Operationssaal zuruckgebracht und die notwendige Operation vorgenommen. Ganz eindeutig war es aber wichtig, da? der Pathologe seinen zweiten Befund schnell abgab. O'Donnell hatte bereits erkannt, da? hierin der Kern von Rufus' Beschwerde lag.

»Wenn es nur einmal passiert ware«, beklagte sich Rufus, »wurde ich nicht davon reden. Ich wei?, da? die Pathologie sehr viel zu tun hat, und ich will auch nichts gegen Joe Pearson sagen, aber es ist eben nicht nur dieser eine Fall, Kent. Es ist dauernd so.«

»Nennen Sie mir ein spezifisches Beispiel, Bill«, forderte O'Donnell knapp. Er bezweifelte allerdings keinen Augenblick, da? Rufus seine Beschwerde durch Tatsachen belegen konnte.

»Also gut. Ich operierte in der vergangenen Woche eine Patientin, eine Mrs. Mason, mit einem Brusttumor. Ich entfernte den Tumor, und nach dem Gefrierschnitt erklarte Joe Pearson: gutartig. Spater allerdings, in seinem pathologischen Befund, bezeichnete er ihn als bosartig.« Rufus hob die Schultern. »Dagegen ist nichts einzuwenden. Es ist bei der ersten Untersuchung nicht immer eindeutig zu erkennen.«

»Aber?« Jetzt, nachdem O'Donnell wu?te, um was es ging, wollte er die Sache hinter sich bringen.

»Pearson brauchte fur den pathologischen Befund acht Tage. Als ich den Bericht endlich erhielt, war die Patientin bereits entlassen.«

»So, so.« Das ist tatsachlich bose, dachte O'Donnell. Das konnte er nicht einfach ubergehen.

»Es ist nicht einfach«, fuhr Rufus ruhig fort, »eine Frau zuruckzuholen und ihr zu erklaren, da? man sich geirrt habe, da? sie doch Krebs habe und da? sie noch einmal operiert werden musse.«

Nein, das war nicht einfach; O'Donnell wu?te es nur zu gut. Einmal, ehe er zum Three Counties Hospital gekommen war, hatte er das gleiche erlebt. Er hoffte, da? er es nie wieder tun mu?te.

»Bill, wollen Sie mich die Geschichte auf meine Art in Ordnung bringen lassen?« O'Donnell war froh, da? es Rufus war, der ihm den Fall vortrug. Mit einem der anderen Chirurgen ware es schwieriger gewesen.

»Gewi?, wenn etwas Definitives geschieht.« Rufus' Hartnackigkeit war gerechtfertigt. »Verstehen Sie, es handelte sich nicht um einen vereinzelten Fall. Zufallig ist es diesmal ein sehr boser.«

Auch hier wu?te O'Donnell, da? das stimmte. Das Schwierige war, da? Rufus verschiedene andere Probleme nicht kannte, die damit in Zusammenhang standen.

»Heute nachmittag noch werde ich mit Joe Pearson reden«, versprach er. »Nach der Konferenz uber die Todesfalle in der Chirurgie. Sie kommen doch?«

Rufus nickte. »Gewi?, ich komme.«

»Dann sehe ich Sie dort, Bill. Danke, da? Sie mich unterrichtet haben. Ich verspreche Ihnen, da? etwas geschehen wird.«

Etwas, dachte O'Donnell, wahrend er durch den Korridor ging. Aber was? Er dachte immer noch uber dieses Problem nach, als er in die Verwaltungsabteilung kam und die Tur zu Harry Tomasellis Buro offnete.

O'Donnell bemerkte Tomaselli erst, als ihn der Verwaltungsdirektor anrief. »Hier, Kent.« Tomaselli stand auf der anderen Seite des birkegetafelten Raumes uber einen Tisch gebeugt, statt an seinem Schreibtisch zu sitzen, an dem er den gro?ten Teil seiner Arbeitszeit verbrachte. Vor ihm aufgerollt lagen Bauplane und Zeichnungen. O'Donnell ging uber den dicken Teppich zu ihm und blickte gleichfalls auf die Plane.

»Luftschlo sser, Harry?« Er deutete auf eine der Zeichnungen. »Wissen Sie, ich bin uberzeugt, da? wir fur Sie da oben eine prachtige Dachwohnung einbauen konnen, oben auf dem Ostflugel.«

Tomaselli lachelte. »Ich werde mich gern fugen, vorausgesetzt, Sie uberzeugen den Ausschu?, da? es notwendig ist.« Er nahm seine randlose Brille ab und begann die Glaser zu polieren. »Hier ist es also - das neue Jerusalem.«

O'Donnell studierte die Silhouette des Three Counties Hospitals mit den prachtigen neuen Erweiterungsbauten, die der Architekt gezeichnet hatte. Die Planung war bereits weitgehend abgeschlossen. Die Neubauten umfa?ten einen ganzen Flugel und ein neues Schwesternheim. »Gibt es sonst etwas Neues?« Er wandte sich Tomaselli zu.

Der Verwaltungsdirektor hatte seine Brille wieder aufgesetzt. »Ich habe heute morgen wieder mit Orden gesprochen.« Orden Brown, Prasident des zweitgro?ten Stahlwerkes in Burlington, war Vorsitzender des Krankenhausausschusses.

»Ja, und?«

»Er ist uberzeugt, da? wir bis Januar mit einem Baufonds von einer halben Million Dollars rechnen konnen. Das bedeutet, da? wir im Marz mit dem Ausschachten beginnen konnen.«

»Und die andere halbe Million? Letzte Woche sagte mir Orden, er glaube, damit wurde es bis Dezember dauern.« Selbst das, dachte O'Donnell, halte ich fur ubertrieben optimistisch seitens des Vorsitzenden.

