schon, ohne die Worte dazu zu kennen, die langen Wissenschaftsworte, die Odeen immer benutzte. Was ringsum geschah, wurde plotzlich viel klarer und bedeutsamer.

Da sie den kindischen Spott nicht mehr furchtete, nachdem sie nun das Prestige der Odeen-Triade teilte, versuchte sie von Zeit zu Zeit mit den anderen Gefuhlslingen auszukommen und das Zwitschern und das Gedrange uber sich ergehen zu lassen. Immerhin lag ihr gelegentlich doch an einer handfesteren Mahlzeit - eine Mahlzeit, die zudem noch das Verschmelzen besser machte. Es bereitete eine gewisse Freude - manchmal verstand sie fast den Spa?, den die anderen daran hatten , in den Sonnenstrahlen herumzugleiten, damit sie moglichst gunstig bestrahlt wurde; es machte Spa?, sich gemutlich zusammenzuziehen und zu verdichten, um mit gro?erer Dichte die Warme besser aufnehmen zu konnen.

Doch war Dua immer schnell gesattigt, und ihr Energievorrat reichte sehr lange, wahrend die anderen nie genug zu bekommen schienen. Sie hatten eine Art gefra?iges Schlenkern an sich, das Dua nicht nachmachen konnte und das ihr langsam unertraglich wurde.

Aus diesem Grunde lie?en sich Denklinge und Elterlinge auch so selten an der Oberflache sehen. Ihre Dichte ermoglichte es ihnen, eine Mahlzeit schnell aufzunehmen und sofort wieder zu verschwinden. Gefuhlslinge rakelten sich stundenlang in der Sonne, denn obwohl sie langsamer a?en, brauchten sie tatsachlich mehr Energie als die anderen - zumindest beim Verschmelzen.

Der Gefuhlsling lieferte die Energie, hatte ihr Odeen einmal erklart (und dabei so sehr pulsiert, da? seine Signale kaum verstandlich waren), der Denkling den Samen und der Eiterung die Brutstatte.

Nachdem Dua das verstanden hatte, mischte sich eine gewisse Belustigung in ihre Mi?billigung, wenn sie die anderen Ge-fuhlslinge die Mittagssonne formlich aufschlurfen sah. Da diese Wesen niemals Fragen stellten, wu?ten sie bestimmt nicht, warum sie das taten, und begriffen daher auch nicht, da? ihre zitternden Verdichtungen etwas Obszones hatten; ebenso die Art und Weise, wie sie zum Schlu? zwitschernd nach unten entschwanden - naturlich zu einem guten Verschmelzen, fur das sie nun viel Energie parat hatten.

Sie wu?te nun auch mit Tritts Arger fertig zu werden, wenn sie ohne die flirrende Trubung hinunterkam, die eine gute Mahlzeit anzeigte. Doch die beiden konnten sich kaum beklagen. Die dunne Gestalt, die sie sich bewahrte, hatte ein nachhaltiges Verschmelzen zur Folge. Jedenfalls war die Vereinigung nicht so uberladen wie moglicherweise bei den anderen Triaden, doch uberhaupt - da war sie sicher - kam es ja einzig und allein auf die atherischen Eigenschaften an. Und Klein-Links und Klein-Rechts waren ja auch gekommen, oder?

Naturlich hing es nun vom Baby-Gefuhlsling, vom KleinMitt ab. Der erforderte mehr Energie als die beiden anderen, und Dua hatte einfach nie genug.

Auch Odeen begann schon davon zu sprechen. 'Du bekommst nicht genugend Sonnenlicht, Dua.'

'Doch', erwiderte Dua hastig.

'Genias Triade', sagte Odeen, 'hat gerade einen Gefuhlsling gezundet.'

Dua mochte Genia nicht, schon seit jeher. Sie war sogar fur einen Gefuhlsling ziemlich hohlkopfig und hatte wenig zu bieten. Dua sagte hochmutig:

'Damit brustet sie sich wohl. Sie hat keinen Takt. Vermutlich sagt sie: 'Ich sollte wohl nicht davon sprechen, meine Liebe, aber du erratst nie, was mein Linksling und mein Rechts-ling getan haben...' 'Sie ahmte Genias tremolierendes Gehabe treffsicher nach, und Odeen war belustigt. Doch dann sagte er: 'Genia ist vielleicht ein Dummkopf, doch sie hat einen Gefuhlsling fertiggebracht, und Tritt regt sich sehr daruber auf. Wir haben uns schon viel langer...'

Dua wandte sich ab. 'Ich kann einfach nicht mehr Sonne vertragen. Ich tu's ja schon, bis ich mich kaum noch bewegen kann. Ich wei? nicht, was du eigentlich von mir willst.'

'Sei nicht bose', meinte Odeen. 'Ich habe Tritt versprochen, ich wurde mit dir reden. Er meint, du wurdest auf mich horen...'

'Oh, Tritt halt es nur fur komisch, da? du mir die Wissenschaft erklarst. Er begreift das alles nicht... Willst du denn einen Mittling wie die anderen?'

