bedeutete, und als er seinen Eiterung fragte, stellte es sich heraus, da? der Altere auch keine Ahnung hatte.

Es dauerte eine Weile, bis er diese Frage beantwortet erhielt, und die Erkenntnis war durchaus angenehm, sehr angenehm sogar, wenn sie auch ihre negativen Aspekte hatte.

Der Hartling, der ihn zum erstenmal 'Linksling' genannt hatte, wurde sein erster Lehrer. Er lehrte ihn die Interpretation der Wellenaufzeichnungen, so da? nach einiger Zeit aus einem scheinbar unverstandlichen Kode klare Worte wurden - so leicht verstandlich wie die Worte, die er mit seinen eigenen Vibrationen erzeugen konnte.

Aber dann verschwand der erste Lehrer und kam nicht wieder, und ein zweiter Hartling nahm seinen Platz ein. Odeen bemerkte das nicht sofort. In jenen Tagen war es so schwierig, die Hartlinge voneinander zu unterscheiden, ihre Stimmen auseinanderzuhalten. Aber schlie?lich wuchs doch die Gewi?heit heran. Langsam wuchs diese Gewi?heit, und die Veranderung lie? ihn erzittern. Er verstand ihre Bedeutung nicht.

Er nahm schlie?lich allen Mut zusammen und fragte: 'Wo ist mein Lehrer, Hart-Herr?'

'Gamaldan? ... Er wird dich nicht mehr besuchen, Linksling.'

Einen Moment war Odeen sprachlos. Dann sagte er: 'Aber Hartlinge ziehen doch nicht weiter...' Er beendete den Satz nicht, brach erstickt ab.

Der neue Hartling blieb passiv, sagte nichts, gab keine Information.

Wie Odeen noch merken sollte, war es immer so. Die Hart-linge sprachen niemals uber sich. Uber alle anderen Themen lie?en sie sich aus. Wenn es um sie ging - nichts.

Zahlreiche Hinweise konnten Odeen schlie?lich nur zu dem Schlu? bringen, da? auch die Hartlinge weiterzogen; da? sie nicht unsterblich waren (wie so viele Weichwesen als selbstverstandlich annahmen). Doch erhielt er von keinem Hartling eine klare Bestatigung. Odeen und die anderen StudentenDenklinge diskutierten manchmal daruber, zogernd, unruhig. Jeder wu?te von einem Umstand zu berichten, der klar auf die Sterblichkeit der Hartlinge hinwies, und war dennoch unsicher und wollte nicht den offensichtlichen Schlu? ziehen. Schlie?lich ruckten sie wieder von dem Thema ab.

Den Hartlingen schien es egal zu sein, da? Hinweise auf ihre Sterblichkeit existierten. Sie taten nichts, um sie zu verschleiern. Aber sie sprachen auch niemals daruber. Und wenn eine direkte Frage aufkam (wie es unweigerlich manchmal geschah), gaben sie niemals Antwort; weder bestatigten sie etwas, noch stritten sie ab.

Wenn sie tatsachlich weiterzogen, (die jungen Denklinge nannten es 'sterben'), mu?ten sie auch geboren werden; trotzdem sprachen sie niemals davon, und Odeen bekam niemals einen jungen Hartling zu Gesicht.

Odeen vermutete, da? die Hartlinge ihre Energie nicht von der Sonne, sondern aus den Felsen bezogen - oder da? sie zumindest pulverisiertes schwarzes Gestein in ihre Korper aufnahmen. Einige Studenten teilten diese Ansicht. Andere stellten sich heftig dagegen. Eine klare Entscheidung gab es jedoch nicht, denn niemand hatte bisher einen Hartling beim Essen beobachtet, und die Hartlinge lie?en auch hieruber nichts verlauten.

Schlie?lich nahm Odeen ihre Zuruckhaltung als selbstverstandlich hin - als einen Teil ihres Wesens. Vielleicht, so uberlegte er, lag es an ihrer Individualitat, an der Tatsache, da? sie keine Triaden bildeten. Das mochte eine Mauer um sie errichten.

Au?erdem lernte Odeen in dieser Zeit so viele andere wichtige Dinge kennen, da? die Frage nach dem Privatleben der Hartlinge ohnehin unwichtig wurde. Er erfuhr zum Beispiel, da? die ganze Welt zusammenschrumpfte, da? sie kleiner wurde...

Es war sein neuer Lehrer Losten, der ihm das erzahlte.

Odeen hatte sich nach den unbewohnten Hohlen erkundigt, die sich endlos in den Tiefen der Welt erstreckten, und Losten schien sich daruber zu freuen. 'Furchtest du dich vor dieser Frage, Odeen?'

(Er wurde jetzt einfach mit seinem Namen angeredet und nicht mehr nur als Linksling. Es erfullte ihn immer wieder mit Stolz, wenn ein Hartling ihn Odeen nannte. Viele taten das. Odeen war sehr lernbegierig, und der Gebrauch seines Namens kam ihm wie eine Anerkennung dieser Tatsache war. Mehr als einmal hatte Losten seine Befriedigung daruber geau?ert, ihn als Schuler zu haben.)

