was hatten wir damit gewonnen, wenn wir in dieser Form auf eine Klarung der Frage drangen? Wir hatten Joe Pearson bewiesen, da? er seine eigene Abteilung nicht mehr in der Hand hat. Und damit wurden wir medizinisch und in jeder anderen Weise unser eigenes Ansehen und das des Krankenhauses untergraben, wie Harvey es gerade bezeichnet hat.« O'Donnell dachte noch an etwas anderes, woruber er hier nicht sprechen konnte, daran, da? er auch Pearsons Einflu? auf die alte Garde im Krankenhausausschu? und die hauspolitischen Auswirkungen berucksichtigte, die eine schwerwiegende Auseinandersetzung nach sich ziehen mu?te.
»Ich will damit nicht sagen, da? ich mich Ihnen anschlie?e, aber was wollen Sie vorschlagen?« Diese Frage kam von Charlie Dornberger. Er akzentuierte seine Worte mit Puffen an seiner Pfeife, wahrend er sie in Brand setzte.
Rufus schnuffelte. »Wir beeilen uns wohl besser. Hier wird man bald nicht mehr atmen konnen. Importieren Sie diesen Kameldung selbst, Charlie?«
Wahrend die anderen lachelten, entschlo? sich O'Donnell, sie einzuweihen. »Mein Vorschlag, Charlie, besteht darin, da? Sie mit Joe sprechen - in unser aller Namen.«
»O nein.« Dornbergers Reaktion entsprach weitgehend dem, was O'Donnell erwartet hatte. In uberredendem Ton fuhr er fort: »Charlie, wir wissen, da? Sie ein enger Freund von Joe sind, und das hatte ich berucksichtigt, ab ich Sie zu dieser Besprechung bat. Sie konnten ihn in diesem Punkt uberreden.«
»Mit anderen Worten, ich soll fur Sie das Kriegsbeil schwingen«, antwortete Dornberger trocken.
»Charlie, glauben Sie mir: es ist kein Kriegsbeil.«
Dr. Charles Dornberger zogerte. Er bemerkte, da? die anderen ihn beobachteten, wahrend sie auf seine Antwort warteten. Er war unschlussig. Sollte er das tun, worum O'Donnell ihn bat? Er wurde von zwei widerstrebenden Empfindungen hin und her gerissen: seiner Anteilnahme an dem Wohl des Krankenhauses und seiner personlichen Freundschaft mit Joe Pearson.
In gewisser Weise hatten ihn die Mitteilungen uber die Verhaltnisse in der Pathologie nicht uberrascht. Sie schilderten einen Zustand, den er schon seit einiger Zeit vermutete. Dessenungeachtet hatten ihn die beiden Vorfalle mit Rufus und Reubens unsagbar erschreckt. Dornberger war auch uberzeugt, da? O'Donnell diese Zusammenkunft niemals einberufen hatte, wenn er nicht ernstlich besorgt gewesen ware, und er respektierte das Urteil des Chefs der Chirurgie.
Gleichzeitig wunschte Charles Dornberger Joe Pearson zu helfen, falls er es konnte, und in diesem Augenblick war er uber die Flut der Vorfalle bedruckt, die den alten Pathologen zu uberschwemmen schienen. Aber davon abgesehen, klangen O'Donnells Worte aufrichtig, als er sagte, es bestehe keine Absicht, Pearson auszubooten, und die anderen schienen der gleichen Auffassung zu sein. Er sah ein, da? er vielleicht der geeignetste Vermittler war. Vielleicht konnte er Joe auf diese Weise am besten helfen.
Dornberger sah die anderen der Reihe nach einzeln an. »Ist das die einhellige Meinung?«
Nachdenklich erklarte Lucy Grainger: »Ich habe Joe sehr gern, wie wir alle, glaube ich. Aber mir scheint, da? einige Veranderungen in der Pathologie notwendig sind.« Es waren die ersten Worte, die Lucy sprach. Auch sie hatte sich uber diese Besprechung mit Kent O'Donnell Gedanken gemacht. Die Ereignisse am Abend vorher in ihrer Wohnung hatten sie in einer seltsamen Weise beunruhigt, wie sie es seit Jahren nicht mehr kannte. Nachher hatte sie sich gefragt, ob sie O'Donnell liebe, sich dann selbst gesagt und sich nur halb geglaubt -, da? Worte dieser Art zwar gut fur junge und temperamentvolle Menschen pa?ten, aber in ihrem Alter - bei ihrer Reife und Unabhangigkeit und mit einer eigenen Praxis - prufte und uberlegte man und uberwand plotzlich aufwallende Gefuhlsregungen. In diesem Augenblick war sie allerdings in der Lage, personliche Gefuhle vom beruflichen Standpunkt zu trennen und uber die Probleme in der Pathologie sachlich zu urteilen. Man lernte das als Arzt sehr bald - private Dinge aus seinen Gedanken auszuschlie?en, wenn unmittelbare Fragen bedeutsamer waren.