'Nein', antwortete Odeen ernst. 'Du bist anders als die ubrigen, und das freut mich. Und wenn dich das Gerede eines Denklings nicht weiter stort, mochte ich dir etwas erklaren. Die Sonne erbringt heute langst nicht mehr die Nahrungsmenge wie in der alten Zeit. Die Lichtenergie hat nachgelassen, und man mu? langer in der Sonne liegen. Die Geburtsrate fallt seit Urzeiten, und die Weltbevolkerung betragt heute nur noch einen Bruchteil der fruheren.'

'Ich kann's doch nicht andern', sagte Dua heftig.

'Die Hartlinge konnen vielleicht etwas tun. Auch ihre Zahl hat sich verringert...'

'Ziehen sie weiter?' Dua war plotzlich interessiert. Sie hatte die anderen Wesen immer irgendwie fur unsterblich gehalten, hatte geglaubt, da? sie gar nicht geboren waren und daher nicht starben. Wer hatte denn schon einmal einen Baby-Hartling zu Gesicht bekommen? Sie hatten keine Babies. Sie verschmolzen nicht miteinander. Sie a?en nicht.

'Ich konnte mir denken, da? sie weiterziehen', antwortete Odeen nachdenklich. 'Sie erzahlen mir nie von sich. Ich bin nicht mal sicher, wie sie essen, aber sie tun das naturlich. Und sie werden geboren. Da gibt es zum Beispiel einen neuen... Ich habe ihn noch nicht gesehen... Aber egal, es geht darum, da? sie eine kunstliche Nahrung entwickelt haben...'

'Ich wei?', sagte Dua. 'Ich habe davon gekostet.'

'O wirklich? Das wu?te ich nicht.'

'Ein paar Gefuhlslinge haben davon erzahlt. Sie sagten, ein Hartling habe Freiwillige gesucht, die davon kosten sollten, aber die Dummkopfe furchteten sich. Sie sagten, das Zeug wurde sie nachhaltig hart machen, so da? sie niemals wieder verschmelzen konnten.'

'Das ist doch Unsinn', sagte Odeen heftig.

'Ich wei?. Also meldete ich mich. Das brachte sie zum Schweigen. Sie sind einfach unertraglich, Odeen.'

'Wie war es denn?'

'Schrecklich', erwiderte Dua. 'Herb, bitter. Naturlich habe ich das den anderen Gefuhlslingen nicht gesagt.'

'Ich habe auch davon gekostet. So schlimm war es nun wieder nicht.'

'Denklinge und Elterlinge haben sowieso keinen Geschmack.'

'Es steckt noch im Experimentierstadium', sagte Odeen. 'Sie bemuhen sich sehr, es zu verbessern, die Hartlinge. Besonders Estwald - das ist der Hartling, den ich schon erwahnte, der Neue, den ich noch nicht gesehen habe. Er arbeitet daran.

Losten spricht ab und zu von ihm, als ob er etwas Besonderes ware, ein ganz bedeutender Wissenschaftler.'

'Wie kommt es, da? du ihn noch nicht gesehen hast?'

'Ich bin nur ein Weichwesen. Du wirst doch wohl kaum annehmen, da? man mir alles zeigt und erklart, wie? Ich bekomme ihn schon eines Tages zu Gesicht. Er hat eine neue Energiequelle entwickelt, die uns vielleicht noch alle rettet...'

'Ich will keine kunstliche Nahrung', sagte Dua und hatte Odeen abrupt allein gelassen.

Das war vor gar nicht so langer Zeit gewesen. Odeen hatte noch nicht wieder von diesem Estwald gesprochen, doch sie wu?te, da? er die Sprache eines Tages wieder darauf bringen wurde, und sie dachte jetzt bei Sonnenuntergang daruber nach.

Nur jenes eine mal hatte sie die kunstliche Nahrung gesehen; eine schimmernde Lichtkugel, wie eine winzige Sonne, in einer von den Hartlingen ausgesuchten Hohle. Und sie verspurte noch immer einen bitteren Nachgeschmack.

Wollte man die Speise verbessern? Wollte man ihr einen besseren Geschmack geben, so da? sie womoglich eine Kostlichkeit war? Und wurde sie sich dann damit vollschlagen mussen, bis das Vollegefuhl ein fast unkontrollierbares Verlangen nach dem Verschmelzen ausloste?

Sie furchtete diesen Fortpflanzungstrieb. Anders war es, wenn das Verlangen aus der hektischen Stimulierung durch Linksling und Rechtsling erwuchs. Nur der Fortpflanzungstrieb bedeutete, da? sie reif war, einen Baby-Mittling in Gang zu bringen. Und - und das wollte sie nicht!

Es dauerte lange, bis sie sich diese Tatsache eingestand. Sie wollte keinen Gefuhlsling hervorbringen. Denn nach der Geburt der drei Kinder ruckte unweigerlich die Zeit des Weiterziehens heran, und das wollte sie nicht. Sie erinnerte sich an den Tag, da ihr Eiterung sie fur immer verlassen hatte, und so sollte es auf keinen Fall fur sie

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