»Eine kleine Pause«, sagte Voldemort, und seine schlitzartigen Nustern weiteten sich vor Erregung,»eine kleine Pause… das tat weh, nicht, Harry? Du willst nicht, da? ich das noch mal tue, oder?«

Harry antwortete nicht. Er wurde sterben wie Cedric, diese erbarmungslosen roten Augen sagten es ihm… er wurde sterben, und es gab nichts, was er dagegen tun konnte… doch er wurde nicht mitspielen. Er wurde Voldemort nicht gehorchen… er wurde nicht um sein Leben betteln…

»Ich hab dich gefragt, ob ich das noch einmal tun soll«, sagte Voldemort leise.»Antworte mir! Imperio!«

Und Harry hatte zum dritten Mal in seinem Leben das Gefuhl, alle Gedanken wurden aus seinem Kopf gefegt… ah, es war eine Wonne, nicht mehr denken zu mussen, es war, als ob er schwebte, traumte…»antworte einfach ›nein ‹… sag doch ›nein ‹, sag einfach ›nein ‹…«

»Ich will nicht«, sagte eine starkere Stimme in seinem Hinterkopf,»ich werde nicht antworten…«

»Sag einfach ›nein ‹…«

»Ich will es nicht, ich will es nicht sagen…«

»Sag einfach ›nein ‹,…«

»DAS WERDE ICH NICHT!«

Und diese Worte platzten aus Harrys Mund; sie hallten auf dem Friedhof wider, und er wurde aus seinem Traum gerissen, als hatte ihn jemand mit kaltem Wasser bespritzt – zuruck stromten die Schmerzen, die der Cruciatus-Fluch auf seinem ganzen Korper hinterlassen hatte – zuruck stromte das Wissen, wo er war und wem er gegenuberstand…

»Du willst nicht?«, sagte Voldemort leise, und die Todesser lachten diesmal nicht.»Du willst nicht ›nein‹ sagen? Harry, Gehorsam ist eine Tugend, die ich dir beibringen mu?, bevor du stirbst… wie war's mit einer weiteren kleinen Kostprobe Schmerz?«

Voldemort hob den Zauberstab, aber diesmal war Harry bereit; reflexartig, wie er es sich beim Quidditch antrainiert hatte, warf er sich seitlich zu Boden und rollte hinter den Grabstein von Voldemorts Vater; im selben Augenblick krachte der Fluch gegen den Grabstein.

»Wir spielen hier nicht Verstecken, Harry«, sagte Voldemort leise, und die kalte Stimme naherte sich, wahrend die Todesser erneut auflachten.»Du kannst dich nicht vor mir verstecken. Hei?t das, du bist des Duellierens mude? Hei?t das, du ziehst es vor, da? ich es auf der Stelle beende? Komm vor, Harry… komm vor und spiel mit… es wird schnell gehen… vielleicht sogar schmerzlos… ich kann es nicht wissen… ich bin nie gestorben…«

Harry kauerte hinter dem Grabstein und wu?te, da? das Ende gekommen war. Alle Hoffnung war verloren… niemand wurde ihm helfen konnen. Und wahrend er lauschte, wie Voldemort immer naher kam, war er sich, weit jenseits von Angst oder Vernunft, in einem sicher – er wollte hier nicht sterben wie ein Kind, das Versteck spielte; er wollte nicht zu Voldemorts Fu?en kniend sterben… er wurde aufrecht sterben wie sein Vater, und er wurde im Sterben versuchen, sich zu verteidigen, selbst wenn es aussichtslos war…

Noch bevor Voldemort mit seinem Schlangengesicht um den Grabstein schauen konnte, war Harry aufgestanden… er packte mit fester Hand seinen Zauberstab, hielt ihn vor sich und warf sich vor den Grabstein, Voldemort entgegen.

Voldemort war bereit. Harry rief:»Expelliarmus!«, Voldemort schrie:»Avada Kedavra!«

Ein gruner Lichtblitz scho? aus Voldemorts Zauberstab, und im selben Augenblick knallte ein roter Lichtblitz aus Harrys Zauberstab – sie trafen sich in der Luft – und plotzlich begann Harrys Zauberstab zu vibrieren, als stunde er unter elektrischer Spannung; seine Hand hatte sich eisern um den Stab geklammert; er hatte nicht loslassen konnen, auch wenn er gewollt hatte – und jetzt verband ein dunner Lichtstrahl die beiden Zauberstabe, weder rot noch grun, sondern hell und sattgolden -, und Harry, der dem Strahl mit verblufftem Blick folgte, sah, da? auch Voldemorts lange bleiche Finger einen zitternden und bebenden Zauberstab umklammerten.

