Wohl kann ich meine Freunde nimmermehr genug beklagen.” (2401) “Wir sind wohl nicht so schuldig,” sprach Hagen dagegen. “Zu diesem Hause kamen alle eure Degen Mit großem Fleiß gewaffnet in einer breiten Schar; Man hat euch wohl die Märe nicht so gesagt, wie sie war.” (2402) “Was soll ich anders glauben? Mir sagt Hildebrand: Euch baten meine Recken vom Amelungenland, Ihr solltet ihnen Rüdgern geben aus dem Saal; Da botet ihr Gespötte nur meinen Recken her zu Tal.” (2403) Da sprach der Vogt vom Rheine: “Sie wollten Rüdgern tragen. Sagten sie, von hinnen: Das ließ ich da versagen, Etzeln zum Trotze, nicht aber deinem Bann, Bis Wolfhart der Degen darob zu schelten begann.” (2404) Da sprach der Held von Berne: “Es muss nun also sein: Gunther, edler König, bei aller Tugend dein, Vergilt mir nun das Herzeleid, das mir von dir geschehn. Versühn es, kühner Ritter, so lass ichs ungerochen gehn. (2405) “Ergibt dich mir zum Geisel mit Hagen deinem Mann; So will ich dich beschützen so gut ich immer kann, Dass dir bei den Heunen hier niemand Leides tut: Du sollst an mir erfahren, dass ich getreu bin und gut.” (2406) “Das verhüte Gott vom Himmel,” sprach Hagen dagegen, “Dass sich dir ergeben sollten zwei Degen, Die noch in Waffenwehre dir entgegen stehn, Und denen es leicht wäre ihren Feinden zu entgehn.” (2407) “Ihr sollt es nicht verweigern,” sprach da Dieterich, “Gunther und Hagen, ihr habt so bitterlich Beide mir betrübet das Herz und auch den Mut, Wollt ihr mir das vergüten, dass ihr es billiglich tut. (2408) “Ich geb euch meine Treue und reich euch meine Hand, Dass ich mit euch reiten will heim in euer Land: Ich geleit euch wohl nach Ehren, ich stürbe denn den Tod, Und will um euch vergessen all meiner schmerzhaften Not.” (2409) “Steht ab von dem Begehren,” sprach wieder Hagen; “Es würd uns wenig ehren, wär von uns zu sagen, Dass zwei so kühne Degen sich ergeben eurer Hand: Sieht man bei euch doch niemand als alleine Hildebrand.” (2410) Da sprach Meister Hildebrand: “Gott weiß Herr Hagen, Der Frieden, den Herr Dietrich euch hat angetragen, Es kommt noch an die Stunde, dass ihr ihn nähmet gern: Nun lässt euch wohlbehagen diese Sühne meines Herrn.” (2411) “Auch nähm ich eh den Frieden,” sprach Hagen dagegen, “Eh ich mit Schimpf und Schande so vor einem Degen Entliefe, Meister Hildebrand, als ihr habt hier getan: Ich wähnte doch, ihr stündet vor Feinden besser euern Mann.” (2412) Zur Antwort gab ihm Hildebrand: “Was verweiset ihr mir das?” Wer wars der auf dem Schilde vor dem Wasgensteine saß, Als ihm von Spanien Walther so viel der Freunde schlug? Wohl habt ihr an euch selber noch zu rügen genug.” (2413) Da sprach der Degen Dietrich: “Wie ziemt solchen Degen Sich mit Worten schelten wie alte Weiber pflegen? Ich verbiet es, Meister Hildebrand, sprecht hier nicht mehr: Mich heimatlosen Recken zwingt große Beschwer. (2414) “Lasst hören, Recke Hagen,” sprach da Dietrich, “Was sprachet ihr zusammen, ihr Helden tugendlich, Als ihr mich gewaffnet sahet zu euch gehn? Ihr sagtet, ihr alleine wolltet mich im Streit bestehn.” (2415) “Das wird euch niemand leugnen,” sprach Hagen der Degen, “Wohl will ichs hier versuchen mit Kraftvollen Schlägen, Es sei denn mir zerbreche das Nibelungenschwert: Mich entrüstet, dass zu Geiseln ihr uns beide habt begehrt.” (2416) Als da Dietrich hörte Hagens grimmen Mut, Den Schild behende zuckte der schnelle Degen gut. Wie rasch ihm von der Stiege entgegen Hagen sprang!