O'Donnell sah Rufus an. »Bill?«
Der Chirurg nickte. »Gut. Wenn Charlie mit Pearson sprechen will, bin ich einverstanden.«
Harvey Chandler war der nachste. Gewichtig setzte der Chef der inneren Abteilung Dornberger auseinander: »Meiner Meinung nach ist das der beste Weg, die Angelegenheit zu behandeln. Sie werden uns allen und auch dem Krankenhaus dadurch einen sehr gro?en Dienst erweisen.«
»Also schon«, antwortete Dornberger, »ich will sehen, was ich tun kann.«
Einen Augenblick lang herrschte Schweigen, und O'Donnell empfand Erleichterung. Er wu?te, da? das Problem verstanden worden war und da? jetzt wenigstens etwas geschehen wurde. Wenn dieser Versuch fehlschlug, mu?te er unmittelbare Schritte unternehmen. Manchmal, dachte er, ware es einfacher, wenn das medizinische Protokoll weniger kompliziert ware. In der Industrie wurde ein Mann, der seine Aufgabe nicht angemessen erfullte, entlassen. Wenn man wunschte, da? ihm ein Assistent zur Seite stehe, wurde ihm das mitgeteilt, und im allgemeinen war der Fall damit erledigt. Aber in der Medizin und in einem Krankenhaus ging man weniger gradlinig vor. Die Grenzen der Autoritat waren selten klar gezogen, und der Leiter einer medizinischen Abteilung war nach seiner Ernennung weitgehend Herr in seinem Reich. Noch wichtiger war, da? man vor wirklich drastischen Ma?nahmen zuruckscheute, weil man es mit mehr als nur einem Arbeitsplatz zu tun hatte. Man stellte ungern die Fahigkeiten eines Mannes in Frage, der, wie man selbst, von seinem beruflichen Ansehen abhing. Es war eine delikate Frage, bei der eine einzige Entscheidung die gesamte Zukunft und den Lebensunterhalt eines Kollegen beeinflussen konnte. Das war der Grund, weshalb man vorsichtig vorging, Dinge dieser Art sorgfaltig verhullte und dem Einblick von au?en entzog.
Harry Tomaselli sagte leise: »Wir werden uns also nach einem Pathologen umsehen mussen, wenn ich richtig verstehe.«
»Ich denke, wir sollten damit anfangen«, antwortete O'Donnell dem Verwaltungsdirektor und sah dann die anderen an. »Ich nehme an, da? die meisten von uns Verbindungen besitzen, durch die man es verbreiten kann. Wenn Sie von irgend jemand horen - vielleicht einem guten Mann, der gerade seine Zeit als Assistenzarzt abgeschlossen hat -, ware ich dankbar, wenn man mich informierte.«
»Pathologen konnen gegenwartig weitgehend nach Belieben wahlen«, meinte Bill Rufus.
»Ich wei?. Es wird gar nicht so leicht sein. Das ist ein Grund mehr, Joe vorsichtig zu behandeln«, fugte O'Donnell dann hinzu.
Harry Tomaselli hatte in eine seiner Schreibtischschubladen gegriffen und einen Aktendeckel herausgezogen. »Hier ist vielleicht etwas, das Sie interessiert«, sagte er.
»Was haben Sie denn da?« fragte Harvey Chandler.
»Ich habe kurzlich die Liste der frei werdenden Pathologen erhalten«, antwortete Tomaselli. »Offen gesagt, hatte ich etwas Ahnliches schon erwartet und darum gebeten. Vor ein oder zwei Wochen erhielt ich diesen Namen.«
»Darf ich sehen?« O'Donnell griff nach dem Papier, das Tomaselli in der Hand hielt. Er wu?te, da? die sogenannte >Offene Liste< Krankenhausern auf Verlangen in regelma?igen Abstanden zugeschickt wurde. Sie enthielt Informationen uber Pathologen, die fur offene Stellen zur Verfugung standen, und die genannten Manner hatten genehmigt, da? ihr Name aufgenommen wurde. Es gab ferner eine vertrauliche Liste, die aber ausschlie?lich den Mitgliedern des Fachverbandes der Pathologen zur Verfugung stand. Zum gro?ten Teil enthielt die >Vertrauliche Liste < Arzte, die mit ihrer gegenwartigen Stellung unzufrieden waren und unauffallig nach einer anderen suchten. Krankenhauser, die einen Pathologen einstellen wollten, teilten das dem Fachverband mit, der die Arzte, die auf der >Vertraulichen Liste< standen, informierte. Dann konnte jeder, der wollte, sich direkt an das Krankenhaus wenden. Doch ungeachtet dieser Einrichtung wurden, wie O'Donnell bekannt war, die meisten Pathologen immer noch auf Grund personlicher Verbindungen und Empfehlungen angestellt.
Er betrachtete das Blatt, das der Verwaltungsdirektor ihm gereicht hatte. Es nannte den Namen eines Dr. David Coleman, einunddrei?ig Jahre alt. O'Donnell zog die Augenbrauen hoch, als er Colemans Zeugnisse und Ausbildungsgang sah. Mit Auszeichnung die Universitat von New York absolviert, Assistent im Bellevue, zwei Jahre in der Armee, den gro?ten Teil als Pathologe, funf Jahre Assistenzarzt fur Pathologie, auf drei gute Krankenhauser verteilt. Das war ein Mann, der sich um die denkbar beste Ausbildung bemuht hatte.
Er reichte das Papier an Rufus weiter. »Ich bezweifle sehr, da? er uns uberhaupt in Frage ziehen wird«, sagte er zu Tomaselli. »Bei seinen Qualifikationen und dem Anfangsgehalt, das wir ihm bezahlen konnen, glaube ich es nicht.« O'Donnell wu?te aus einem fruheren Gesprach mit dem Verwaltungsdirektor, da? sich das Gehalt auf etwa zehntausend Dollars im Jahr beschranken mu?te.
Rufus sah auf. »Das scheint mir auch. Der Mann kann zwischen den Krankenhausern in den gro?en Stadten wahlen.« Er gab das Blatt an Harvey Chandler weiter.
»Nun, Tatsache ist.« Tomaselli schwieg. Sein Ton war ungewohnlich zuruckhaltend, als ob er seine Worte