»Ich habe keine Ahnung. Er war in letzter Zeit nicht gerade sehr gesprachig.«
»Ich verstehe nicht…«
»Als wir das letzte Mal gesprochen haben, war er etwas… unterkuhlt. Es konnte sein, da? er gro?ere Probleme hat, als mir klar ist, es konnte aber auch sein…«
»Was?«
»Da? er nun einmal ganz einfach so ist – mir gegenuber.«
Eine Weile tranken sie schweigend. »Ich schatze, es ist die Natur des Bosen, gemein zu sein«, bemerkte Babriel schlie?lich. »Sogar Freunden und Verbundeten gegenuber.«
Ylith wich seinem Blick aus. »Er war nicht immer so zu mir.«
»Oh!«
»Eure Seite ist in dieser Beziehung netter, nehme ich an.«
»Das hoffe ich doch sehr.«
»Aber das mu?t Ihr ja auch… Die Natur der Dinge und so.«
»Vermutlich. Aber ich denke gern, da? wir netter sind, weil wir es wirklich so
»Hmm.« Ylith drehte sich zu Prinzessin Rosenrot um. »geht sie Euch an«, sagte sie. »Das arme Ding hat keine Ahnung, da? sie nur eine Schachfigur in einem Spiel ist.«
»Aber wenn sie das nicht ware, wurde es sie nicht einmal geben.«
»Trotzdem, vielleicht ware es besser, gar nicht zu leben, als nur benutzt zu werden.«
»Ein interessantes theologisches Argument.«
»Theologisch, zur Holle! Entschuldigt, aber Menschen sind keine Gegenstande, die derart manipuliert werden durfen.«
»Nein, sie haben einen freien Willen. Also ist die Prinzessin trotz allem immer noch ihre eigene Herrin. Das ist es ja, was die ganze Angelegenheit so interessant macht.«
»Frei? Selbst wenn die Wahlmoglichkeiten kunstlich eingeschrankt sind?«
»Das ist ein weiterer interessanter theologischer Punkt… das hei?t, nein, ich denke, es ist nicht sehr nett. Aber trotzdem, was kann man dagegen tun? Sie ist wirklich so etwas wie eine Spielfigur.«
»Das denke ich auch. Aber trotzdem kann ich nicht umhin, ein bi?chen Mitleid mit ihr zu haben.«
»Oh, ich auch. Wir sind Experten in Sachen Mitgefuhl.«
»Ist das alles? Ich meine, das hilft ihr auch nicht viel weiter.«
»Aber es ist uns nicht gestattet, ihr in dieser Angelegenheit zu helfen. Allerdings, nachdem Ihr es jetzt erwahnt, denke ich, da? ich sie fur etwas Gnade empfehlen konnte.«
»Ware das nicht Betrug, wurde das nicht bedeuten, ihr zu helfen?«
»Nicht unbedingt. Gnade hilft, ohne direkt zu helfen, wenn Ihr versteht, was ich meine. Sie hilft den Menschen dabei, sich selbst zu helfen. Ich kann das nicht als Betrug betrachten. Ja, vielleicht sollte ich…« Er trank einen weiteren Schluck.
»Seid Ihr schon immer so gewesen?« wollte Ylith wissen.
»Wie meint Ihr das?«
»Nett.«
»Das nehme ich an.«
»Wie erfrischend. Das erleichtert es, sich mit Euch als Beobachter abzufinden.«
»Seid Ihr schon immer eine Hexe gewesen?«
»Ich habe mich vor langer Zeit fur diese Laufbahn entschieden.«
»Zu Eurer Zufriedenheit?«
»Meistens. Welche Art von Beitrag steuern die Machte des Lichtes bei?«
»Oh, wir nennen es eine gotische Kathedrale, ein vollig neues Konzept in der Architektur, die der Anbetung und der Forderung des Guten gewidmet ist.«
»Wie unterscheidet sich diese gotische Kathedrale von den bisher ublichen Gebauden? Ubrigens, la?t mich Euch nachschenken.«
»Danke.«
Als Ylith mit frischen Getranken zuruckkam, begann Babriel, ihr die Konstruktion gotischer Kathedralen zu erklaren. Sie lachelte und nickte fasziniert in regelma?igen Abstanden.