»Ich wei?«, antwortete Tomaselli. »Aber er bat mich, Ihnen zu sagen, da? er seine Ansicht geandert habe. Gestern hatte er wieder eine Besprechung mit dem Burgermeister. Sie sind uberzeugt, da? sie die zweite halbe Million im nachsten Sommer zusammenbekommen und die Sammelaktion im Herbst abschlie?en konnen.«

»Das ist eine gute Nachricht.« O'Donnell entschlo? sich, seine bisherigen Vorbehalte aufzugeben. Wenn Orden Brown sich in dieser Weise festlegte, schaffte er es zweifellos auch.

»Ja. Und au?erdem«, fuhr Tomaselli mit gespielter Beilaufigkeit fort, »haben Orden Brown und der Burgermeister am nachsten Mittwoch eine Besprechung mit dem Gouverneur. Es sieht aus, als ob wir schlie?lich doch noch den hoheren Staatszuschu? bekamen.«

»Sonst noch etwas?« fragte O'Donnell den Verwaltungsdirektor mit gespielter Knappheit.

»Ich meine, Sie konnen damit zufrieden sein«, sagte Tomaselli.

»Mehr als zufrieden«, antwortete O'Donnell. In gewisser Weise konnte man das als den ersten Schritt zur Erfullung einer Vision bezeichnen. Es war eine Vision, die vor dreieinhalb Jahren bei seiner Ankunft im Three Counties Hospital ihre ersten Umrisse angenommen hatte. Seltsam, wie man sich an einen Ort gewohnt, dachte O'Donnell. Wenn ihm jemand auf der Harvard Medical School oder spater, als er erster chirurgischer Assistent am Columbia Presbyterian Hospital war, vorausgesagt hatte, da? er in einem ruckstandigen Krankenhaus wie Three Counties Hospital landen wurde, hatte er nur spottisch gelachelt. Und als er dann zu Barts nach London ging, um seine Erfahrungen als Chirurg zu vervollstandigen, tat er es in der festen Absicht, nach seiner Ruckkehr in den Stab eines der Krankenhauser mit einem gro?en Namen wie John Hopkin oder Massachusetts General Hospital einzutreten. Mit dem, was er vorzuweisen hatte, stand ihm die Wahl so gut wie frei. Aber ehe er Zeit fand, sich zu entscheiden, kam Orden Brown zu ihm nach New York und uberredete ihn, Burlington und Three Counties Hospital zu besuchen.

Was er dort sah, entsetzte ihn. Das Krankenhaus war heruntergekommen, schlecht organisiert und verwaltet, der medizinische Standard, von wenigen Ausnahmen abgesehen, niedrig. Die Leiter der chirurgischen und der inneren Abteilungen hatten ihre Positionen seit Jahren inne. O'Donnell hatte gespurt, da? ihr Lebensziel darin bestand, einen fur sie angenehmen Status quo zu erhalten. Der Verwaltungsdirektor -die Schlusselstellung fur die Beziehungen zwischen dem Leitungsausschu? des Krankenhauses, der aus Laien bestand, und dem medizinischen Stab - war schwach und unfahig. Das Ausbildungsprogramm des Krankenhauses fur Praktikanten und Assistenzarzte war verrufen, fur Forschung standen keine Mittel zur Verfugung, die Verhaltnisse, unter denen die Schwestern lebten und arbeiteten, waren fast mittelalterlich. Orden Brown hatte ihm alles gezeigt und nichts vorenthalten. Anschlie?end fuhren sie zusammen in das Haus des Vorsitzenden. O'Donnell nahm die Einladung zum Abendessen an, beabsichtigte aber, ein Nachtflugzeug zuruck nach New York zu nehmen. Er war angewidert und wollte Burlington und das Three Counties Hospital nie wieder sehen.

Beim Abendessen in dem stillen E?zimmer mit den bespannten Wanden in Orden Browns Haus auf einem Berg hoch uber Burlington war ihm alles geschildert worden. Die Geschichte war ihm nicht neu oder unbekannt. Three Counties Hospital, das einmal ein fortschrittliches und modernes Krankenhaus gewesen war und in dem Staat ein hohes Ansehen besessen hatte, war der Uberheblichkeit und der Tragheit zum Opfer gefallen. Ein alternder Industrieller, der seine Verantwortung meistens auf einen anderen abschob und nur gelegentlich aus gesellschaftlichen Anlassen im Krankenhaus erschien, war Vorsitzender des Leitungsausschusses. Der Mangel an Fuhrung hatte sich nach unten ausgebreitet. Die Abteilungsleiter hatten ihre Stellungen uberwiegend seit vielen Jahren inne und waren jedem Wechsel abgeneigt. Die jungeren Leute unter ihnen hatten zuerst dagegen gemurrt, es dann aufgegeben und waren woandershin abgewandert. Schlie?lich war der Ruf des Krankenhauses so gesunken, da? junge, hochqualifizierte Arzte nicht langer versuchten, dort eine Stellung zu finden. Aus diesem Grunde wurden weniger qualifizierte Leute aufgenommen. So lag die Situation zu der Zeit, als O'Donnell auf der Bildflache erschien.

Der einzige Wechsel war mit der Berufung Orden Browns selbst eingetreten. Drei Monate vorher war der

Вы читаете Letzte Diagnose
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату