Krankengeld, ob sie nun zu Hause lagen oder im Hospital. Im alten Irland gab es die ersten Krankenhauser, die in Europa bekannt sind. Aus heutiger Sicht beschrieben die Gesetze der Brehons eine beinahe ideale Gesellschaft.

Diesen Hintergrund und seinen starken Gegensatz zu den Nachbarlandern Irlands sollte man sich vor Augen halten, um Fidelmas Rolle in dem hier Erzahlten zu verstehen.

Fidelma studierte an der weltlichen Hochschule des Brehon Morann von Tara. Nach acht Jahren Studium erlangte sie den Grad eines anruth, den zweithochsten, den die weltlichen oder kirchlichen Hochschulen des alten Irland zu vergeben hatten. Der hochste Grad hie? ollamh, und das ist noch heute das irische Wort fur Professor. Fidelma hatte die Rechte studiert, sowohl das Strafrecht Senchus Mor als auch das Zivilrecht Leabhar Acaill. Deshalb wurde sie dalaigh, Anwaltin bei Gericht.

Ihre Hauptaufgabe bestand ahnlich der eines heutigen schottischen Richters darin, unabhangig von den Befugnissen der Ordnungshuter Beweismittel aufzunehmen, einzuordnen und festzustellen, ob sich in einem Rechtsfall weitere Ermittlungen lohnen oder ob er eingestellt werden sollte. Der franzosische juge d’instruction hat heute noch entsprechende Aufgaben. Fidelma darf daruber hinaus auch vor Gericht als Vertreterin der Anklage oder als Verteidigerin auftreten oder mu? sogar in weniger schwerwiegenden Fallen das Urteil sprechen, wenn ein Brehon dafur nicht abkommlich war.

In jener Zeit gehorten die meisten Vertreter des Gelehrtenstandes den neuen christlichen Klostern an, so wie in den Jahrhunderten davor alle Vertreter der geistigen Berufe Druiden waren. Fidelma trat in die geistliche Gemeinschaft von Kildare ein, die im spaten funften Jahrhundert von der heiligen Brigitta gegrundet worden war. Zu der Zeit jedoch, in der die vorliegende Geschichte spielt, hatte Fidelma ernuchtert die Gemeinschaft verlassen. Den Grunden dafur kann der geneigte Leser in der Geschichte Hemlock at Vespers nachspuren.

Wahrend das siebente Jahrhundert in Europa zum »finsteren Mittelalter« gezahlt wird, gilt es in Irland als ein Zeitalter der »goldenen Aufklarung«. Aus allen Landern Europas stromten Studierende an die irischen Hochschulen, um sich dort ausbilden zu lassen, unter ihnen auch die Sohne der angelsachsischen Konige. An der gro?en kirchlichen Hochschule in Durrow findet man zu dieser Zeit Studenten aus nicht weniger als achtzehn Nationen. Zur selben Zeit brachen mannliche und weibliche Missionare aus Irland auf, um das heidnische Europa zum Christentum zu bekehren. Sie grundeten Kirchen, Kloster und Zentren der Gelehrsamkeit bis nach Kiew in der Ukraine im Osten, den Faroer-Inseln im Norden und Tarent in Suditalien. Irland galt als Inbegriff von Bildung und Wissenschaft.

Die keltische Kirche Irlands lag jedoch in einem standigen Streit uber Fragen der Liturgie und der Riten mit der Kirche in Rom. Die romische Kirche hatte sich im vierten Jahrhundert reformiert, die Festlegung des Osterfestes und Teile ihrer Liturgie geandert. Die keltische Kirche und die orthodoxe Kirche des Ostens weigerten sich, Rom hierin zu folgen. Die keltische Kirche wurde schlie?lich zwischen dem neunten und dem elften Jahrhundert von der romischen Kirche aufgesogen, wahrend die orthodoxen Ostkirchen bis heute von Rom unabhangig geblieben sind. Zu Fidelmas Zeit brach dieser Konflikt offen aus. Es ist unmoglich, uber Kirchenfragen jener Zeit zu schreiben, ohne sich auf die damals vorherrschenden philosophischen Fehden zu beziehen.

Ein Kennzeichen der keltischen wie der romischen Kirche im siebenten Jahrhundert war die Tatsache, da? der Zolibat nicht allgemein ublich war. Es gab zwar in den Kirchen immer Asketen, die die korperliche Liebe zur Verehrung der Gottheit vergeistigten, doch erst auf dem Konzil von Nicaa im Jahre 325 wurden Heiraten von Geistlichen der westlichen Kirche verurteilt, aber nicht verboten. Der Zolibat in der romischen Kirche leitete sich von den Brauchen der heidnischen Priesterinnen der Vesta und der Priester der Diana her.

