, Und ob ihm das wohl jemals noch zu Leide möchte kommen. (1437) “Es geschäh, wenn ich den Degen brächt in dieses Land.” Ihr träumte wohl, ihr ginge gar manchmal an der Hand Geiselher ihr Bruder; sie küsst' ihn allezeit In ihrem sanften Schlafe: Das ward zu schmerzlichem Leid. (1438) Ich glaube dass Kriemhilden der böse Feind es riet, Dass sie in guter Freundschaft von König Gunthern schied, Den sie zur Sühne küsste in Burgondenland. Aufs neu begann zu triefen von heißen Tränen ihr Gewand. (1439) Es lag ihr an dem Herzen, beides, spät und früh, Wie man mit Widerstreben sie doch gebracht dazu, Dass sie minnen musste einen heidnischen Mann: Die Not, die hatt ihr Hagen und König Gunther angetan. (1440) Es schwand ihr aus dem Herzen selten dieser Mut. Sie gedacht: “Ich bin so mächtig und habe solches Gut, Ich mag wohl meinen Feinden noch schaffen Herzeleid: Dazu wär ich dem Hagen von Tronje gerne bereit. (1441) “Nach den Getreuen jammert noch oft die Seele mein: Doch die mir Leides taten, möcht ich bei denen sein, So würde wohl gerochen meines Freundes Leib! Kaum kann ich es erwarten,” also sprach das Königsweib. (1442) Hold waren ihr die Degen all in des Königs Bann, Die Recken Kriemhildens; das war wohlgetan. Ihr Kämmerer war Eckwart: Drum war er gern gesehn: Kriemhildens Willen konnte niemand widerstehn. (1443) Sie gedacht auch alle Tage: “Ich will den König bitten, Er solle mir vergönnen mit gütlichen Sitten, Dass man meine Freunde lädt in der Heunen Land.” Den argen Willen niemand an der Königin erfand. (1444) Als eines Nachts Kriemhilde bei dem König lag, Umfangen mit den Armen hielt er sie, wie er pflag Der edeln Frau zu kosen; sie war ihm wie sein Leib: Da gedachte ihrer Feinde dieses waidliche Weib. (1445) Sie sprach zu dem Könige: “Viel lieber Herre mein, Ich wollt euch gerne bitten, möcht es mit Hulden sein, Dass ihr mich sehen ließet, ob ich verdient den Sold, Dass ihr auch meinen Freunden wäret inniglich hold.” (1446) Da sprach der reiche König, arglos war sein Mut: “Des sollt ihr inne werden: Was man den Recken tut Liebes und Gutes, das nehm ich freudig an, Da ich von Weibesminne nie bessre Freunde gewann.” (1447) Da sprach die Königin wieder: “Euch ist das wohlbewusst, Ich habe hohe Freunde, drum schmerzt mich der Verlust, Dass mich die so selten besuchen hier im Land: Ich bin bei allen Leuten nur als verwaiset bekannt.” (1448) Da sprach der König Etzel: “Viel liebe Fraue mein, Däucht es sie nicht zu ferne, so lüd ich überrhein Die ihr wünscht zu sehen hieher in dieses Land.” Da freute sich die Fraue, als ihr sein Wille ward bekannt. (1449) Sie sprach: “Wollt ihr mir Treue leisten, Herre mein, So sollt ihr Boten senden nach Wormes über Rhein: So entbiet ich meinen Freunden meinen Sinn und Mut: So kommen uns zu Lande viel Ritter edel und gut.” (1450) Er sprach: “Wenn ihr gebietet, so lass ich es geschehn. Ihr könntet eure Freunde nicht so gerne sehn, Der edeln Ute Kinder, als ich sie sähe gern:
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