KAPITEL 5
Rosenrot schritt vor Ylith auf und ab und blieb dann kurz stehen.
»Ich bin es leid, immer nur zu schlummern«, beschwerte sie sich und nahm ihre ruhelose Wanderung wieder auf.
»Nie scheine ich richtig wach zu sein«, fuhr sie fort, »und trotzdem kann ich keine Nacht fest durchschlafen. Ich mu? irgend etwas anderes tun, au?er einfach in diesem doofen Schlo? herumzusitzen und darauf zu warten, da? mich irgendein Kerl aufweckt. Ich will hier raus! Ich will mit irgend jemandem sprechen!«
»Du kannst mit mir sprechen«, erwiderte Ylith.
»Ach, Tante Ylith, du bist sehr nett, und ich wurde endgultig den Verstand verlieren, wenn du nicht hier warst. Aber ich wurde mich gern mit jemand anderem unterhalten. Du wei?t schon… mit einem Mann.«
»Ich wollte, ich konnte dir helfen«, versicherte Ylith. »Aber du wei?, da? du keine Gesellschaft haben sollst. Du sollst einfach nur schlafen, bis der Marchenprinz hier auftaucht.«
»Ich wei?, ich wei?«, sagte Rosenrot. Ihre Augen fullten sich mit Tranen. »Aber es ist so langweilig, die ganze Zeit nur zu schlafen. Und dann noch nicht einmal richtig. Schlummern! Ach, bitte, Tante Ylith, kannst du mir denn nicht irgendwie helfen?«
Ylith uberlegte. Ihre Verargerung uber Azzie wuchs. Sie hatte es besser wissen mussen, als ihm wieder zu vertrauen. Aber daran konnte sie jetzt nichts mehr andern.
Am nachsten Tag klopfte es am Tor. Es geschah wahrend einer der seltenen Momente, in denen Rosenrot wach war, und sie eilte hinunter, um selbst zu offnen.
Vor der Tur stand ein knapp zwei Meter gro?er Frosch in einer Dienerlivree. Eine wei?e Perucke sa? etwas schief auf seinem warzigen grunen Kopf.
»Hallo«, sagte Rosenrot ruhig. Allmahlich gewohnte sie sich an magische Besuche. Es konnte sie kaum noch etwas uberraschen nach ihren Gesprachen mit Azzie – der sehr seltsam war und immer in plotzlich aus dem Nichts auftauchenden Rauchwolken erschien und wieder verschwand und Ylith, die viel Zeit vor einem magischen Spiegel verbrachte, in dem sie die Leute aus der Stadt am Fu? des Berges und viele andere Ort beobachtete (einschlie?lich der Unterwelt und der niedrigen astralen Reiche). »Seid Ihr der Prinz, der mich aufwecken soll?«
»Um Himmels willen, nein!« entgegnete der Frosch. »Ich bin nur ein Bote.«
»Aber unter Eurer Frosch Verkleidung seid Ihr in Wirklichkeit ein stattlicher junger Mann, nicht wahr?«
»Ich furchte, nein«, sagte der Frosch. »Man hat mich durch Zauberei zwei Meter gro? gemacht und mich in die Lage versetzt, die Menschensprache zu beherrschen.«
»Wie seht Ihr aus, wenn Ihr nicht verzaubert seid?«
»Dann bin ich eine Handspanne gro? und quake.«
»Was willst du?« fragte Prinzessin Rosenrot enttauscht.
»Ich uberbringe Euch eine Einladung.« Er hielt ein rechteckiges Stuck Pappe hoch, in das folgende Mitteilung eingepragt war:
»Oh, vielen Dank!« rief Rosenrot. »Aber warum hat Prinzessin Aschenbrodel mich eingeladen? Ich kenne sie ja nicht einmal.«
»Sie hat gehort, da? Ihr hier seid, und Eure mi?liche Lage tut ihr leid. Sie hatte fruher selbst so ihre Probleme, mu?t Ihr wissen.«
»Ich wurde liebend gern kommen! Aber ich habe kein Ballkleid.«
»Ihr konnt Euch bestimmt eins besorgen.«
»Und die Fahrt… Wie soll ich dort hinkommen?«
»Setzt Euch einfach mit dem