Also blieb ihm nur eines zu tun. Er mu?te so rasch wie moglich zur Abtei Dewi Sant weiterwandern. Abt Tryffin wu?te schon Rat, auch sollte er umgehend von dem furchtbaren Geschehen in Kenntnis gesetzt werden. Nur die Monche der gro?en Abtei Dewi Sant besa?en die Macht, den bosen Fluch von dem Kloster hier zu nehmen. Welch ein geheimnisvoller Zauber mochte unter der armen klosterlichen Gemeinschaft von Llanpadern gewutet haben? Am ganzen Leibe zitternd, lie? Bruder Cyngar das verlassene Kloster, so schnell er konnte, hinter sich. So gelangte er rasch uber den steinigen Weg zu den sudlichen Bergen. Der strahlende Herbsttag wirkte nun duster, schwer und bedrohlich. Doch welcher Art war diese Bedrohung?

Kapitel 2

In den wenigen Sekunden zwischen Bewu?tlosigkeit und Erwachen gibt es einen Augenblick lebhaften Traumens. Eadulf kampfte in dunklem Gewasser, er bekam keine Luft. Er versuchte, an die Oberflache zu schwimmen, er ruderte mit Armen und Beinen, und ihm war, als wurde er in Kurze ersticken. Doch wie sehr er sich auch anstrengte, er hatte das Gefuhl, vollig kraftlos zu sein. Gerade als er alle Hoffnung aufgeben wollte, erlangte er wieder das Bewu?tsein: jener Ubergang vollzog sich so rasch, da? er einen Moment zitternd dalag; der Schwei? rann ihm von der Stirn, er war nicht sicher, was mit ihm geschah. Doch dann, ganz langsam - so kam es ihm vor - wurde ihm klar, da? er getraumt hatte. Er muhte sich, einen Ton hervorzubringen, irgendeinen Laut, doch seiner Kehle entwich nur ein Rasseln.

Er bemerkte, da? sich ein Schatten uber ihn gebeugt hatte, und strengte sich an, die Dinge genauer zu erfassen, doch alles blieb verzerrt.

Eine Stimme sagte etwas. Er verstand nichts. Er bemuhte sich erneut, nach oben zu blinzeln. Er fuhlte, wie jemand seinen Kopf packte und ihn etwas hochhob. Dann spurte er etwas Festes an seinem Mund. Eine kalte Flussigkeit wurde uber seine Lippen gespult und rann ihm zwischen die Zahne. Gierig schluckte er. Viel zu rasch wurde das Gefa? wieder fortgenommen, und die Hand legte seinen Kopf auf das Kissen zuruck.

Ein Weilchen lag er so da, dann offnete er die Augen und zwinkerte. Eine Gestalt verschwamm vor ihm, nahm aber gleich danach Konturen an.

Es handelte sich um einen Mann, kurz, stammig und im Gewand eines Monchs.

Eadulf uberlegte angestrengt, was ihm wohl widerfahren sei und wo er sich befand. Er konnte es sich nicht erklaren.

Wieder sagte die Stimme etwas. Wieder verstand er nichts, doch dieses Mal erkannte er am Tonfall, da? jemand in der Sprache der Britannier auf ihn einredete. Er befeuchtete sich mit der Zunge die Lippen und versuchte, einen Satz in jener Sprache hervorzubringen, die er nur unzulanglich beherrschte.

»Wo bin ich?« stie? er schlie?lich hervor, wobei er sofort bemerkte, da? er seine Muttersprache verwendet hatte.

Die Lippen im rundlichen Gesicht des Geistlichen schurzten sich abschatzig.

»Sacsoneg?« Der Mann schuttete nun einen ganzen Wortschwall uber Eadulf aus.

Der versuchte sich zu konzentrieren, denn in seinem Kopf drohnte es immer noch, um einen Satz in der Sprache der Britannier zu bilden. Es war schon viele Jahre her, da? er sie zum letztenmal benutzt hatte. Es wollte ihm nicht gelingen. Also griff er auf Latein zuruck, denn das beherrschte er weitaus besser, wie er sich nun erinnerte.

Als der Monch seine lateinischen Worte vernahm, blickte er erleichtert. Auf seinem rundlichen Gesicht zeichnete sich ein Lacheln ab.

»Du befindest dich in Porth Clais, angelsachsischer Bruder.«

Der Mann hielt ihm erneut den Becher hin, in dem sich Wasser befand. Eadulf hob den Kopf diesmal ohne Hilfe und trank. Er lie? sich wieder auf das Kissen fallen. Da dammerte es ihm.