Odeen furchtete sich tatsachlich und gab das nach einigem Zogern auch zu. Es fiel ihm stets leichter, Unzulanglichkeiten vor einem Hartling einzugestehen als vor einem anderen Denkling, geschweige denn vor Tritt; nein, ganz unmoglich, Tritt so etwas zu erzahlen ... Es war noch in den Tagen vor Dua.

'Warum fragst du dann?'

Wieder zogerte Odeen, ehe er langsam sagte: 'Ich furchte mich vor den unbewohnten Hohlen, weil mir fruher erzahlt wurde, es wohnten viele Ungeheuer darin. Aber ich wei? das naturlich nur indirekt; es wurde mir eben von anderen Kindern erzahlt, die es auch nicht aus eigener Anschauung wissen konnten. Ich mochte gern die Wahrheit erfahren, und dieser Wunsch ist mit der Zeit so stark geworden, da? meine Neugier nun fast gro?er ist als meine Angst.'

Losten sah ihn erfreut an. 'Gut! Neugier ist nutzlich, Angst nutzlos. Deine innere Entwicklung macht ausgezeichnete Fortschritte, Odeen, und denk daran - letztlich zahlt uberhaupt nur deine innere Entwicklung. Unsere Hilfe dabei ist nebensachlich. Da du es wirklich wissen willst, la?t sich ganz einfach sagen, da? die Hohlen tatsachlich vollig unbewohnt sind. Sie stehen leer. Nichts befindet sich darin au?er den unwichtigen Uberbleibseln vergangener Zeiten.'

'Doch wer hat diese Dinge zuruckgelassen, Hart-Herr?' Unsicher wahlte Odeen die formliche Anrede, wie immer, wenn es so offensichtlich um Kenntnisse ging, die ihm noch abgingen.

'Die fruheren Bewohner. Vor Tausenden von Zyklen gab es noch viele tausend Hartlinge und Millionen von Weichwesen. Heute sind es weniger denn je, Odeen. Heute leben nicht ganz dreihundert Hartlinge und nicht einmal zehntausend Weichwesen auf dieser Welt.'

'Warum?' fragte Odeen schockiert. (Nur dreihundert Hartlinge. Das war ein offenes Eingestandnis, da? die Hartlinge weiterzogen, doch jetzt war nicht der Augenblick, daruber nachzudenken.)

'Weil die Energie nachla?t. Die Sonne kuhlt ab. Mit jedem Zyklus wird es schwieriger, Kinder zu gebaren und uberhaupt zu leben.'

(Lie? sich daraus etwa schlie?en, da? die Hartlinge auch Kinder zur Welt brachten? Und hie? das, da? auch die Hartlin-ge ihre Nahrung von der Sonne bezogen und nicht aus den Felsen? Odeen uberging den Gedanken fur den Augenblick.)

'Geht das noch weiter?' fragte Odeen.

'Die Sonne schrumpft immer weiter zusammen, Odeen, und wird eines Tages keine Nahrung mehr abgeben.'

'Hei?t das, da? wir alle - Hartlinge und Weichwesen - weiterziehen?'

'Was sonst?'

'Wir konnen nicht alle weiterziehen. Wenn wir Energie brauchen und die Sonne abstirbt, mussen wir andere Energiequellen finden. Andere Sterne.'

'Aber, Odeen, alle Sterne kuhlen ab. Das Universum geht dem Ende entgegen.'

'Wenn die Sterne ihrem Ende entgegengehen, gibt es denn nicht woanders neue Nahrung? Keine andere Energiequelle?'

'Nein, die Energiequellen uberall im Universum werden versiegen.'

Odeen dachte nach und sagte schlie?lich: 'Also andere Uni-versen. Wir konnen doch nicht einfach aufgeben, nur weil das Universum am Ende ist.' Er zitterte heftig bei diesen Worten. Mit unverzeihlicher Kuhnheit hatte er sich uber alle Schranken der Hoflichkeit hinweggesetzt und war durchscheinend zu einer Gro?e angeschwollen, die den Hartling deutlich uberragte.

Doch Losten ging nicht darauf ein, lie? nur au?erste Freude erkennen. 'Wunderbar, mein lieber Linksling. Das mussen die anderen horen!'

Daraufhin war Odeen sofort wieder zu seiner normalen Gro?e zusammengeschrumpft, verlegen und erfreut zugleich, da? er plotzlich als mein lieber Linksling bezeichnet wurde - eine Anrede, die er noch von niemandem gehort hatte, au?er naturlich Tritt.

Kurz darauf hatte Losten ihnen Dua gebracht. Beilaufig hatte Odeen uberlegt, ob da vielleicht ein Zusammenhang bestand, doch nach einer Weile gab er das Grubeln auf. Tritt hatte so oft wiederholt, da? Duas Kommen nur seinem Vorsprechen zu verdanken war, da? Odeen nicht weiter daruber nachdachte.

Doch jetzt wandte er sich wieder einmal an Losten. Eine lange Zeit war seit jenen Tagen vergangen, da er zum erstenmal erfuhr, da? das Leben des Universums seinem Ende zuging und da? (wie es sich herausstellte) die Hartlinge entschlossen nach einer Moglichkeit des Uberlebens suchten. Er selbst hatte sich seither auf manchen

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