alte Vorsitzende gestorben. Eine Gruppe einflu?reicher Burger hatte Brown uberredet, die Nachfolge zu ubernehmen. Die Wahl erfolgte nicht einstimmig. Ein Teil der alten Garde im Krankenhausausschu? wunschte den Vorsitz fur ihren eigenen Kandidaten, ein altes Ausschu?mitglied namens Eustace Swayne. Aber die Mehrheit hatte sich fur Brown entschieden, und nun versuchte er, andere Ausschu?mitglieder fur einige seiner Ideen zur Modernisierung des Three Counties Hospitals zu gewinnen.

Es erwies sich, da? er seinen Kampf nach oben fuhren mu?te.

Zwischen den konservativen Elementen des Ausschusses, fur die Eustace Swayne Sprecher war, und einer Gruppe der alteren Arzte des Krankenhauses bestand eine Allianz. Gemeinsam widersetzten sie sich Veranderungen. Brown mu?te vorsichtig vorgehen und diplomatisch handeln.

Eines der Dinge, die er wunschte, war eine Vergro?erung des Krankenhausausschusses, um neue, aktivere Mitglieder hineinzubringen. Er beabsichtigte, einige der jungeren leitenden Manner aus der Wirtschaft Burlingtons dafur zu gewinnen, aber bisher hatte der Ausschu? in dieser Frage noch keine Einmutigkeit erreicht, und der Plan wurde bis auf weiteres zuruckgestellt.

Wenn Orden Brown gewollt hatte, konnte er, wie er O'Donnell offen erklarte, eine entscheidende Auseinandersetzung erzwingen und seine Absichten durchsetzen. Wenn er wunschte, konnte er durch seinen Einflu? einige der Manner der alteren passiven Mitglieder aus dem Ausschu? verdrangen. Aber das ware kurzsichtig gewesen, weil die meisten wohlhabende Manner und Frauen waren, und das Krankenhaus war auf die Zuwendungen angewiesen, die es im allgemeinen erhielt, wenn einer seiner Forderer starb. Wenn sie jetzt ausgeschaltet wurden, konnten einige der Betroffenen ihre Testamente andern und das Krankenhaus ausschlie?en. Eustace Swayne, der einen Warenhauskonzern beherrschte, hatte diese Moglichkeit bereits angedeutet. Daher war Orden Brown gezwungen, behutsam und diplomatisch vorzugehen.

Dennoch waren einige Fortschritte erzielt worden. Und einer der Schritte, die der Vorsitzende mit der Zustimmung der Ausschu?mehrheit unternahm, war die Suche nach einem neuen Chef der Chirurgie. Deshalb hatte er sich an O'Donnell gewandt.

Bei dem Abendessen hatte O'Donnell den Kopf geschuttelt. »Ich furchte, das ist nichts fur mich.«

»Vielleicht nicht«, hatte Brown geantwortet. »Aber ich mochte Sie bitten, mich trotzdem zu Ende anzuhoren.«

Er sprach uberzeugend, dieser Industrielle, der, obwohl er selbst aus einer wohlhabenden Familie stammte, sich den ganzen Weg durch das Stahlwerk, vom Hochofenarbeiter in die Verwaltung und schlie?lich auf den Prasidentenstuhl, hochgearbeitet hatte. Er besa? auch ein Gefuhl fur Menschen. Das hatte er sich in den Jahren Schulter an Schulter mit den Arbeitern im Walzwerk erworben. Dies mochte einer der Grunde sein, warum er sich die Last aufburdete, Three Counties Hospital aus dem Sumpf herauszuziehen, in dem es versackt war. Aber aus welchem Grunde auch immer, selbst in der kurzen Zeit, die O'Donnell mit ihm zusammen war, hatte er die Hingabe des alteren Mannes an seine Aufgabe gespurt. »Falls Sie hierherkommen«, hatte Brown kurz vor Beendigung ihrer Unterhaltung gesagt, »kann ich Ihnen nichts versprechen.

Ich wurde Ihnen gern sagen, Sie werden freie Hand haben. Aber ich halte es fur wahrscheinlicher, da? Sie sich alles, was Sie wollen, erkampfen mussen. Sie werden auf Opposition sto?en, auf Widerstande, Hauspolitik, Ablehnung. Es wird Gebiete geben, auf denen ich Ihnen nicht helfen kann und Sie allein stehen.« Brown hatte eine Pause gemacht und dann still hinzugefugt: »Vermutlich ist das einzig Gute, was man uber die Situation hier sagen kann, da? sie vom Standpunkt eines Mannes wie Sie eine Herausforderung, eine Aufgabe darstellt. In gewisser Weise die gro?te Aufgabe, die ein Mann auf sich nehmen kann.«

Das war das letzte Wort, das Orden Brown an diesem Abend uber das Krankenhaus sagte. Anschlie?end sprachen sie von anderen Dingen, von Europa, den bevorstehenden Wahlen, dem Auferstehen des Nationalismus in Mittelost. Brown war weit gereist und gut informiert. Spater wurde O'Donnell von seinem Gastgeber zum Flughafen gebracht, und auf dem Flugsteig druckte man sich die Hande. »Es war mir eine Freude, Sie kennenzulernen«, sagte Orden Brown, und O'Donnell erwiderte das Kompliment aufrichtig. Dann stieg er in sein Flugzeug, in der Absicht, Burlington abzuschreiben und an diese Reise nur als an eine weitere nutzliche Erfahrung zu denken.