»Porth Clais? Ich war an Bord eines Schiffes, das von Loch Garman abgelegt hatte. Wo liegt Porth Clais und was ist geschehen .? Fidelma? Wo ist meine Gefahrtin, Schwester Fidelma? Sind wir Schiffbruchige? Mein Gott! Was ist geschehen ...?«

Eadulf versuchte sich aufzurichten. Der untersetzte Monch druckte ihn sanft, aber entschlossen wieder auf sein Lager zuruck. Er mu?te wohl sehr geschwacht sein, wenn er einer einzigen Hand nichts entgegensetzen konnte.

»Alles zu seiner Zeit, angelsachsischer Bruder«, erwiderte der Mann freundlich. »Es war kein Schiffbruch. Alles ist in Ordnung. Du bist, wie ich schon sagte, in Porth Clais im Konigreich von Dyfed. Es ist dir nicht so gut ergangen, mein Freund.«

In Eadulfs Kopf pochte es. Er fuhr sich mit der Hand daruber und war uberrascht, als er an der Schlafe eine leichte Beule fuhlte.

»Ich begreife nicht. Was ist geschehen?«

»Woran erinnerst du dich als letztes, angelsachsischer Bruder?«

Eadulf versuchte, den Wirrwarr in seinem Kopf zu ordnen. »Ich befand mich an Bord eines Schiffs. Wir waren erst eine Tagesreise von Loch Garman entfernt und segelten auf die Kuste von Kent zu . Ah, jetzt fallt es mir wieder ein. Es gab einen Sturm.«

Blitzartig wurde ihm alles klar. Sie waren erst eine Tagesreise von Loch Garman entfernt gewesen. Die Kuste von Laigin, dem sudostlichen der funf Konigreiche von Eireann, war hinter dem Horizont verschwunden, als ein heftiger Wind aufkam und hohe Wellen uber das schwankende Schiff schlugen. Gnadenlos wurden sie hin und her geworfen. Noch ehe der Kapitan und die Mannschaft die Segel einholen konnten, hatte eine heftige Boe sie in Fetzen gerissen, so unerwartet war der Sturm losgebrochen. Eadulf erinnerte sich, da? er Fidelma unter Deck gelassen hatte und hinaufgegangen war, um den Seeleuten seine Hilfe anzubieten.

Der Kapitan hatte sein Angebot schroff abgelehnt.

»Eine Landratte nutzt mir soviel wie ein Eimer mit Loch«, rief er barsch. »Geh wieder runter und bleib da!«

Vor seinen Augen sah er nun, wie er uber das schwankende, uberspulte Deck zuruckgegangen war, gekrankt und verargert, bis zu den Stufen, die zu den Kajuten hinunterfuhrten. Gerade als er sich hinunterbegeben wollte, schien die machtige See das Schiff hochzuwerfen und es nach vorn zu schleudern. Er verlor den Halt, und seine letzte Erinnerung war die, da? er nach vorn gerissen wurde und dann . dann nichts, bis zu seinem Erwachen vor ein paar Augenblicken.

Der stammige Monch lachelte.

»Und wie ist dein Name?« fragte er.

»Ich bin Eadulf von Seaxmund’s Ham, Abgesandter des Erzbischofs Theodor von Canterbury«, erwiderte Eadulf auf der Stelle und fragte dann verwirrt: »Doch wo ist Schwester Fidelma, meine Begleiterin? Was geschah mit dem Schiff? Wie bin ich hierhergekommen? Wo, sagst du, befinde ich mich?«

Der rundgesichtige Monch grinste und hob die Hand, um der Flut von Fragen Einhalt zu gebieten. »Es scheint, da? der Sto? gegen den Kopf weder deinen geistigen Fahigkeiten noch deiner Ungeduld geschadet hat, angelsachsischer Bruder.«

»Meine Geduld hangt am seidenen Faden«, entgeg-nete Eadulf heftig und versuchte wieder, sich im Bett aufzurichten und seine pochende Schlafe zu vergessen. »Antworte mir, denn ich wei? nicht, wie ich meine Ungeduld im Zaum halten soll.«

Der stammige Mann schuttelte den Kopf mit spottischem Bedauern, wobei er mit der Zunge ein abschatziges Gerausch von sich gab. »Hast du nie das Sprichwort Vincit qui patitur gehort, angelsachsischer Bruder?«

»Das ist keine meiner Maximen, Bruder. Haufig zeigt die Geduld allein keine Resultate. Manchmal ist sie nur ein Vorwand, nichts zu tun. Erklare mir, was geschehen ist.«

Der Monch richtete die Augen zur Decke und hob resignierend die Arme. »Nun gut. Ich bin Bruder Rhodri, und das hier ist, wie ich schon gesagt habe, Porth Clais im Konigreich von Dyfed.«

»An der Westkuste Britanniens?«

Bruder Rhodri machte eine bestatigende Handbewegung. »Du befindest dich im Land der Kymren, den wahren Britanniern. Dein Schiff ist gestern am spaten Nachmittag hier an der Kuste vor Anker gegangen, um

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