»Auf eine gewohnliche Art.«

»Schone strahlende Augen, oder?«

»Zweifellos astigmatisch.«

»Und erst der Mund!«

»Ein normaler Mund«, sagte der Prinz.

»Winzig und zart!«

»Ziemlich klein«, raumte der Jungling ein.

»Sie ist bezaubernd, nicht wahr?«

»Sie ist ganz in Ordnung, nehme ich an«, entgegnete der Marchenprinz. »Aber ich bin noch zu jung, um jetzt schon fur den Rest meines Lebens eine Prinzessin am Hals zu haben. Ich hatte ja noch nicht mal eine Verabredung.«

Sein fehlendes Interesse war erschreckend. Damit hatte Azzie nicht gerechnet. Als ein einigerma?en typischer Damon befand er sich gewohnlich in einer lusternen Stimmung. Die blo?e Vorstellung, da? sich der Prinz so blasiert gegenuber der wunderschonen Prinzessin verhalten konnte, erstaunte ihn. Au?erdem argerte es ihn, und wenn er genauer daruber nachdachte, machte er sich Sorgen.

Vergeblich versuchte er, auf die Reize der Prinzessin hinzuweisen. Der Marchenprinz begegnete ihnen mit einer verheerenden Gleichgultigkeit, die Azzies Gefuhle verletzte, denn schlie?lich war Prinzessin Rosenrot seine Schopfung. Anderseits aber konnte er dem Prinzen deswegen nicht allzu bose sein, da er ihn ebenfalls erschaffen hatte und deshalb mehr oder weniger selbst fur dessen Einstellung verantwortlich war.

Die Dinge nahmen einen Verlauf, den Azzie nicht erwartet hatte. Ihm war nie in den Sinn gekommen, da? sein Prinz sich nicht augenblicklich in Prinzessin Rosenrot verlieben konnte. Nachdem seine Feigheit jetzt einigerma?en unter Kontrolle war, schien er sich als Romantikmuffel zu erweisen.

»Verdammt!« stie? Azzie hervor und knirschte mit den Zahnen. »Oh, verdammt! Noch ein Konstruktionsfehler!«

Es war eine hollische Situation.

KAPITEL 3

An diesem Abend schaffte er sich den Marchenprinzen durch einen magischen Schlaf vom Hals. Dann eilte er in sein Beschworungszimmer, wo Frike summend damit beschaftigt war, Phiolen mit Agius regae, Blutwurz, Stinkender Nieswurz und anderen Krautern und Substanzen abzustauben, die fur zauberkundige Damonen von Nutzen sind.

»Stell den Mist zur Seite«, befahl Azzie. »Ich mu? eine Beschworung machen. Bring mir einen Zehntelliter Fledermausblut, ein paar Damonenwarzen und eine Achtelpinte Schwarze Nieswurz.«

»Wir haben keine Schwarze Nieswurz mehr«, sagte Frike. »Geht es auch mit Krotenwarzen oder irgend etwas anderem?«

»Ich dachte, ich hatte dir aufgetragen, fur ausreichende Vorrate zu sorgen.«

»Es tut mir leid, Gebieter. Ich habe Geschmack daran gefunden.«

Azzie schnaubte. »Das Zeug hemmt dein Wachstum und la?t dir Haare aus den Handflachen sprie?en«, behauptete er. »Dann bring mir etwas von den Heliogabuluswurzeln. Das mu? dann eben reichen.«

Frike holte die Wurzeln und legte sie nach Azzies Anweisungen um ein Pentagramm aus Perlmutt, das in den Steinfu?boden eingelassen war. Er zundete die schwarzen Kerzen an, worauf Azzie einen Beschworungsgesang anstimmte. Die Worter enthielten eine Menge doppelter abgehackter Kehllaute, die fur die uralte Sprache des Bosen typisch sind. Bald darauf stiegen graue und purpurrote Rauchfaden aus dem Kreis auf. Sie dehnten sich aus, wurden dichter und hoher und verfestigten sich schlie?lich zu der hochgewachsenen Gestalt von Hermes Trismegistus.

»Heil dir, du Gro?er«, sagte Azzie.

»Hallo, Kleiner«, erwiderte Hermes. »Was hast du fur ein Problem?«

Azzie berichtete von seinen Schwierigkeiten mit dem Marchenprinzen.

»Es war ein Fehler, ihm von der Prinzessin zu erzahlen, Azzie«, erklarte Hermes. »Du hast irrtumlicherweise angenommen, da? die Dinge im richtigen Leben genauso wie im Marchen ablaufen, da? der Marchenprinz sich nach einem Blick auf das Miniaturgemalde unsterblich in Prinzessin Rosenrot verlieben wurde.«

»Passiert es denn nicht auf diese Weise?«

»Nur im Marchen.«

»Aber das ist ein Marchen!«

»Nein, noch ist es das nicht«, stellte Hermes klar. »Wenn alles vorbei ist und die Geschichte von einem Barden nacherzahlt wird, dann ist es ein Marchen. Im Augenblick treffen diese Voraussetzungen noch nicht zu. Du kannst nicht einfach einem jungen Mann ein Bild zeigen und erwarten, da? er sich in die Abbildung verliebt. Du mu?t Psychologie einsetzen.«

»Ist das ein besonderer Zauber?« fragte Azzie.

Hermes schuttelte den rauchumwolkten Kopf. »Es ist etwas, das wir eine Wissenschaft nennen, die Wissenschaft vom menschlichen Verhalten. Noch gibt es nichts Vergleichbares auf der Welt, was auch der Grund ist, warum alle Menschen so wankelmutig sind. Sie wissen nicht, warum sie was tun, eben weil es keine Psychologie gibt.«

»Gut, und was soll ich jetzt tun?«

»Zuerst mu?t du alle Erinnerungen des Marchenprinzen an das loschen, was du ihm uber Rosenrot erzahlt hast. Das kannst du mit einer kleinen Dosis Lethewasser erreichen. Nimm nicht zuviel, gerade genug, da? er seine letzten Gesprache mit dir vergi?t.«

»Und dann?«

»Das erzahle ich dir danach.«

Es bereitete keine Schwierigkeiten, Lethewasser zu beschaffen. Hermes brachte es in einem kleinen Kristallflaschchen, und Azzie verabreichte es dem Marchenprinzen. An diesem Abend a?en Azzie und sein Zogling gemeinsam im gro?en walnu?holzgetafelten Speisesaal. Frike servierte, wobei er wie ublich durch seinen hinkenden Gang etwas Suppe verschuttete.

»Ubrigens, Prinz, ich werde fur eine Weile verreisen«, sagte Azzie, nachdem der dampfende Braten abgeraumt war und sie den Nachtisch in Form von Cremekuchen verspeist hatten.

»Wohin, Onkel?«

»Ich habe einige Geschafte zu erledigen.«

»Was fur Geschafte, Onkel?«

»Meine Geschafte brauchen dich nicht zu interessieren. Frike! Bring mir die Schlussel!«

Frike humpelte davon und schlurfte mit einem gro?en Schlusselbund zuruck, der an einem Eisenring befestigt war.

»Pa? jetzt genau auf, Prinz«, sagte Azzie. »Ich vertraue die Schlussel des Anwesens deiner Obhut an. Der gro?e hier ist fur die Vordertur. Der kleine offnet die Hintertur und der andere kleine die Stalltur. Das ist der Schlussel fur den Keller, wo wir den Wein, das Bier und das Pokelfleisch aufbewahren. Dieser hier mit den Schnorkeln ist fur meine Truhe mit den Zaubermitteln. Wenn du willst, kannst du mit ihnen spielen, sie sind zur Zeit nicht geladen.«

»Ja, Onkel.« Der Marchenprinz nahm den Bund entgegen. Ein kleiner Silber Schlussel mit feinen Verzierungen auf dem Schaft erregte seine Aufmerksamkeit. »Was ist mit dem da?« wollte er wissen.

»Ach, der«, sagte Azzie. »Habe ich ihn am Schlusselring gelassen?«

»Ja, Onkel.«

»Nun, benutz ihn nicht.«

»Aber wofur ist er?«

»Fur die kleine Tur am Ende meines Schlafzimmers. Und mit dem anderen Ende kann man eine kleine Eichenholzkiste mit Bronzeverschlagen im Raum dahinter offnen. Aber du darfst nicht durch diese Tur gehen, und du darfst die Truhe nicht offnen.«

»Warum nicht, Onkel?«

»Es wurde zu lange dauern, es dir zu erklaren«, erwiderte Azzie.

»Ich habe viel Zeit«, sagte der Marchenprinz.

»Die hast du allerdings, und es ist auch alles, was du hast, nicht wahr? Aber ich habe keine Zeit. Ich mu? sofort aufbrechen. Glaub mir einfach, es hatte keine guten Auswirkungen, wenn du diese Tur offnen wurdest. Tu

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