Und dann geschah etwas, auf das ihn nichts hatte vorbereiten konnen: Harry spurte, wie er den Boden unter den Fu?en verlor. Etwas hob ihn in die Luft, und Voldemort genauso, wahrend ihre Zauberstabe durch den schimmernden Faden aus goldenem Licht verbunden blieben. Sie schwebten weg von dem Grabstein und sanken dann wieder zu Boden, auf ein graberloses, ebenes Stuck Erde… Die Todesser riefen und schrien durcheinander und flehten Voldemort an, ihnen Befehle zu erteilen; jetzt kamen sie zu ihnen, die Schlange glitt ihnen nach, und sie bildeten erneut einen Kreis um Harry und Voldemort, und einige zuckten den Zauberstab -

Der goldene Faden, der Harry und Voldemort verband, faserte sich jetzt auf: Zwar blieben die Zauberstabe verbunden, doch tausend neue Lichtfaden entstanden und wolbten sich uber Harry und Voldemort, schossen kreuz und quer uber sie, bis sie unter einem goldenen, kuppelformigen Netz eingeschlossen waren, einem Kafig aus Licht, jenseits dessen die Todesser, deren Schreie nun merkwurdig erstickt klangen, wie Schakale im Kreis herumhuschten…

»Tut nichts!«, kreischte Voldemort den Todessern zu, und Harry sah, wie sich seine roten Augen beim Anblick dessen, was um ihn her geschah, verblufft weiteten, sah, wie er sich muhte, den Lichtfaden zu zerrei?en, der immer noch seinen und Harrys Zauberstab verband; Harry packte den Zauberstab noch fester, umklammerte ihn nun mit beiden Handen, und der goldene Faden blieb unversehrt.»Tut nichts ohne meinen Befehl!«, schrie Voldemort den Todessern zu.

Und dann erfullte ein uberirdisch schoner Klang die Luft… er drang aus jedem Faden des Lichtgewebes uber ihnen und lie? die Luft um Harry und Voldemort erzittern. Es war ein Klang, den Harry wieder erkannte, obwohl er ihn erst einmal im Leben gehort hatte… es war der Gesang des Phonix…

Fur Harry war er die reine Hoffnung… das Schonste, das Willkommenste, das er je gehort hatte… er hatte das Gefuhl, der Gesang sei nicht nur um ihn her, sondern in ihm… es war der Klang, den er mit Dumbledore verband, und es war fast, als wurde ein Freund ihm ins Ohr sprechen…

»Lose die Verbindung nicht.«

Ich wei?, antwortete Harry der Musik, ich wei?, ich darf es nicht geschehen lassen… doch kaum hatte er es gedacht, wurde es viel schwerer, sein Zauberstab zitterte viel starker als zuvor… und nun veranderte sich der Strahl zwischen ihm und Voldemort… es war, als ob gro?e Lichtperlen an dem Faden zwischen den beiden Zauberstaben entlangglitten – Harry spurte den Zauberstab in seiner Hand erneut heftig zittern, wahrend die Lichtperlen langsam und stetig auf ihn zuglitten… die Kraft des Lichtstrahls war nun gegen ihn gerichtet und ging von Voldemort aus, und Harry spurte, wie sein Zauberstab zornig bebte…

Die vordere Lichtperle kam der Spitze seines Zauberstabs immer naher, das Holz zwischen seinen Fingern wurde so hei?, da? er furchtete, es wurde entflammen. Je naher die Lichtperle kam, desto heftiger bebte Harrys Zauberstab; gewi? wurde der Zauberstab die Beruhrung mit der Perle nicht uberstehen; er fuhlte sich an, als wurde er im nachsten Moment zwischen seinen Fingern zerbersten -

Mit jeder Faser seines Gehirns konzentrierte er sich darauf, die Perle zu Voldemort zuruckzudrangen, die Ohren erfullt vom Gesang des Phonix, die Augen lodernd, gebannt auf die Perle blickend… und langsam, ganz langsam, kamen die Perlen zitternd zum Stillstand, und dann, ebenso langsam, begannen sie in die andere Richtung zu gleiten… und es war Voldemorts Zauberstab, der nun gefahrlich zitterte… und es war Voldemort, dem das Erstaunen, ja, die Angst in den Augen stand…

Eine der Lichtperlen zitterte jetzt nur Zentimeter vor Voldemorts Zauberstab. Harry wu?te nicht, warum er es tat, wu?te nicht, was er damit erreichen konnte… doch er dachte mit allerletzter Kraft nur noch daran, da? er diese Lichtperle zuruckzwingen mu?te, hinein in Voldemorts Zauberstab… und langsam… sehr langsam… schwebte sie an dem goldenen Faden entlang… erbebte einen Moment lang… und dann beruhrte sie Voldemorts Zauberstab…

Im selben Augenblick drangen laut hallende Schmerzensschreie daraus hervor… und dann – Voldemorts rote Augen weiteten sich vor Schreck – flog eine Hand aus dickem Rauch aus der Spitze heraus und verschwand – der Geist der Hand, die er fur Wurmschwanz erschaffen hatte… wieder Schmerzensschreie… und dann erbluhte etwas viel Gro?eres aus der Spitze von Voldemorts Zauberstab, ein gro?es, graues Etwas, das aussah, als ware es aus greifbar dickem Rauch… es war ein Kopf… nun eine Brust und Arme… der Oberkorper von Cedric.

Dieses eine Mal hatte Harry vor Schreck fast seinen Zauberstab losgelassen, doch instinktiv umklammerte er ihn weiter, und der goldene Lichtfaden blieb erhalten, wahrend nun der rauchgraue Geist von Cedric Diggory (war es denn ein Geist? Er wirkte greifbar fest) zur Ganze aus Voldemorts Zauberstab drang, als ob er sich aus einem

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