Im funften Jahrhundert hatte Rom den Geistlichen im Range eines Abts oder Bischofs untersagt, mit ihren Ehefrauen zu schlafen, und bald danach die Heirat ganzlich verboten. Den niederen Geistlichen riet Rom von der Heirat ab, verbot sie ihnen aber nicht. Erst der Reformpapst Leo IX. (1049-1054) unternahm ernsthaft den Versuch, den Klerikern der westlichen Lander den allgemeinen Zolibat aufzuzwingen. Die keltische Kirche gab erst nach jahrhundertelangem Ringen ihre antizolibatare Haltung auf und schlo? sich den Richtlinien Roms an, wohingegen in der ostlichen orthodoxen Kirche die Priester unterhalb des Ranges von Abt und Bischof bis heute das Recht zur Eheschlie?ung haben.

Das Wissen um die freie Einstellung der keltischen Kirche zu geschlechtlichen Beziehungen ist wesentlich fur das Verstandnis des Hintergrunds dieses Romans.

Die Verurteilung der »Sunde des Fleisches« blieb der keltischen Kirche noch lange fremd, nachdem sie in der romischen bereits zum Dogma geworden war. Zu Fidelmas Zeit lebten beide Geschlechter in Abteien und Klostern zusammen, die als conhospitae oder Doppelhauser bekannt waren, und erzogen ihre Kinder im Dienste Christi.

Fidelmas eigenes Kloster der heiligen Brigitta in Kildare war solch eine Gemeinschaft beider Geschlechter. Als Brigitta sie in Kildare (Cill Dara = Kirche der Eichen) grundete, lud sie einen Bischof namens Con-laed ein, sich mit ihr zusammenzutun. Ihre erste uberlieferte Biographie wurde 650, funfzig Jahre nach ihrem Tode, von einem Monch in Kildare mit Namen Cogitosus geschrieben, der keinen Zweifel daran la?t, da? es auch weiterhin eine gemischte Gemeinschaft war.

Zum Beweis fur die gleichberechtigte Stellung der Frauen ware noch darauf hinzuweisen, da? in der keltischen Kirche jener Zeit Frauen auch Priester werden konnten. Brigitta selbst wurde von Patricks Neffen Mel zur Bischofin geweiht, und sie war nicht die einzige. Rom protestierte im sechsten Jahrhundert schriftlich gegen die keltische Praxis, Frauen die heilige Messe zelebrieren zu lassen.

Im Gegensatz zur romischen Kirche gab es in der keltischen kein System von »Beichtvatern«, denen man seine »Sunden« beichten mu?te und die dann die Vollmacht hatten, jemandem im Namen Christi diese Sunden zu vergeben. Statt dessen suchte man sich unter den Geistlichen oder Laien einen sogenannten »Seelenfreund« (anam chara) aus und erorterte mit diesem Fragen der Seele, des Geistes und des Glaubens.

Dem Vorwurf einiger Leser, ich wurde anachronistischerweise auf die damals ublichen Ma?angaben verzichten und das heutige metrische Me?system anfuhren, mu? ich entgegenhalten, da? der Historiker an dieser Stelle dem Erzahler den Vorrang la?t und fur ein besseres Verstandnis der Ma?angaben unter der Leserschaft bewu?t auf moderne Entsprechungen fur die irischen Ma?einheiten zu Fidelmas Zeiten zuruckgreift. Es ware viel zu muhselig, im einzelnen zu erklaren, was die Bedeutungen von ordlach, bas, troig-hid, ceim, dies- ceim, fertach und forrach sind.

Hauptpersonen

Schwester Fidelma von Cashel, eine dalaigh oder Anwaltin an den Gerichten im Irland des siebenten Jahrhunderts

Bruder Eadulf von Seaxmund’s Ham, ein angelsachsischer Monch aus dem Lande des Sudvolks

IN PORTH CLAIS

Bruder Rhodri

IN DER ABTEI DEVI SANT, MENEVIA

Abt Tryffin

Gwlyddien, Konig von Dyfed

Cathen, Sohn von Gwlyddien

Bruder Meurig, ein barnwr oder Richter aus Dyfed

Bruder Cyngar aus Menevia

Cadell, ein Krieger

IN PEN CAER UND UMGEBUNG

Mair, Tochter von Iorwerth, ein Opfer

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