Auf dem Ruckflug versuchte er, in einer Zeitschrift zu lesen; einen Artikel uber Tennismeisterschaften, der ihn interessierte. Aber sein Verstand nahm die Worte nicht auf. Er dachte weiter uber Three Counties Hospital nach, uber das, was er dort gesehen hatte und was dort geschehen mu?te. Dann begann er plotzlich, zum ersten Mal seit vielen Jahren, seine eigene Einstellung gegenuber der Medizin zu uberprufen. Was bedeutet sie uberhaupt? fragte er sich. Was suche ich fur mich selbst? Welche Ziele habe ich mir gesetzt? Was habe ich selbst zu geben? Was werde ich am Ende hinterlassen? Er hatte nicht geheiratet, wahrscheinlich wurde er es nie. Er hatte Liebeserlebnisse gehabt - im Bett und au?erhalb -, aber nichts darunter von Dauer. Wo fuhrt dieser Weg mich hin, fragte er sich, von Harvard uber Presbyterian und Barts.? Plotzlich wu?te er die Antwort. Er wu?te: Es war Burlington und das Three Counties Hospital. Die Entscheidung war gefallen und die Richtung unwiderruflich bestimmt. Bei der Landung auf dem La-Guardia-Flughafen schickte er Orden Brown ein Telegramm. Es lautete einfach: »Ich nehme an.«

Wahrend O'Donnell jetzt auf die Plane dessen heruntersah, was der Verwaltungsdirektor anzuglich >das neue Jerusalem< nannte, dachte er an die dreieinhalb Jahre, die hinter ihm lagen. Orden Brown hatte recht behalten, als er sagte, sie wurden nicht leicht sein. Alle Hindernisse, die der Ausschu?vorsitzende vorausgesagt hatte, waren aufgetreten. Nach und nach waren die schwersten Hurden allerdings uberwunden worden.

Nach O' Donnells Ankunft war sein Vorganger als Chef der Chirurgie unauffallig verschwunden. O'Donnell hatte einige der Chirurgen, die bereits zum Stab des Krankenhauses gehorten und sich fur eine Steigerung des Standards in dem Krankenhaus einsetzten, fur sich gewonnen. Unter sich hatten sie die chirurgischen Richtlinien verscharft und einen energischen Ausschu? eingesetzt, der dafur sorgte, da? sie in den Operationsraumen befolgt wurden. Ein anderer Ausschu?, der fast in Vergessenheit geraten war, wurde neu belebt. Seine Aufgabe war zu sichern, da? Fehler bei Operationen, insbesondere die unnotige Entfernung gesunder Organe, nicht wieder vorkamen.

Die weniger befahigten Chirurgen wurden freundlich, aber nachdrucklich gedrangt, sich auf Operationen zu beschranken, die im Rahmen ihrer Fahigkeiten lagen. Ein paar der Metzger, der Blinddarmentferner am laufenden Band, der Unfahigen, wurden vor die Wahl gestellt, sich unauffallig zuruckzuziehen oder offiziell ausgeschlossen zu werden. Wenn das fur manche auch den Verlust eines Teiles ihres Lebensunterhaltes bedeutete, so zogen die meisten doch vor, stillschweigend zu verschwinden. Darunter befand sich auch ein Chirurg, der tatsachlich einem Kranken eine Niere herausgenommen hatte, ohne sich vorher zu vergewissern, da? seinem Patienten bei einer fruheren Operation die andere Niere bereits entfernt worden war. Dieses furchtbare Versehen wurde bei der Obduktion aufgedeckt.

Die Beseitigung dieses Arztes aus dem Stab des Krankenhauses war leicht gewesen. Bei einigen anderen hatte es sich indessen als schwieriger erwiesen. Es war zu Auseinandersetzungen vor dem medizinischen Ausschu? des Counties gekommen, und zwei Chirurgen, die fruher zum Krankenhaus gehorten, hatten vor Gericht Klage gegen das Three Counties Hospital erhoben. Das bedeutete, wie O'Donnell wu?te, erbitterte gerichtliche Auseinandersetzungen, und er furchtete die Aufmerksamkeit der Offentlichkeit, die dadurch zweifellos erregt wurde.

Aber trotz dieser Probleme hatten sich O'Donnell und die Arzte, die hinter ihm standen, durchgesetzt, und die entstandenen Lucken des Stabes wurden sorgfaltig und muhevoll mit neuen, fahigen Mannern geschlossen - darunter mancher Absolvent seiner eigenen Alma mater -, die O'Donnell gedrangt und uberredet hatte, sich in Burlington niederzulassen.

Inzwischen hatte auch die innere Abteilung einen neuen Leiter, Dr. Chandler, erhalten, der zwar schon unter dem alten Regime dem Krankenhaus angehorte, sich aber haufig gegen die Mi?stande ausgesprochen hatte. Chandler war Internist, und wenn er und O'Donnell in Fragen der Leitung des Krankenhauses manchmal auch verschiedener Meinung waren und O'Donnell den anderen mitunter anma?end fand, nahm Chandler zumindest, wenn es darum ging, den medizinischen Standard hochzuhalten, eine kompromi?lose Haltung ein.

In O'Donnells dreieinhalb Jahren waren auch die Verwaltungsmethoden geandert worden. Ein paar Monate nach seinem eigenen Antritt hatte O'Donnell mit Orden Brown uber einen jungen stellvertretenden Verwaltungsdirektor gesprochen, einen der besten Leute, die er in seiner Krankenhauspraxis kennengelernt hatte. Der Vorsitzende hatte sich ins Flugzeug gesetzt und war zwei Tage spater mit einem unterschriebenen Vertrag zuruckgekehrt. Einen Monat danach wurde der alte Verwaltungsdirektor, erleichtert, eine Last abzulegen, die uber seine Krafte hinausgewachsen war, ehrenvoll pensioniert, und Harry Tomaselli trat an seine Stelle. Jetzt kam in

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